In der kürzlich veröffentlichten Entscheidung „Polsterumarbeitungsmaschine“ (Urteil vom 14.11.2023; Az. X ZR 30/21; GRUR 2024, 273) hat der BGH interessante Überlegungen zur Berechnung des Schadensersatzes bei Patentverletzungen angestellt. Konkret geht es um die Frage, welche Umsätze eines Patentverletzers für die Berechnung des Schadensersatzes (insbesondere für den durch die Verletzung erzielten Gewinn) relevant sind. Der BGH hat sich dabei zu Umsätzen durch Zusatzgeschäfte – die nicht unmittelbar den Verkauf von patentverletzenden Produkten betreffen – sowie zum relevanten Zeitpunkt solcher Geschäfte geäußert.
Im konkreten Streitfall hat die Beklagte patentverletzende Polsterungsumarbeitungs-maschinen vertrieben, die ein flächiges Vorratsmaterial (z.B. Papier) in Polsterprodukte (z.B. Polsterkissen) umarbeiten. Solche Polsterprodukte werden beim Verpacken von Waren verwendet, um die Leerräume in den Transportbehältern zu füllen und die Waren während des Transports zu schützen. Die Beklagte hat die verletzenden Maschinen nicht verkauft, sondern an die Abnehmer verleast, wobei die Leasingverträge eine Laufzeit von durchschnittlich 10 Jahren hatten. Zudem hat die Beklagte mit ihren Kunden regelmäßig langjährige Wartungsverträge über die Maschinen geschlossen und sie häufig mit dem Papier für die Herstellung der Polsterprodukte beliefert. Die Klägerin forderte von der Beklagten Auskunft und Rechnungslegung zu den abgeschlossenen Leasingverträgen, aber auch zu den Wartungsverträgen und Papierlieferungen. Nach Ansicht der Klägerin sind auch diese Zusatzgeschäfte für die Berechnung des Schadensersatzes relevant.
Der BGH hat die Ansicht der Klägerin prinzipiell bestätigt. Zunächst einmal seien laut BGH auch solche Gewinne zu berücksichtigen, die durch den Abschluss von Leasingverträgen erzielt würden. Dies ist wenig überraschend, da Leasingverträge ein Vertriebsweg sind, mit dem patentverletzende Vorrichtungen angeboten und in Verkehr gebracht werden. Daher stellt der Abschluss eines Leasingvertrags eine unmittelbare – und damit schadensersatzauslösende – Verletzungshandlung dar. Die Leasingeinnahmen sind daher Umsätze, die für eine Gewinnberechnung relevant sind, ggf. mit Abzugsposten auf Grundlage der üblichen Faktoren. Interessant ist, dass der BGH dabei die gesamten Umsätze aus dem Leasingvertrag als relevant ansieht, selbst wenn dieser eine Laufzeit von 10 Jahren aufweist und z.B. erst 1 Jahr vor Patentablauf abgeschlossen wurde. Der Grund liegt laut BGH darin, dass die Ursache für die Lizenzeinnahmen noch während der Laufzeit des Patents gesetzt wurde, so dass ein zwischenzeitlicher Ablauf des Patents keine Rolle spiele.
Aber auch Zusatzgeschäfte (hier: Wartungsverträge und Papierlieferungen) sind laut BGH zu berücksichtigen. Der BGH greift dabei auf seine alte Entscheidung „Dia-Rähmchen“ (Urteil vom 29.05.1962; Az. I ZR 132/60; GRUR 1962, 905) zurück und sieht folglich alle Handlungen als schadensersatzrelevant an, die (1.) in einem Ursachenzusammenhang zu der Patentverletzung stehen und (2.) einen hinreichenden Bezug zu dem verletzenden Gegenstand aufweisen. Laut BGH erfasst der Anspruch auf Gewinnherausgabe alle Gewinne, die der Verletzer durch die Wahrnehmung einer Marktchance erzielt hat, die ihm gerade aufgrund der Schutzrechtsverletzung zugänglich war. Im konkreten Fall erfülle der Abschluss eines Wartungsvertrags über eine patentverletzende Vorrichtung, ebenso wie die Belieferung mit Gegenständen, die zur Verwendung mit dieser Vorrichtung bestimmt ist, diese Voraussetzungen. Ohne das Inverkehrbringen der patentverletzenden Maschinen hätte der Verletzer solche zusätzlichen Leistungen nicht erbringen können. Zudem könne bei diesen Zusatzgeschäften der Anspruch auf Verletzergewinn auch solche Gewinne erfassen, die erst nach Ablauf des Patentschutzes angefallen sind, und zwar auch dann, wenn die zu Grunde liegenden Verträge erst nach dem Erlöschen des Patents geschlossen werden. Dieses Ergebnis ist durchaus überraschend, dennoch sieht der BGH es nicht als zeitliche Erweiterung des Patentschutzes an, da trotz allem an die Verletzungshandlungen vor dem Erlöschen des Patents angeknüpft werde.
Die Entscheidung des BGH hat in kurzer Zeit eine erhebliche Kontroverse ausgelöst. Sie wird allerdings gleichwohl in erheblichem Maße die patentrechtliche Praxis prägen und auch verändern. Zwar betont der BGH, dass für die Geltendmachung von Schadensersatz aus Zusatzgeschäften der Ursachenzusammenhang zu der Patentverletzung und der hinreichende Bezug zu dem verletzenden Gegenstand vom Kläger stets dargelegt und ggf. nachgewiesen werden muss. Dennoch werden Kläger und Beklagte auch bei Urteilen, die in der Vergangenheit ergangen sind, sehr genau überprüfen müssen, welche Handlungen nach dem Urteil noch zulässig sind. Die Bejahung einer Patentverletzung weist nunmehr (in Fällen, in denen es „Zusatzgeschäfte“ gibt) einen sehr viel weitergehenden Umfang auf, als dies bisher der Fall war. Kläger in einem Patentverletzungsverfahren sind gut beraten, ihre Auskunftsanträge stets auf den erweiterten Schadensersatzanspruch anzupassen (Zusatzgeschäfte wie Wartungsverträge, Verbrauchsmaterial, Ersatzteile). Anderenfalls drohen eine Verjährungsproblematik oder die Notwendigkeit, eine neue Klage auf ergänzende Auskunft über die Zusatzgeschäfte erheben zu müssen. Für die Beklagten wird noch mehr als zuvor die Frage eines frühen Workarounds zur Beseitigung der potenziellen Verletzungseignung der betroffenen Vorrichtung in das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken müssen, um etwaige Gewinne aus Zusatzgeschäften nicht mit einer Patentverletzung der Grundvorrichtung zu infizieren.