Das Urteil hat dabei den Inhabern von SEP‘s eine ganze Reihe von bedeutenden Klarstellungen und weiteren Verpflichtungen ins Stammbuch geschrieben.
Zunächst ist (erneut) klargestellt worden, dass der SEP-Inhaber keinen Schadensersatzanspruch sowie einen darauf gerichteten Auskunftsanspruch besitzt, solange er seinen Obliegenheiten zur Unterbreitung eines FRAND-Angebots nicht nachkommt. Er kann lediglich den Bereicherungsanspruch sowie einen darauf gerichteten Auskunftsanspruch in Höhe der üblichen (FRAND-) Lizenzgebühr einklagen.
Ferner muss der SEP Inhaber von sich aus ein vollständig formuliertes und begründetes FRAND-Lizenzangebot unterbreiten und das Gericht muss (nicht nur summarisch) feststellen, ob das Lizenzangebot tatsächlich FRAND-Bedingungen genügt. Mit dem FRAND-Lizenzangebot müssen auch die Art und die ökonomische Grundlage der Berechnung der FRAND-Lizenzgebühr offenbart werden. Es genügt nicht, dabei nur den Lizenzsatz zu benennen. Vielmehr müssen auch alle bereits abgeschlossenen Lizenzverträge mit dritten Unternehmen offengelegt werden. Dies soll in transparenter Weise dem Angebotsempfänger die Feststellung ermöglichen, ob das ihm unterbreitete Angebot FRAND-Bedingungen genügt und eine grundsätzliche Gleichbehandlung vorliegt.
Auch wenn möglicherweise nicht alle Unternehmen auf dem Markt das identische Angebot des SEP-Inhabers erhalten müssten, dürfen jedenfalls keine unsachlich diskriminierenden Unterschiede in den ökonomischen und rechtlichen Bedingungen des FRAND-Lizenzangebots bestehen. Bestehen Ungleichbehandlungen, sind diese nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Unterschiede als wettbewerbskonforme Bedingungen eines Interessenausgleichs erscheinen und nicht auf Willkür oder Überlegungen beruhen, die wirtschaftlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind. In keinem Fall dürften sich die Unterschiede aber als Ausdruck einer missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung erweisen. Im konkreten Fall offenbarten sich massive Unterschiede zwischen dem Lizenzangebot, das der Beklagte erhalten hatte und Lizenzen, die von Sisvel mit Dritten bereits in der Vergangenheit abgeschlossen worden waren. In diesen Altfällen hatten die Lizenznehmer hohe Abschläge (Discounts) von zum Teil deutlich mehr als der Hälfte der geforderten Lizenzgebühr erhalten.
Die Abschläge führten dazu, dass das OLG das Lizenzangebot mit der geforderten Lizenzgebühr als offensichtlich diskriminierend und evident missbräuchlich beurteilte und der FRAND-Einwand des Beklagten erfolgreich war. Der Unterlassungsanspruch wurde daher als zur Zeit unbegründet abgewiesen.
Das OLG gewährte dem Kläger auch keine Erleichterung seiner FRAND-Verpflichtungen, weil es sich um einen Übergangsfall gehandelt hatte, also die Klage bereits vor der Huawei/ZTE-Entscheidung des EuGH anhängig geworden war. Überzeugend legte das OLG dar, dass solche Übergangsfristen durch die Rechtsprechung nicht gewährt werden können und diese auch vom EuGH in dem entschiedenen Fall nicht gewährt worden war, obwohl dieser originär der allererste Übergangsfall gewesen wäre.
Im Ergebnis stellt das Urteil besonders auch durch seine Begründung einen schweren Schlag für Sisvel und dessen Lizenzprogramm dar, zu dem sich noch weitere schwere Vorwürfe gesellen, die im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren der Untreue und Korruption gegen einen inhaftierten Patentanwalt erhoben werden.
Im Ergebnis scheint sich der FRAND-Einwand im Gebiet insbesondere der Kommunikationsindustrie immer weiter zu konkretisieren und die Gerichte machen sich daran, die Spielregeln in diesem Bereich Schritt für Schritt klarer zu definieren.
Im Ergebnis kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass bei standardisierten und mit großen Zahlen von Patenten versehenen Technologien der Unterlassungsanspruch aus einem SEP nicht durchsetzbar sein kann. Kein Unternehmen und kein Bürger in diesem Land kann und will sich vorstellen, dass Mobilfunknetze oder Festnetze oder Fernsehübertragungen auf Betreiben eines einzelnen Patentinhabers einfach abgeschaltet werden können. Diese standardisierten und hochgradig patentbelasteten Infrastrukturen gehören wie Strom und fließend Wasser zu den unabdingbaren Daseins-Voraussetzungen des Alltags und unterliegen nicht der Dispositionsbefugnis eines einzelnen Patentinhabers. Sollte es jemals zu einer solchen Abschaltung kommen, würde der Gesetzgeber von den Bürgern schnell dazu angehalten werden, eine Änderung des Patentgesetzes herbeizuführen. Will die Branche dies vermeiden, muss die Rechtsprechung diesen Schritt selbst gehen.