Wir trauern um unseren
langjährigen Kollegen und Freund
Jürgen Schneider
der nach kurzer schwerer Krankheit
völlig unerwartet von uns gegangen ist.
In tiefem Mitgefühl und mit größtem
Respekt nehmen wir Abschied von einem
wunderbaren Menschen.
Zu den Anforderungen an das patentrechtliche Anbieten und Rückschlüsse von dem fertigen Produkt auf den Inhalt eines Angebots
Die Klägerin in dem Verfahren ist ausschließliche Lizenznehmerin für den deutschen Teil eines europäischen Patents, welches eine „Anlage zum Trocknen von feuchtem, aus Partikeln bestehendem Stoff mittels überhitzten Dampf“ betrifft. Die Beklagte stellt her und liefert Maschinen und Ausrüstungen für sogenannte „Wirbelschicht-Verdampfungstrockner“. Die Beklagte stellt diese Trockner nach den individuellen Anforderungen ihrer Vertragspartner her und bietet somit keine Standardprodukte an. Die Beklagte besaß ein in ihren inländischen Räumlichkeiten befindliches Versuchsmodell, welches das Funktionsprinzip der Wirbelschicht-Verdampfungstrocknung zeigte. Ferner stellte sie verschiedene Ausführungen von Verdampfungstrocknern auf ihrer Website und Messen und Workshops vor. Weder das Versuchsmodell noch die so vorgestellten Ausführungsformen verwirklichten allerdings alle Merkmale des Streitpatents. Jedoch installierte die Beklagte im patentfreien Ausland bei einem Kunden einen Verdampfungstrockner, welcher alle Merkmale des Streitpatents verwirklichte. Zwischen den Parteien blieb streitig, in welchem Umfang dieser im patentfreien Ausland installierte Verdampfungstrockner auf einem inländischen Angebot der Beklagten und nicht nur auf Besprechungen im patentfreien Ausland beruhte.
Das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagte wegen patentverletzender Angebotshandlungen verurteilt. Diese Verurteilung stützte das Gericht auf die Präsentation des Versuchsmodells in den inländischen Räumlichkeiten der Beklagten und die Vorstellung von verschiedenen Ausführungen von Verdampfungstrocknern auf der Website der Beklagten und bei Messen und Workshops. Wie gesagt, erfüllte keines dieser so präsentierten Produkte für sich alle Merkmale des Streitpatents. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es unerheblich sei, ob die präsentierten Erzeugnisse sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklichen. Abzustellen sei vielmehr alleine auf den objektiven Erklärungswert der Werbung der Beklagten. Die Beklagte habe diese Versuchsmodelle und Ausführungsbeispiele in der Erwartung präsentiert, dass ein entsprechender Verdampfungstrockner von den angesprochenen Verkehrskreisen nachgefragt werden würde, wobei allen Beteiligten klar war, dass diese Verdampfungstrockner jeweils an die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden würde. Die Beklagte habe damit grundsätzlich zum Ausdruck gebracht, auch einen erfindungsgemäßen Verdampfungstrockner herstellen und liefern zu können. Den Vortrag der Klägerin zu dem Angebot der Beklagten bezüglich der im patentfreien Ausland tatsächlich errichteten Anlage (die alle Merkmale des Streitpatents verwirklichte) wies das Landgericht als unsubstantiiert zurück. Die Klägerin habe keine Ausführungen zu dem Inhalt des Angebots gemacht.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt im Ergebnis das Urteil des Landgerichts, stützte seine Entscheidung jedoch alleine auf das Angebot der Beklagten bezüglich der im patentfreien Ausland errichteten Anlage. Da der genaue Inhalt des Angebots dem Gericht nicht bekannt und zwischen den Parteien streitig war, führte das OLG einen Rückschluss von der fertigen Anlage auf das entsprechende Angebot durch. Es sei davon auszugehen, dass sich ein vorausgegangenes Angebot auf die (patentgemäße) Sache beziehe, welche anschließend tatsächlich errichtet oder geliefert werde. Dieses Angebot müsse dabei zum Abgabezeitpunkt noch nicht alle patentgemäßen Merkmale enthalten, wenn die – ggf. auch erst im patentfreien Ausland vorgenommenen – Konkretisierungen des Angebots sich im Rahmen des ursprünglichen Angebotsgegenstands halten, diesen also bloß ausgestalten und nicht abändern.
