Die Einführung des Einheitspatents und des Einheitlichen Patentgerichts (UPC) hat die Frage nach dem geeigneten Forum für Patentstreitigkeiten neu gestellt. In Deutschland, wie in anderen Vertragsstaaten, konnten Rechteinhaber lange Zeit ausschließlich nationale Gerichte anrufen. Das UPC bietet nun ein gemeinsames Gericht für die Vertragsmitgliedstaaten und damit ein zentrales, überstaatliches Forum für die gerichtliche Geltendmachung von Patentrechten.
Fragestellung und Hintergrund
Eine der zentralen Fragen in diesem Zusammenhang betrifft die zeitliche Reichweite der Zuständigkeit des UPC:
Erstreckt sich die Zuständigkeit des UPC ausschließlich auf Patentverletzungen, die seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) am 1. Juni 2023 begangen wurden? Und wie ist mit solchen Handlungen umzugehen, die während einer Opt-out-Phase stattgefunden haben?
Artikel 32 Abs. 1 EPGÜ regelt die sachliche Zuständigkeit des UPC, enthält jedoch keine zeitliche Begrenzung. Gleichzeitig sind während der siebenjährigen Übergangsphase nach Inkrafttreten des EPGÜ nationale Gerichte weiterhin parallel zuständig (Art. 83 EPGÜ), und Patentinhaber haben die Möglichkeit, ihre europäischen Patente vom UPC auszuschließen – das sogenannte Opt-out. Wird das Opt-out später zurückgezogen, fällt das Patent wieder vollständig in die Zuständigkeit des UPC.
Entscheidung des Berufungsgerichts
Die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 2. Juni 2025 in Sachen XSYS gegen ESKO (Order, UPC, CoA 156/2025) bringt hierzu eine klare Linie und relevante Praxisfolgen.
Hintergrund der Entscheidung ist ein europäisches Patent, für das die Inhaberin zunächst ein Opt-out erklärt und dieses später wieder zurückgenommen hatte. Nachdem die Patentinhaberin vor der Münchner Lokalkammer des UPC Klage erhoben hatte, rügte die Beklagte die mangelnde Zuständigkeit des UPC für solche Verletzungshandlungen, die entweder vor dem 1. Juni 2023 oder während der Opt-out-Phase erfolgt waren.
Das Berufungsgericht verneinte nun eine Fragmentierung der Zuständigkeit des UPC. Die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts erstrecke sich demnach auch auf Patentverletzungen, die vor Inkrafttreten des EPGÜ stattgefunden haben, sofern das Patent der Zuständigkeit des UPC unterliege. Zudem bewirke ein wirksamer Rücktritt vom Opt-out, dass das Patent wieder uneingeschränkt in die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts falle – sowohl im Hinblick auf künftige Verletzungshandlungen als auch hinsichtlich solcher, die während der Dauer des Opt-outs begangen wurden.
Nach Auffassung des Gerichts begründet Art. 32 Abs. 1 EPGÜ die ausschließliche Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts für Patentverletzungen ohne zeitliche Einschränkung. Wortlaut und Vertragszweck — die Errichtung eines einheitlichen Patentgerichts zur Überwindung des fragmentierten europäischen Patentmarkts und der Divergenzen nationaler Gerichtsbarkeiten — sprächen gegen eine zeitliche Begrenzung.
Während der siebenjährigen Übergangszeit nach Art. 83 EPGÜ bestehe für europäische Patente eine parallele Zuständigkeit von Einheitlichem Patentgericht und nationalen Gerichten, sofern das Patent nicht gemäß Art. 83 Abs. 3 EPGÜ von der ausschließlichen Zuständigkeit des UPC ausgenommen wurde. Die Patentinhaberin habe insoweit die Wahl, ob sie ein Verletzungsverfahren vor dem UPC oder vor einem nationalen Gericht anstrenge. Diese Wahlmöglichkeit beschränke sich jedoch auf die Auswahl des Forums und führe nicht zu einer zeitlichen Begrenzung der Zuständigkeit des gewählten Gerichts.
Auch die Rücknahme eines Opt-outs nach Art. 83 Abs. 4 EPGÜ führe daher dazu, dass das Patent wieder vollständig der ausschließlichen Zuständigkeit des UPC unterliege. In einem solchen Fall erfasst die UPC-Zuständigkeit auch Verletzungen, die während der Opt-out-Phase begangen wurden.
Offen bleibt die Frage des anwendbaren materiellen Rechts auf Handlungen vor Inkrafttreten des EPGÜ. Die Entscheidung über diese Frage hat das Gericht einer späteren Verfahrensphase vorbehalten.
Fazit
Die Entscheidung bestätigt das UPC als supranationales Forum für Patentdurchsetzung und schafft weitgehende Orientierung hinsichtlich der zeitlichen Reichweite seiner Zuständigkeit.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Patentinhaber sowohl gegen jüngere als auch gegen weiter zurückliegende Verletzungshandlungen – einschließlich solcher, die vor Inkrafttreten des EPGÜ begangen wurden – in einem einzigen Verfahren vorgehen können. Opt-out-Strategien sind dementsprechend anzupassen, und Marktteilnehmer sollten sich wiederum des Risikos rückwirkender Ansprüche bewusst sein.
Die Frage, welches materielle Recht auf Handlungen anzuwenden ist, die vor Inkrafttreten des EPGÜ begangen wurden, bleibt offen.