Im Zuge der fortschreitenden Konkretisierung des europaweiten urheberrechtlichen Werkbegriffs hat der BGH einige relevante Fragen an den EuGH vorgelegt. Es handelt sich um Fragen, die im nationalen, deutschen Urheberrecht lange diskutiert wurden, aber entschieden sind. Der BGH will damit seine Position darlegen, wie die Fragen auch für das europäische Urheberrecht zu entscheiden sein sollten.
Das Landgericht Düsseldorf hatte der Verletzungsklage aus Urheberrecht stattgegeben. Das OLG Düsseldorf hat dagegen das Urheberrecht verneint und der Klage aus wettbewerbsrechtlichem Nachahmungsschutz stattgegeben. Beide Parteien, USM und die Nachahmerin haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Der BGH sendet nun drei Fragen an den EuGH. Die vorgelegten Fragen lauten:
1. Besteht bei Werken der angewandten Kunst zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen Schutz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freien kreativen Entscheidungen des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten?
2. Ist bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers auf den Schöpfungsprozess abzustellen und muss er insbesondere die freien kreativen Entscheidungen bewusst treffen, damit sie als freie kreative Entscheidungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anzusehen sind?
3. Falls im Rahmen der Prüfung der Originalität maßgeblich darauf abzustellen ist, ob und inwieweit in dem Werk künstlerisches Schaffen objektiven Ausdruck gefunden hat: Können für diese Prüfung auch Umstände herangezogen werden, die nach dem für die Beurteilung der Originalität maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetreten sind, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen?
Die erste Frage problematisiert, ob bei Gegenständen der angewandten Kunst, insbesondere also bei Design von Gebrauchsgegenständen eine höhere Anforderung an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit als bei anderen urheberrechtlichen Werkarten (wie Literatur, Musik, Malerei etc.) gestellt werden muss. Der Hintergrund dieser Vorlagefrage liegt darin, dass ein schwedisches Gericht in einem anderen Verfahren ebenfalls eine Vorlagefrage an den EuGH gestellt hat, wobei das schwedische Gericht die Frage bejaht wissen will. Der BGH ist dagegen der Meinung, dass der Designschutz und der Urheberschutz voneinander unabhängig sind und deswegen auch bei angewandter Kunst keine höheren Anforderungen an die Schöpfungshöhe zu stellen sind, als bei anderen Werkarten. Diese früher auch in Deutschland praktizierte Benachteiligung der angewandten Kunst gegenüber anderen Werkarten hatte der BGH erst in seiner Entscheidung Geburtstagszug aufgegeben.
Auch zu der zweiten Vorlagefrage sieht sich der BGH durch das schwedische Gericht veranlasst. Das schwedische Gericht meint, dass der Urheber subjektiv als Ausdruck eines künstlerischen Wirkens die Schöpfung vornehmen müsse. Der BGH will dagegen bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleiben, dass ein solcher „künstlerischer Wille“ für die Frage der Werkqualität und der Schöpfungshöhe nicht entscheidend ist. Vielmehr kommt es nach der Meinung des BGH darauf an wie die berühmten „für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise“ das Werk betrachten und ob der ästhetische Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Zudem merkt der BGH zutreffend an, dass ein auf die Vorstellung des Schöpfers abstellender Maßstab mit subjektiven Elementen großen Beweisschwierigkeiten in der Praxis begegnen würde.
Schließlich legt der BGH noch die dritte Frage vor, ob spätere Ereignisse nach Abschluss der Schöpfung als Indizien für die Beurteilung der Schöpfungshöhe herangezogen werden können. In der deutschen Rechtsprechung ist es üblich, dass zum Beispiel spätere Designpreise oder die Aufnahme des Gegenstands in Sammlungen und Museen als Indizien für die Schöpfungshöhe und Werkqualität herangezogen werden können, weil sie zeigen, dass die „für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise“ den zu beurteilenden Gegenstand als ein urheberrechtliches Werk betrachten.
All dies sind grundlegende Fragen, die den Weg des künftigen Urheberrechts in Europa entscheidend beeinflussen werden. Eine wesentliche Rolle für das weitere Verfahren wird dabei spielen, welche Position der Generalanwalt hierzu einnimmt.