Die vorliegende Entscheidung des OLG Düsseldorf folgt zunächst der bestehenden Rechtsprechung des Gerichts, bereits alle solche vorbereitenden Handlungen als Angebotshandlungen anzusehen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter Schutz stehenden Gegenstand ermöglichen oder fördern sollen (sh. z.B. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679 – Verbindungsstück). Der BGH fordert als Anbieten hingegen eine Handlung, die nach ihren objektiven Erklärungswert das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel), wobei nicht erforderlich ist, dass das Erzeugnis bereits fertiggestellt ist oder das Angebot rechtlich als Vertragsofferte anzusehen ist (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Teil A, Rn. 224 + 225). Für das Markenrecht hat der I. Zivilsenat des BGH die Anforderungen an das Anbieten sogar verschärft, da ein reines Ausstellen auf einer Messe keine immanente Aufforderung zum Erwerb des (schutzrechtverletzenden) Produkts beinhalten soll (BGH GRUR 2010, 1103 – Pralinenform II; BGH GRUR 2015, 603 – Keksstange und BGH GRUR 2017, 793 – Mart-Stam-Stuhl). Das Landgericht Mannheim hat diese Rechtsprechung des I. Zivilsenats auch auf das Patentrecht übertragen (LG Mannheim, InstGE 13, 11 – Sauggreifer). Das OLG Düsseldorf hat dieser Ansicht – mit Ausnahme einer reinen Leistungsschau – bereits eine Absage erteilt (OLG Düsseldorf GRUR-RS 2014, 16067 – Sterilcontainer) und scheint nun die Anforderungen an den Vortrag zu den Angebotshandlungen und deren Inhalt weiter abzusenken.
Bereits die erstinstanzliche Entscheidung des LG Düsseldorfs stützte sich dabei nur scheinbar auf die Rechtsprechung des BGH. In den Entscheidungen BGH GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte und BGH GRUR 2005, 665 – Radschützer hat der BGH es für die Patentverletzung durch ein Angebot ausreichen lassen, wenn die Werbung für ein Produkt zwar nicht alle Merkmale des Patentanspruchs zeigt, jedoch das mit der Werbung in Bezug genommene Produkt in seiner tatsächlichen Ausgestaltung mit der technischen Lehre des Patentanspruchs übereinstimmt.
Das LG Düsseldorf wollte es für die Patentverletzung durch Anbieten nun bereits ausreichen lassen, wenn die Gesamtschau von einzelnen Angebotshandlungen zeigt, dass die Beklagte bereit sei, ein (noch nicht existierendes) Produkt auch in patentverletzender Weise herzustellen.
Das OLG hat diese Entscheidung lediglich von der Rechtsfolge getragen, jedoch (in Annäherung zurück an die BGH-Rechtsprechung) auf die konkrete einzelne Handlung abgestellt. Hierbei hat das OLG den Inhalt des Angebots an sich jedoch nicht geprüft, sondern einen Rückschluss von einer (im patentfreien Ausland) tatsächlich hergestellten und installierten Anlage auf das von ihrem Sitz im Inland versandte Angebot der Beklagten vorgenommen. Die Einwendungen der Beklagten, dass dieses Angebot noch nicht alle Merkmale des Patents dargestellt habe, sondern die diesbezüglichen konstruktiven Planungen und Besprechungen erst am Installationsort im patentfreien Ausland vorgenommen wurden, hat das OLG nicht gelten lassen. Soweit sich diese Änderungen und Ergänzungen des Angebots im Rahmen des ursprünglichen inländischen Angebotsgegenstandes halten, seien diese als bereits zum ursprünglichen Angebot gehörig anzusehen.
Das OLG setzt die Auslegung des Begriffs des „Anbietens“ damit zwar wieder an das Vorhandensein einer tatsächlich vorhandenen oder individualisierbaren Ausführungsform an, verlegt jedoch das Erfordernis der Erkennbarkeit der Erfüllung aller Merkmale des Patents in diesem Angebot auf einen späteren Zeitpunkt. Die Erkennbarkeit muss nicht bereits zum Zeitpunkt der Angebotshandlung vorliegen, sondern es genügt, wenn der später tatsächlich hergestellte Gegenstand alle Merkmale verwirklicht. Hierbei kann ein Rückschluss von der verwirklichten Ausführungsform auf den Inhalt des Angebots vorgenommen werden.
Fazit: Das OLG erweitert mit seiner Entscheidung die Angriffsmöglichkeiten eines inländischen Patentinhabers für Verletzungshandlungen im Ausland erheblich. Selbst wenn ein patentverletzender Gegenstand ausschließlich im patentfreien Ausland hergestellt und geliefert wird, kann – soweit der Verletzer im patentgeschützten Inland sitzt – einen Rückschluss auf ein patentverletzendes inländisches Angebot vorgenommen werden. Es ist dann Sache des potentiellen Verletzers vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass er entweder kein Angebot von seinem inländischen Unternehmenssitz abgegeben hat oder das tatsächlich gelieferte Produkt eine vollständige Abänderung und nicht bloß eine Konkretisierung oder Ergänzung des ursprünglichen Angebotsgegenstands darstellt. Da der Patentinhaber regelmäßig keinen Einblick in den Angebotsinhalt hat, lief er nach der bisherigen Rechtsprechung Gefahr, dass sein Vortrag zu Angebotshandlungen eines Verletzers als unsubstantiiert zurückgewiesen wird. Die Privilegierung durch den Rückschluss aus der tatsächlichen Ausführungsform kann der Patentinhaber jedoch nur in Anspruch nehmen, wenn feststeht oder feststellbar ist, dass die im patentfreien Ausland gelieferte bzw. errichtete Sache tatsächlich alle Merkmale des Patents verwirklicht.
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