In einem neuen Regierungsentwurf hat das Bundesjustizministerium weitreichende Änderungen der ZPO und des GVG für bestimmte Wirtschaftssachen angekündigt.
Dabei geht es zunächst um die Einrichtung von sogenannten Commercial Courts, bei denen insbesondere Wirtschaftssachen zwischen Unternehmen (nicht aber Sachen aus dem gewerblichen Rechtsschutz) oder Verfahren über Unternehmenskäufe ab einem Streitwert von 1.000.000 € auch (aber nicht zwingend) in englischer Sprache geführt werden können. Die Bundesländer erhalten die Befugnis, solche spezialisierten Senate an den Oberlandesgerichten einzuführen. Diese Streitigkeiten werden daher erstinstanzlich beim Oberlandesgericht anhängig gemacht und die Revision zum BGH ist auch ohne Zulassung möglich. Solche Verfahren mit am Streitwert über 1.000.000 € überspringen daher die Instanz der Landgerichte und werden sogleich beim OLG in erster Instanz anhängig gemacht. Die Verfahren können, müssen aber nicht in englischer Sprache geführt werden. Neu ist auch die Einführung eines zwingenden „Organisationstermins“ vor dem Commercial Court, in dem Verfahrensabsprachen über Organisation und den Ablauf des Verfahrens getroffen werden sollen. Solche „case management conferences“ sind in vielen europäischen Rechtsordnungen üblich und erleichtern eine sinnvolle Strukturierung des Verfahrens.
Daneben können auch auf der Ebene der Landgerichte Commercial Chambers eingerichtet werden, die über bestimmte wirtschaftsrechtliche Verfahren entscheiden.
In diesen werden dann sämtliche Dokumente, die Schriftsätze und die mündliche Verhandlung in englischer Sprache eingereicht und abgehalten werden können. Zugleich kann dort auch ein Wortprotokoll geführt werden.
Noch bedeutender für die Praxis ist allerdings die Einführung eines neuen § 273 a ZPO, der einen Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Zivilprozess insgesamt dem Schutzmechanismus des GeschGehG unterstellt.
Die neue Vorschrift soll wie folgt lauten:
§ 273 a Geheimhaltung
Das Gericht kann auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sein können; die §§ 16 bis 20 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sind entsprechend anzuwenden.
Dies bedeutet, dass künftig sämtliche Geschäftsgeheimnisse, die in Zivilprozessen vorgetragen werden sollen, unter die Geheimnisschutzanordnungen der Zivilgerichte gestellt werden können. Bislang waren die Vorschriften des GeschGehG lediglich auf (eher seltene) Verfahren über Geschäftsgeheimnisse beschränkt. Diese Beschränkung wurde vielfach kritisiert und die deutschen Regeln über den Geheimnisschutz in Zivilprozessen sind seit langem als unzureichend und im internationalen Maßstab nicht als wettbewerbsfähig empfunden worden. Bemerkenswert ist auch, dass § 273 a ZPO mit einer kurzen Übergangsfrist auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden sein wird. Die Parteien können daher auch in laufenden Verfahren Geschäftsgeheimnisse unter Schutzanordnungen der Gerichte stellen lassen.
Nun kommt über den Umweg der Commercial Courts eine ganz grundsätzliche Änderung der Zivilprozessordnung, die künftig sämtliche Geschäftsgeheimnisse erfassen kann, auch wenn diese nicht in Verfahren über Geschäftsgeheimnisse eingeführt werden. Es wird also künftig zu einem gänzlich geänderten Geheimnisschutz kommen, wenn in Zivilverfahren Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden.