1. Die Frage, ob Influencer-Posts als unternehmerische Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) angesehen, somit als Werbung qualifiziert werden müssen und, wenn ja, ob und wie die Posts gekennzeichnet werden müssen, beschäftigt die Gerichte bereits seit einigen Jahren. Eine einheitliche Linie hatte sich dabei bislang nicht herausgebildet, was zu einer erheblichen Verunsicherung der Influencer-Szene und auch der Werbetreibenden geführt hat. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof („BGH“) in drei am 9. September 2021 veröffentlichten Entscheidungen zumindest für einige Konstellationen Klarheit geschaffen.
2. Ausgangspunkt der Streitigkeiten ist das sog. Trennungsgebot (Verbot von Schleichwerbung), das in einer Reihe von Vorschriften verankert ist. Im Bereich des Influencer-Marketings sind insbesondere § 5a Abs. 6 UWG und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz („TMG“) relevant. Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Speziell für den Bereich des Internets schreibt § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG vor, dass kommerzielle Kommunikation klar als solche zu erkennen sein muss, wobei Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens, die unabhängig und ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden, nach § 2 Nr. 5 Buchst. b TMG nicht als kommerzielle Kommunikation in diesem Sinne gelten. Vergleichbare Regelungen finden sich in Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG und im Mediendienstestaatsvertrag (MStV; zuvor Rundfunkstaatsvertrag, RStV) der Länder.
Die Anwendung dieser Vorschriften auf Influencer-Posts in sozialen Medien, insbesondere Posts, die mittels „Tap Tags“ auf die Accounts oder Internetseiten der Hersteller der in den Posts dargestellten Produkte verlinken, war lange unklar und heftig umstritten. Eine einheitliche Linie der mit der zunehmenden Zahl von Klagen gegen Influencer befassten Gerichte war nicht zu erkennen.
Der Streit drehte sich dabei im Wesentlichen um drei Fragen:
Während hinsichtlich der letzten Frage schon bisher weitgehend Einigkeit bestand, dass eine Kennzeichnung als Werbung deutlich zu Beginn des Posts erfolgen und den Post insgesamt umfassen muss, nicht nur einzelne Inhalte, Darstellungen oder Textabschnitte (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2020, 452), gingen die Auffassungen der Gerichte, wann ein Post als Werbung anzusehen und wann eine Kennzeichnung entbehrlich ist, weil der kommerzielle Zweck eindeutig ist, weit auseinander.
a. Bei der Frage, ob eine kennzeichnungspflichtige Werbung vorliegt, bestand weitgehende Einigkeit lediglich bei Posts, für die der Influencer eine direkte Gegenleistung des verlinkten Unternehmens erhalten hat. Diese sind von den Gerichten grundsätzlich als kennzeichnungspflichtige Werbung angesehen worden (so etwas KG, GRUR-RR 2018, 155; OLG Frankfurt, MMR 2020, 43; OLG Karlsruhe, GRUR 2021, 88, 1474; OLG Köln, GRUR-RR 2021, 167, 168). Fehlte es dagegen an einer Gegenleistung des verlinkten Unternehmens, gingen die Auffassungen der Gerichte bislang auseinander.
Auf der einen Seite sah beispielsweise das OLG Karlsruhe (GRUR-RR 2020, 452) bereits im bloßen „Taggen“ von Fotos eine Werbung, auch wenn keine Gegenleistung vorlag (MMR 2021, 159). Noch weitergehend hatte das OLG Braunschweig (GRUR-RR 2020, 452) die Auffassung vertreten, dass im Zweifel sämtliche Posts in einem Social-Media-Account als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen seien, sobald auch nur einzelne Posts vorhanden seien, für die der Profilinhaber eine Gegenleistung erhalten habe oder in denen er seine eigene kommerzielle Tätigkeit bewerbe.
Auf der anderen Seite hatte etwa das OLG München (GRUR 2020, 1096) in dem bloßen „Taggen“ von Produkten und der Weiterleitung auf die Instagram-Accounts der jeweiligen Hersteller noch keine kennzeichnungspflichtige Werbung gesehen. Die Informationen zu Produkten, inklusive der angebrachten Tags und Links, gehörten vielmehr zum „redaktionellen Teil“ der Posts und dienten damit vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern.
b. Auch bei der Frage, wann eine Kennzeichnung entbehrlich ist, weil der werbliche Charakter eines Posts klar und eindeutig erkennbar ist, gingen die Auffassungen in der Rechtsprechung weit auseinander. Während das OLG Hamburg (MMR 2020, 767) und das OLG München (GRUR 2020, 1096) angenommen hatten, dass bei einem verifizierten Account und einer erheblichen Follower-Zahl der werbliche Zweck sämtlicher Beiträge für die Nutzer offenkundig sei, hatte das KG (GRUR 2019, 543) die Auffassung vertreten, dass gerade die für Influencer typische Vermischung von redaktionellen Äußerungen und als Werbung zu qualifizierenden Tags und Links die Gefahr der Irreführung und die Notwendigkeit der Aufklärung begründe, weil werbliche und redaktionelle Ebenen ineinander übergingen.
