In Verträgen, die gewerbliche Schutzrechte betreffen, sind oft Nichtangriffsabreden enthalten. In Abgrenzungsvereinbarungen zum Markenrecht gibt es regelmäßig eine Klausel, wonach sich der Inhaber der jüngeren Marke verpflichtet, die ältere Marke und deren Folgeanmeldungen nicht anzugreifen. In Lizenzverträgen für Patente oder Marken findet sich häufig die Regelung, wonach sich der Lizenznehmer verpflichtet, gegen das vertragsgegenständliche Schutzrecht (Patent oder Marke) nicht vorzugehen.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte zu 1) als Verkäuferin in einem Markenteilübertragungsvertrag die Wortmarke „Leinfelder“ für die Waren „Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus für Uhren und Zeitmessinstrumente“ auf die Klägerin übertragen. In diesem Vertrag hieß es unter anderem wie folgt:
„Der Verkäufer verpflichtet sich, die Teilmarke weder selbst anzugreifen noch Dritte beim Angriff auf die Teilmarke zu unterstützen.“
Ferner schlossen die Beklagte zu 1) als Verkäuferin und die Klägerin als Käuferin einen Asset-Kaufvertrag ab, in dem es unter anderem hieß wie folgt:
„Die Verkäuferin verpflichtet sich, sowohl (i) registrierte immaterielle Vermögensgegenstände als auch (ii) die Nutzung immaterieller Vermögensgegenstände weder selbst anzugreifen noch Dritte bei einem solchen Angriff zu unterstützen.“
Die Klägerin meldete drei Unionsmarken mit dem Bestandteil „Leinfelder“ für die vorgenannten Waren an.
Am 10.8.2016 stellte Herr Rechtsanwalt Dr. S. im eigenen Namen als „Strohmann“ der Beklagten beim EUIPO Anträge auf Erklärung des Verfalls wegen Nichtbenutzung gegen die Unionsmarken der Klägerin.
Die Klägerin erhob daraufhin vor den Münchener Gerichten gegen die Verkäuferin als Beklagte zu 1) und deren Geschäftsführer und Gesellschafter als Beklagte zu 2) bis 4) eine Klage, wonach die Beklagten verurteilt werden sollten, Herrn Rechtsanwalt Dr. S. anzuweisen, die von ihm am 10.8.2016 beim EUIPO gestellten Anträge auf Erklärung des Verfalls der Unionsmarken der Klägerin zurückzunehmen. Ferner sollte das Gericht feststellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Anträge von Rechtsanwalt Dr. S. auf Erklärung des Verfalls der Unionsmarken entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Das Landgericht München I wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht München wies die Berufung der Klägerin zurück und nahm hierbei insbesondere Bezug auf ein Urteil des EuG vom 16.11.2017, wonach nationale Gerichte keine Befugnis haben, nach nationalem Recht anzuordnen, dass ein beim EUIPO gestellter Antrag auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke zurückgenommen wird (vgl. die in GRUR-RR 2018, S. 68 ff. abgedruckte vorgenannte Entscheidung „Carrera“ des EuG).
Im Revisionsverfahren hatte der BGH zu unterstellen, dass sich aus der oben wiedergegebenen Nichtangriffsabrede eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) ergeben würde, gegen die Unionsmarken der Klägerin auch keinen Antrag auf Erklärung des Verfalls beim EUIPO zu stellen. Es stellte sich daher zunächst für den BGH die Frage, ob eine solche Verpflichtung in einer Nichtangriffsabrede wirksam ist.
In der Rechtsprechung und der Literatur ist umstritten, in welchem Umfang eine Nichtangriffsabrede wirksam ist.
