Der Beck-Verlag verwendet die Farbmarke „Orange“ für die Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW), welche seit dem Jahre 1947 erscheint und vor allem von Rechtsanwälten, Notaren, Richtern, Rechtspflegern, Rechtsreferendaren und Studenten der Rechtswissenschaft gelesen wird. Laut dem Eintrag bei Wikipedia beläuft sich die wöchentliche Auflage auf gut 30.000 Exemplare.
Mit Schriftsatz vom 15.10.2015 beantragte die Antragstellerin des Verfahrens die Löschung der abstrakten Farbmarke „Orange“ wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 50 MarkenG und stützte sich hierbei auf verschiedene Schutzhindernisse. Das Deutsche Patent-und Markenamt wies den Löschungsantrag zurück. Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2.10.2019 zurück. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, wobei Gegenstand des Verfahrens vor dem BGH nur noch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG war.
Sowohl das Bundespatentgericht als auch der BGH stellten fest, dass die abstrakte Farbmarke „Orange“ keine Unterscheidungskraft aufweist. Die Marke konnte daher nur dann Bestand haben, wenn dieses Schutzhindernis entweder am Tag der Anmeldung der Marke am 10.6.2008 (sh. dazu BGH WRP 2018, 451 – quadratische Tafelschokoladenverpackung I; BGH GRUR 2013, 1143 – aus Akten werden Fakten) oder zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (dies ist der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 2.10.2019) durch eine Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden wurde. Ein Löschungsantrag gemäß § 50 MarkenG ist nur dann erfolgreich, wenn das Schutzhindernis noch im Zeitpunkt der Entscheidung besteht, § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Wenn das Schutzhindernis am Tag der Anmeldung der Marke bereits überwunden war, kann der Löschungsantrag dementsprechend schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben. Mit anderen Worten: sollte das Schutzhindernis am Tag der Anmeldung durch Verkehrsdurchsetzung überwunden worden sein, so hat die eingetragene Marke Bestand, auch wenn die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr vorliegen sollten.
Eine Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass grundsätzlich mindestens 50 % der beteiligten Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen eine Marke des Anmelders sehen (vgl. u. a. Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl., zu § 8, Rn. 665 m. w. N.). Beteiligte Verkehrskreise waren hier Rechtsanwälte, Notare, Richter, Rechtspfleger, Rechtsreferendare und Studenten der Rechtswissenschaft. Ein demoskopisches Gutachten, wonach mehr als 50 % der beteiligten Verkehrskreise die Farbmarke „Orange“ als Marke des Beck-Verlages ansehen, lag in dem Verfahren nicht vor.
Das Bundespatentgericht war der Ansicht, dass das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft durch eine Verkehrsdurchsetzung überwunden worden sei. Zwar läge ein entsprechendes demoskopisches Gutachten nicht vor. Es würden aber mittelbare Anzeichen wie Umsatz, Marktanteil, Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke für die juristische Fachzeitschrift „Neue juristische Wochenschrift“ dafür sprechen, dass das Eintragungshindernis im Anmeldezeitpunkt im Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden sei. Es sei zwar nicht zweifelsfrei, dass die festgestellten Tatsachen und Indizien, die eine hohe Bekanntheit der NJW belegten, ausreichend seien, um für die Farbmarke den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen als erbracht anzusehen. Allerdings sei der Vortrag der Antragstellerin hierzu unsubstantiiert, so dass die verbleibenden Zweifel zu Lasten der Antragstellerin gehen würden.
Das Bundespatentgericht vertrat dementsprechend die Auffassung, dass die Antragstellerin in dem Verfahren nachweisen müsse, dass das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nicht durch eine Verkehrsdurchsetzung überwunden worden sei. Dies entsprach bislang auch der Rechtsprechung des BGH.
Mit dem genannten Beschluss vom 22.7.2021 gab der BGH die Rechtsprechung auf, wonach verbleibende Zweifel, ob ein Schutzhindernis vorliegen würde oder nicht, zu Lasten des Antragstellers gehen würden. Es obliege generell vielmehr dem Markeninhaber, im Löschungsverfahren diejenigen Umstände nachzuweisen, aus denen sich der (Fort-)Bestand seiner Marke ergeben würde. Im vorliegenden Fall habe der Beck-Verlag bislang nicht nachgewiesen, dass am Tage der Anmeldung der Marke oder am Tag der Entscheidung über den Löschungsantrag eine Verkehrsdurchsetzung vorlag.
Aus diesem Grunde hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Bundespatentgerichts auf und verwies die Sache an das Bundespatentgericht zurück. In dem weiteren Verfahren wird der Beck-Verlag Gelegenheit haben, durch ein Gutachten nachzuweisen. dass eine Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt oder zum Zeitpunkt der Entscheidung (das ist der Tag des Schlusses der neuen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht) vorlag.
Fazit:
Wenn eine Marke nur aufgrund von Verkehrsdurchsetzung in das Register eingetragen worden ist, so sollte der Inhaber der Marke über ein demoskopisches Gutachten verfügen, wonach mehr als 50 % der beteiligten Verkehrskreise die Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung als Marke des Anmelders angesehen haben. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte der Markeninhaber dafür Sorge tragen, dass spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Löschungsantrag ein solches demoskopisches Gutachten vorliegt. Ferner sollte der Markeninhaber Unterlagen zum Marktanteil, zur Intensität der Benutzung, zur geographischen Verbreitung, zur Dauer der Benutzung, und dem Werbeaufwand vorlegen können und des Weiteren auch Stellungnahmen von Industrie- Handelskammern und anderen Berufsverbänden einholen.