3. Der BGH hat sich in drei Verfahren nun erstmals dezidiert mit der Einordnung von Postings als kommerzielle Kommunikation und möglichen Konsequenzen, insbesondere inwieweit Influencerinnen mit einer jeweils hohen Follower-Anzahl und regelmäßigen Posts mit ihren Instagram-Beiträgen gegen die Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung verstoßen haben, auseinandergesetzt. In allen drei Verfahren hatte der Kläger, ein Verein zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder (Verband Sozialer Wettbewerb e.V.), die Influencerinnen wegen unzulässiger Schleichwerbung aufgrund nicht als Werbung gekennzeichneter Posts auf Unterlassung und Kostenerstattung in Anspruch genommen. Im Einzelnen:
Hier hatte das Gericht die Frage zu beleuchten, inwieweit ein Posting auf einem Instagram-Account zugunsten eines fremden Unternehmens als Werbung anzusehen und somit als solche gekennzeichnet werden musste. Soweit hier eine Gegenleistung für das Posting des Beitrags entrichtet wird (wie im vorliegenden Fall), ist die Frage eindeutig zu beantworten: Ein solches Posting ist als Werbung zu qualifizieren und entsprechend als solche zu kennzeichnen (§ 5a Abs. 6 UWG/§ 3a UWG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 S. 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 MStV).
Das streitgegenständliche Posting war nicht als Werbung gekennzeichnet. Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten, blieb die Revision ohne Erfolg.
Im zweiten Verfahren wurde die Klageabweisung des OLG Hamburg (Az. 15 U 142/19) vom BGH bestätigt. Hier war die Konstellation so, dass keine Gegenleistung des Herstellers floss, dessen Produkte im Rahmen des Postings „beworben“ wurden.
In einem solchen Fall wäre der Beitrag nur dann als Werbung anzusehen und aus Lauterkeitsgründen so zu kennzeichnen, „wenn der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt“. Nicht entscheidend hierfür ist laut dem BGH, ob hier Produktbilder mit sog. „Tap Tags“ versehen sind, mit denen lediglich die Produkte des Herstellers identifiziert werden. Ein werblicher Überschuss sei jedoch gegeben, wenn neben dem „Tap Tag“ noch auf die Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts verlinkt wird, wie im vorliegenden Fall. Allerdings hatte dies keine Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht. Denn soweit in einem Posting absatzfördernde Äußerungen – sei es für das eigene Unternehmen oder für Dritte – klar als kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung erkennbar ist und keine Gegenleistung erfolgt, genügt das Verhalten (in dem Fall) der Postenden den vorgenannten Kennzeichnungsvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG. Bei den Bestimmungen nach dem TMG handelt es sich um bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich der Regelung des § 5a Abs. 6 UWG beschränken. Der Instagram-Account von Cathy Hummels ist aufgrund ihrer Bekanntheit und hohen Followerzahl für Verbraucher erkennbar für die Imagepflege und daher aus rein kommerziellen Erwägungen betrieben. Eine Gegenleistung der im Posting gezeigten und verlinkten Produkte Dritter erfolgte nicht. Daher bedurfte es keiner gesonderten Kennzeichnung.
In dem Verfahren wurde die Klageabweisung der Vorinstanzen (zuletzt OLG München, Az.: 29 U 2333/19) bestätigt. Zwar stellten die Postings der Instagram-Accountinhaberin ähnlich wie bei dem vorgenannten Sachverhalt geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens sowie ggf auch zugunsten fremder Unternehmen dar, jedoch ergebe sich der kommerzielle Zweck des Postings unmittelbar aus den Gesamtumständen. Was die geschäftlichen Handlungen zugunsten fremder Unternehmen anbelangt, so schied die Annahme eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 6 UWG aus, da – wie bei der BGH-Entscheidung Influencer II – keine Gegenleistung floss, die Beiträge den vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 S. 1 RStV und § 22 Abs. 1 S. 1 MStV genügten und auch kein sonstiger Verstoß gegen UWG-Normen festgestellt werden konnte.
4. Scheinbar private Posts in Sozialen Medien können durchaus geschäftlicher Natur und als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren sein. Daran ändert es auch nichts, wenn über ein Instagram-Account ansonsten nur private Beiträge veröffentlicht werden. Posts von einer als Influencer tätigen Person mit einer höheren Anzahl an Followern werden im Zweifel immer als geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens zu qualifizieren sein. Denn die Vermarktung und Ausweitung der eigenen Reichweite steigert den Marktwert für Drittunternehmen, die Influencer als Marketingtool sehen und einsetzen.
