Jegliche Gewährung einer Zuwendung oder sonstiger Werbeabgabe, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, ist somit unzulässig; selbst, wenn die Werbeabgabe nur einen geringen finanziellen Wert hat. Die strikt einzuhaltenden arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften gelten nach dem Urteil des EuGH in Sachen „Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ (C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) zwar nur für in Deutschland ansässige Apotheken und nicht für Versandapotheken im EU-Ausland, stellen aber nach den nun ergangenen Entscheidungen des I. Zivilsenats keine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung dar.
1. Der BGH hatte in zwei parallelen Verfahren über die Zulässigkeit von geringwertigen Werbeabgaben durch Apotheken zu entscheiden: In dem Verfahren I ZR 206/17 wurde eine in Darmstadt ansässige Apotheke durch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs wegen des Verstoßes gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften in Anspruch genommen. Die Apotheke hatte Kunden anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ein Brötchen-Gutschein für eine in der Nähe gelegene Bäckerei ausgehändigt. Das Landgericht Darmstadt gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Apotheke beim OLG Frankfurt a.M. blieb ohne Erfolg. Das OLG Frankfurt a.M. nahm einen Verstoß gegen die Preisbindungsvorschrift des § 78 Abs. 2 S. 1 und 3 AMG an und somit zugleich einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel (§ 3a UWG). Dies vor dem Hintergrund, dass gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG seit einer Gesetzesnovelle im Jahr 2013 Zuwendungen oder Werbeabgaben unzulässig seien, die entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt würden (I ZR 206/17, Tz. 5). Auch seien in dem zu entscheiden Fall weder die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) betroffen noch die arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder restriktiv auszulegen.
Im parallelen Verfahren I ZR 60/18 wurde eine in Berlin ansässige Apotheke ebenfalls durch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Anspruch genommen. Die Apotheke hatte Kunden, die ein Rezept für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel einlösten, einen Einkaufsgutschein über einen Euro gewährt, den diese bei ihrem nächsten Einkauf einlösen konnten. Das Landgericht Berlin gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung zum Kammergericht führte zur Abweisung der Klage. Das Kammergericht bejahte zwar einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften, die im Verhältnis zu in anderen Apotheken im EU-Ausland auch keine unzulässige Benachteiligung darstellten. Der Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften sei aber nicht wettbewerbswidrig, da er nicht geeignet sei, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (I ZR 60/18, Tz. 7).
Der I. Zivilsenat kam in beiden Verfahren zu dem Ergebnis, dass Werbeabgaben wettbewerbswidrig sind und hat demnach mit weitgehend gleichlautenden Entscheidungsgründen im Verfahren I ZR 206/17 die Revision der Darmstädter Apotheke zurückgewiesen sowie im Verfahren I ZR 60/18 der Revision der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs stattgegeben, was zur Aufhebung der kammergerichtlichen Entscheidung führte.
2. Der I. Zivilsenat stellt in seinen Entscheidungen zunächst fest, dass das in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG i.V.m. § 78 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 AMG enthaltene Verbot der Gewährung von Werbeabgaben entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG darstelle (Tz. 10 / Tz. 12).
Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbeabgaben (Waren oder Leistungen) zu gewähren, es sei denn, es handelt sich um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produkts oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten. Mit einer im Jahr 2013 eingeführten Ergänzung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HS 2 HWG sind fortan Zuwendungen oder sonstige Werbeabgaben für Arzneimittel unzulässig, „soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten“.
Nach § 78 Abs. 2 S. 2 und 3 AMG ist für vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossene Arzneimittel, soweit sie verschreibungspflichtig sind oder zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenpreis zu gewährleisten. Der einheitliche Abgabepreis für solche Arzneimittel wird nach § 78 Abs. 3 S. 1 AMG gemäß der Arzneimittelpreisverordnung festgelegt (Tz. 11 / Tz. 14).
3. Der I. Zivilsenat führt weiter aus, dass das in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbeabgaben durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen soll, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und ggf. welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussichten auf Werbeabgaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HS 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbeabgaben generell verbietet, soll damit zudem eine ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und so eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden (Tz. 12 / Tz. 15).