Soweit ersichtlich, besteht Einigkeit darüber, dass der Inhaber eines Rechtes sich verpflichten kann, aufgrund dieses Rechtes nicht vorzugehen. In einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung verpflichtet sich der Inhaber der älteren Marke typischerweise, nicht gegen die jüngere Marke vorzugehen und die Benutzung der jüngeren Marke im geschäftlichen Verkehr für bestimmte Waren/Dienstleistungen zu dulden. Eine solche Verpflichtung ist nach einhelliger Meinung wirksam. Streitig ist indes, ob auf Angriffe gegen eine Marke oder sonstige Schutzrechte verzichtet werden kann, die im öffentlichen Interesse liegen und von jedermann geltend gemacht werden können wie zum Beispiel Anträge auf Verfall einer Marke, auf Nichtigkeit einer Marke wegen absoluter Schutzhindernisse oder – im Patentrecht – auf Erhebung einer Nichtigkeitsklage. Zu einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung hat insbesondere das Oberlandesgericht Düsseldorf die Ansicht vertreten, dass Verpflichtungen, gegen Marken keinen Antrag auf Erklärung des Verfalls oder auf Nichtigkeit wegen anfänglicher absoluter Schutzhindernisse zu stellen, unzulässig und damit nichtig seien. Solche Anträge dienten überwiegend dem öffentlichen Interesse an der Bereinigung des Registers und seien daher der Parteidisposition entzogen (vgl. OLG Düsseldorf, NZKart 2015, 109). Der BGH stimmt der Gegenmeinung zu, wonach auch solche Verpflichtungen wirksam seien (vgl. auch OLG München, Urteil vom 6.11.2014, Beck RS 2015, 18978; Ströbele/Hacker/Thiering, Kommentar zum Markengesetz, zu § 55, Rn. 54 ff.). Das Markenrecht habe die Durchsetzung des Benutzungszwangs der Parteiinitiative unterstellt. Da aus den hierfür maßgeblichen Regelungen kein zwingendes Verbot folge, nicht rechtserhaltend benutzte Marken im Markenregister zu belassen, müsse auch eine privatautonome Vereinbarung über die Geltendmachung der Nichtbenutzung einer Marke grundsätzlich möglich sein. Zudem habe der Umstand, dass das Markenrecht jedem das Recht einräume, die Löschung einer Marke wegen Verfalls zu betreiben, nicht zur Folge, dass ein Vertragspartner, der zusage, von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen, gemäß § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoße oder gemäß § 138 BGB sittenwidrig handele. Die Entscheidung des EuGH zu dieser Frage bleibt abzuwarten.
Sollte die Nichtangriffsabrede im vorliegenden Fall wirksam sein und dementsprechend eine Verpflichtung enthalten, wonach die Beklagten die Unionsmarken der Klägerin nicht angreifen bzw. nicht durch einen Dritten angreifen lassen dürfen, so stellt sich weiter die Frage, ob ein nationales Gericht anordnen darf, dass der Beklagte einen gestellten Antrag auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke zurückzunehmen hat. In der Tat hat das EuG in der oben genannten Entscheidung, auf welche sich das Oberlandesgericht München berufen hatte, eine solche Befugnis verneint. In dem vom EuG entschiedenen Fall war ebenfalls eine Unionsmarke mit einem Antrag auf Erklärung des Verfalls angegriffen worden. Der Inhaber der angegriffenen Unionsmarke hatte sich auf eine Nichtangriffsabrede mit dem Antragsteller berufen und gleichzeitig die Aussetzung des Verfahrens vor dem EUIPO beantragt mit der Begründung, dass über die Verpflichtung, nicht gegen die angegriffene Marke vorzugehen, ein Rechtsstreit vor dem Landgericht München I anhängig sei. Das EuG hat entschieden, dass eine Nichtangriffsabrede in einem Nichtigkeitsverfahren vor dem EUIPO wegen Verfalls nicht berücksichtigt werden könne. Ferner könne ein nationales Gericht nicht anordnen, dass ein beim EUIPO gestellter Antrag auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke zurückgenommen werde. Der BGH vertritt hierzu die gegenteilige Auffassung, wonach ein nationales Gericht einen Beklagten aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung durchaus dazu verurteilen könne, einen beim EUIPO gestellten Antrag wieder zurückzunehmen. Auch zu dieser zweiten Frage bleibt die Antwort des EuGH abzuwarten.
Der Verfasser stimmt dem BGH zu. Wenn es eine wirksame vertragliche Vereinbarung gibt, wonach eine Unionsmarke nicht angegriffen werden darf, so muss es bei einem Verstoß gegen eine solche Verpflichtung auch die Möglichkeit geben, diese Verpflichtung auch gerichtlich durchzusetzen. Wäre die Ansicht des EuG in der Entscheidung „Carrera“ richtig, so könnte gegen eine solche Vertragsverletzung nicht vorgegangen werden.