Auf welche Gesetzesänderungen haben wir uns also konkret einzustellen?
1 Abs. 2 UWG n. F.: Spezialitätsgrundsatz
Zunächst bestimmt § 1 Abs. 2 UWG n. F., dass Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Handlungen regeln, den UWG-Normen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, vorgehen. § 1 Abs. 2 UWG n. F. schreibt damit nichts anderes als den allgemeinen Spezialitätsgrundsatz fest, der auch bislang schon in der deutschen Rechtsanwendung verankert war – bringt also in der Sache nichts Neues.
Erweiterung der in § 2 UWG enthaltenen Legaldefinitionen
Die in § 2 UWG enthaltenen Legaldefinitionen werden in eine alphabetische Reihenfolge gebracht und um einige Begriffsdefinitionen erweitert:
So wird in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n. F., der Legaldefinition der geschäftlichen Handlung, klargestellt, dass zu den „Waren und Dienstleistungen“ auch digitale Inhalte und Dienstleistungen zählen und dass für das Vorliegen einer „geschäftlichen Handlung“ nicht nur ein „objektiver“, d. h. funktionaler Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren und Dienstleistungen vorliegen muss, sondern auch ein „unmittelbarer“ Zusammenhang. An letzterem fehlt es nach der Gesetzesbegründung etwa, wenn ein Influencer Waren oder Dienstleistungen empfiehlt, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten [5].
Daneben ist die Liste der Legaldefinitionen um die Begriffe „Online-Marktplatz“ und „Ranking“ erweitert worden:
Neufassung der Irreführungsvorschriften, §§ 5, 5a und 5b UWG n. F.
Die in den bisherigen §§ 5 und 5a UWG enthaltenen Regelungen sind in den §§ 5 – 5b UWG n. F. umstrukturiert worden, um die Lesbarkeit der Vorschriften zu verbessern [7].
Neu hinzugekommen ist § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n. F. Danach ist eine geschäftliche Handlung auch irreführend, wenn mit ihr in einem EU-Mitgliedstaat eine Ware als identisch mit einer in anderen EU-Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, und dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist (sog. „Dual Quality“). Regelungsadressaten sind damit in erster Linie die Hersteller von Markenprodukten, die über Markenverwendung und Rezeptur entscheiden.
Eine „identische Vermarktung“ im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n. F. setzt neben der Verwendung derselben Marke voraus, dass die Ware in übereinstimmender Aufmachung angeboten wird. Entscheidend ist dabei, ob der Verbraucher bestehende Unterschiede in der Produktaufmachung leicht erkennen kann. Dabei ist in erster Linie die Schauseite des Produkts mit dem Frontetikett maßgebend. Die korrekte Fassung des Zutatenverzeichnisses wird dagegen im Zweifel wohl nicht ausreichen [8].
Weiter setzt der Tatbestand des § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n. F. voraus, dass sich die gekennzeichneten Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden. Bei Lebensmitteln kann dies etwa dann der Fall sein, wenn die einzelnen Zutaten in unterschiedlichen Mengen verwandt werden oder die deklarierten Nährwerte um 10% abweichen [9].
Irreführend ist eine identische Kennzeichnung und Produktaufmachung trotz erheblicher Unterschiede in der Produktzusammensetzung allerdings nur dann, wenn es hierfür keinen Rechtfertigungsgrund gibt. Solche Rechtfertigungsgründe können etwa in unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften, in einer abweichenden Verfügbarkeit oder Saisonabhängigkeit der Rohstoffe oder in verschiedenen Ernährungsgewohnheiten auf den einzelnen geographischen Märkten bestehen.
§ 5a Abs. 1 UWG a. F., wonach bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers und ihre Eignung zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen ist, wurde aufgehoben und die übrigen Regelungen des § 5a UWG a. F. neu gegliedert.
5a Abs. 4 Satz 1 UWG n. F. verpflichtet zur Kenntlichmachung eines kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Der neue Satz 2 des § 5a Abs. 4 UWG n. F. stellt zudem klar, dass ein kommerzieller Zweck bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens dann nicht vorliegt, wenn keine Gegenleistung erfolgt. Gemäß Satz 3 der Vorschrift wird der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung vermutet, es sei denn, der Handelnde macht glaubhaft, dass er keine Gegenleistung erhalten hat. Wie der Begriff der „Glaubhaftmachung“ deutlich macht, ist für das Fehlen der Gegenleistung demnach kein Vollbeweis zu erbringen; vielmehr ist i. S. v. § 294 ZPO auch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung zulässig. Insoweit enthält Satz 3 der Vorschrift neben einer Beweislastumkehr auch eine Reduzierung des Beweismaßes.
§ 5b Abs. 1 UWG n. F. gibt eine – nur für Verbrauchergeschäfte gültige – Definition der „wesentlichen Informationen“ im Sinne des § 5a UWG n. F. Hierzu zählen
Macht ein Unternehmer Verbraucherbewertungen seiner Waren und Dienstleistungen zugänglich, muss er auch darüber informieren, ob und wie sichergestellt ist, dass die veröffentlichten Bewertungen von Personen stammen, die die Waren oder Dienstleistungen auch tatsächlich genutzt oder erworben haben.
Verbot der Verletzung von Verbraucherinteressen, § 5c UWG n. F.
Im neuen § 5c UWG sind diejenigen unlauteren Handlungen aufgezählt, die gemäß § 19 UWG n. F. auch mit einer Geldbuße belegt werden können. Im Einzelnen betrifft dies
5c UWG n. F. soll eine europaweit einheitliche und damit effektive Durchsetzung der Verbraucherrechte ermöglichen.
§ 9 UWG n. F. – Schadensersatz
Gemäß § 9 Abs. 1 UWG n. F. ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine nach den §§ 3 oder 7 UWG n. F. unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Der neu in die Vorschrift eingefügte Absatz 2 gibt nun auch Verbrauchern das Recht, Schadensersatz zu verlangen. Unterlassungsansprüche stehen den Verbrauchern allerdings weiterhin nicht zu.
Der Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG n. F. setzt voraus, dass der Verbraucher durch eine nach § 3 UWG n. F. unzulässige geschäftliche Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurde, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nicht schadensersatzbegründend sind damit geschäftliche Handlungen nach §§ 3a, 4, 6 und 7 UWG n. F. sowie nach Nr. 32 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG n. F. Zu ersetzen sind zudem nur solche Schäden, die unmittelbar aus der vom Verbraucher getroffenen geschäftlichen Entscheidung resultieren, nicht dagegen etwaige Folgeschäden [10]. Sonstige Schadensersatzansprüche der Verbraucher, etwa auf der Grundlage bürgerlich-rechtlicher Vorschriften, bleiben unberührt.
Gerichtszuständigkeit, § 14 Abs. 4 UWG n. F.
Gemäß § 14 Abs. 4 UWG n. F. richtet sich die Gerichtszuständigkeit für Schadensersatzklagen der Verbraucher auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 UWG n. F. nach den allgemeinen Vorschriften. Damit sind für Schadensersatzklagen mit einem Streitwert von nicht mehr als 5.000 € gemäß § 23 Nr. 1 GVG die Amtsgerichte sachlich zuständig. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung einer Überlastung der ansonsten für Lauterkeitssachen ausschließlich zuständigen Landgerichte vorbeugen und die Kosten für klagende Verbraucher gering halten [11].
Neue Tatbestände im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG n. F.
Der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes um die Nrn. 11a, 23a, 23b, 23c, 26 und 32 ergänzt:
Änderung der Preisangabenverordnung
Um eine bessere Verständlichkeit der Vorschriften zu erreichen, wurde auch die Preisangabenverordnung neu gefasst:
[1] BGBl. I, 3504 ff., im Folgenden: „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes“.
[2] vom 26.11.2020, BGBl. I, S. 2568.
[3] RL (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der RL 93/13/EBG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, ABl. L 328 vom 18.12.2019, S. 7.
[4] vgl. im Einzelnen hierzu Büscher WRP 2022, 1 ff.
[5] BT-Drucks. 19/27873, S. 32; Büscher WRP 2022, 1, 3.
[6] Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 2 UWG n.F. Rn. 6, 7.
[7] BT-Drucks. 19/27873, S. 33.
[8] Vgl. hierzu schon BGH GRUR 2016, 783 ff. – Himbeer-Vanille-Abenteuer II.
[9] Bekanntmachung der Kommission zur Anwendung des EU-Lebensmittel auf Fragen der Produkte von zweierlei Qualität – der besondere Fall der Lebensmittel (ABl. 2017/C 327/1, 6); Büscher WRP 2022, 1, 5.
[10] Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 9 UWG n.F. Rn. 2.19.
[11] Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 14 UWG n.F., Rn. 3.