Während der BGH sich nicht damit befasst hat, wann die Grenze von einer Tätigkeit als Privatperson zur Tätigkeit als Unternehmer/in überschritten wird, so sind jetzt zumindest ein paar Parameter fixiert, unter welchen Bedingungen Beiträge als Werbung für die eigene oder fremde Geschäftstätigkeit als solche zu kennzeichnen sind, insbesondere, wenn hier mit einem Post vorrangig die Förderung des Absatzes eines Drittunternehmens bezweckt wird. Für den Betrachter eines Posts muss jeder mit einem Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck klar und eindeutig erkennbar sein.
5. Auf Basis des am 13. Februar 2020 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz („BMJV“) veröffentlichten Regelungsvorschlags zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation zur Information und Meinungsbildung von geschäftlichen Handlungen (Influencer) wurde am 20. Januar 2021 ein Regierungsentwurf veröffentlicht, der den für solche Sachverhalte vorrangig anwendbaren § 5a Abs. 6 UWG durch einen § 5a Abs. 4 UWG ersetzt („Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“). Hiernach müssen nur noch Posts, die gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung erfolgen, als „Werbung“ oder „Anzeige“ gekennzeichnet werden. Damit soll einer überobligationsmäßigen Kennzeichnung bei Posts in sozialen Medien vorgebeugt werden. Eine solche wird als Gefahr für den Verbraucher angesehen: Denn wenn durchweg alle Posts eines Influencers – auch solche ohne irgendeinen Produktbezug, die eindeutig aus der Privatsphäre entstammen – als „Anzeige“ deklariert werden oder als solche deklariert werden müssten, würden die Verbraucher die bezweckte Warnung vor werblichen Inhalten nicht mehr ernst nehmen und im Übrigen schwieriger zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten unterscheiden können. Man hätte dann eine Täuschung durch Überkennzeichnung. Dieses Gesetz tritt allerdings erst im Mai 2022 in Kraft.
6. Nachdem die vorgenannten Entscheidungen des BGH richtungsweisend sind, werden diese auch noch nach Inkrafttreten der UWG-Novelle fortgelten. Im Ergebnis werden mit dem Schritt die bereits telemedienrechtlich umgesetzten Regelungen ins UWG übernommen.
Bei Postings zu Produkten, für die es eine Gegenleistung vom Hersteller gab, ist somit das Posting stets entsprechend als Werbung zu kennzeichnen, und zwar in einer Art und Weise, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt. Wir empfehlen hier die Dauereinblendung der Bezeichnung „Werbung“, „Anzeige“ oder – je nach Sprachwahl und ggf. Zielpublikum – z.B. „Advertisement“ in einer auf den üblichen Endgeräten lesbaren Schriftgröße in einer entsprechenden Kontrastfarbe zum Hintergrund. Wenn der Hinweis erst erfolgt, wenn man auf einen „Tap Tag“ klickt, ist dies zu spät. Eine Kennzeichnungspflicht entfällt lediglich, soweit hier nur die Leistungen/Produkte des Influencers, sprich die eigenen Unternehmungen dadurch gefördert werden sollen.
Soweit Dritte von dem Posting profitieren und keine Gegenleistung erfolgt ist, ist zu zwar aus wettbewerbsrechticher Sicht zu unterscheiden, inwieweit dies aufgrund der Gesamtumstände für den Verbraucher offensichtlich ist. Soweit dies nicht offensichtlich ist, jedoch mittels Tap Tags unmittelbar auf das Angebot des Drittunternehmens verlinkt ist, wäre hier nach UWG-Vorgaben auch eine entsprechende Kennzeichnung als Werbung vorzunehmen. Nur bei einer gänzlich offensichtlichen Werbung für Dritte ist diese entbehrlich. Allerdings entfällt die vorgenannte Kennzeichnungspflicht nach dem vorrangig anwendbaren TMG mangels Gegenleistung.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die rechtlichen Fragestellungen und Fallstricke mit den vorgenannten BGH-Entscheidungen nicht gänzlich geklärt bzw. weg sind; jedoch wurden diese reduziert auf Grenzfälle, für die die Rechtsprechung sicherlich weitere Regelungen aufzeigen wird, jedenfalls bis zur nächsten UWG- oder TMG-Novelle, die über eine entsprechende EU-Richtlinie angestoßen werden sollte. In einem ubiquitär zugänglichen Medienraum mit nationalen Regelungen vorzustoßen würde sicherlich einer EU-weiten, einheitlichen Regelung zuwiderlaufen.