4. Hierbei, so der I. Zivilsenat weiter, stehe das Urteil des EuGH in Sachen „Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ (C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) der Anwendung der in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes für inländische Apotheken nicht entgegen. Nach dem Urteil des EuGH stellt eine nationale Regelung, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen dar und somit einen Verstoß gegen die in Art. 34 AEUV garantierte Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU (Tz. 31 f. / Tz. 30 f.).
Auf innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug seien, so der I. Zivilsenat, die vom EuGH aufgestellten Grundsätze allerdings nicht anwendbar. Es sei auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gegeben. Denn aus Art. 3 Abs. 1 GG folge nicht, dass Regelungen für Inländer derjenigen für andere Unionsbürger entsprechend müssten, solange die Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruhe (vgl. Tz. 35 / Tz. 33).
Ein gewichtiger sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von inländischen Apotheken und Apotheken in anderen Mitgliedstaaten der EU ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit zwar hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkaufs von Arzneimitteln durch die in Art. 34 AEUV geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGHs eingeschränkt sei, für den Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands aber keine entsprechende Einschränkung bestehe. Die Ungleichbehandlung sei zudem dadurch gerechtfertigt, dass sich die Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken weniger stark auswirke als auf in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken. Denn diese seien für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt im besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen (Tz. 36 / Tz. 35).
5. Der I. Zivilsenat stellt zudem fest, dass die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften auch nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit verstoßen. Der durch die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei zur Sicherstellung einer im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verhältnismäßig. Der Gesetzgeber dürfe Berufsausübungsregelungen treffen, wenn diese durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt seien, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich seien und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar sei (Tz. 37 / Tz. 36). Die Verhältnismäßigkeit der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften sei erst dann fraglich, wenn Versandapotheken aus dem EU-Ausland verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem deutschen Markt ohne Rücksicht auf die Preisbindung tatsächlich in einem Umfang veräußerten, dass eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Apotheken eintreten würde und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre, was aber nicht der Fall sei (Tz. 43 / Tz. 41).
6. Der I. Zivilsenat kommt zu dem Schluss, dass der von den Apotheken begangene Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG trotz des geringen finanziellen Werts der Werbeabgabe geeignet sei, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (Tz. 51 / Tz. 57). Die Frage, ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung bestehe, sei nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregel zu beurteilen. Das heilmittelwerberechtliche Verbot der Werbung mit Leistungen, die gegen die Arzneimittelpreisbindung verstoßen, soll insbesondere einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindern. Die insofern eindeutige gesetzliche Regelung dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen werde. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbeabgaben sei ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten sei (Tz. 59 / Tz. 58).
7. Vor dem Hintergrund der ergangenen Entscheidungen des I. Zivilsenats wird es Apothekern zukünftig im Rahmen des Verkaufs von verschreibungspflichtigen, preisgebundenen Arzneimitteln nicht mehr möglich sein, Kunden auch nur kleinste Werbeabgaben, wie z.B. einen Traubenzucker oder eine Packung Taschentücher, zukommen zu lassen. Für rezeptfreie Arzneimittel (OTC) gilt dieses Verbot hingegen nicht.
Gegen die Ungleichbehandlung deutscher Apotheken im Verhältnis zu Versandapotheken, die aus dem EU-Ausland heraus Arzneimittel in Deutschland anbieten, möchte die Bundesregierung mit dem geplanten Apothekenstärkungsgesetz vorgehen. Der von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) eingebrachte Gesetzesentwurf sieht vor, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Arzneimittelgesetz zu streichen und diese dafür im Sozialrecht zu verankern. Rabatte unterliefen das Sachleistungs- und Solidaritätsprinzip, heißt es im Gesetzentwurf. Das Bundeskabinett hat mit seiner Zustimmung den Weg bereits freigemacht. Ob der EuGH diese Neuregelung akzeptieren wird oder abermals einen Verstoß gegen die in Art. 34 AEUV garantierte Warenverkehrsfreiheit annehmen wird, bleibt abzuwarten. Klagen ausländischer Versandapotheken gegen das geplante Gesetz sind aber so gut wie sicher, sollte es unverändert in Kraft treten.