Hintergrund der Entscheidung ist eine Besonderheit des Amazon-Marketplace. Anders als bei vielen anderen Plattformen sieht der Amazon-Marketplace nicht eine eigene Angebotsdarstellung pro Produktangebot vor, sondern es soll grundsätzlich nur eine Angebotsdarstellung für alle identischen Produktangebote verschiedener Händler auf dem Marketplace geben. Hierfür wird pro Produkt einmalig eine sog. „ASIN“ (Amazon Standard Identification Number) vergeben und jeder Anbieter dieses Produkts wird in der sog. „buy-box“ gelistet (sog. „Anhängen“ an ein Angebot). Das Angebot kann von den gelisteten Händlern oder von Amazon selbst, auch automatisiert durch den Amazon-Algorithmus, abgeändert werden.
In einer Reihe von Entscheidungen hat der BGH geurteilt, dass die in der buy-box gelisteten Händler grundsätzlich für den Inhalt des Angebots verantwortlich sind, auch wenn dieses von Dritten ohne ihre Kenntnis verändert wurde (siehe BGH GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei Amazon [für das Markenrecht] und BGH GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon [für das Wettbewerbsrecht]). Die Grenze dieser Haftung hat der BGH bei einer Zurechnung von inhaltlich fehlerhaften Kundenbewertungen gesetzt (BGH GRUR 2020 – Kundenbewertungen auf Amazon). Diese sollen den in der buy-box gelisteten Händler nicht zurechenbar sein, da sie diese nicht veranlasst haben und Kundenbewertungen aus Sicht der Nutzer der Plattform nicht in der Verantwortung des Händlers stünden und auch nicht der Eindruck erweckt werde, der Händler identifiziere sich mit ihnen.
In dem der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. zugrundeliegenden Sachverhalt ging es darum, ob der Antragsgegner gegen eine einstweilige Verfügung des LG Hanau verstoßen hatte. Mit der einstweiligen Verfügung hatte das LG Hanau dem Antragsgegner untersagt, sich an ein Amazon-Marketplace Angebot für Druckertoner mit bildlicher Darstellung des Toners in der vom Hersteller vorgesehenen Originalverpackung „anzuhängen“, wenn vom Antragsgegner die Druckertoner jedoch nicht in der Originalverpackung (sondern in einer neutralen Umverpackung) vertrieben werden.
Der Antragsgegner erstellte hierauf ein eigenes Produktangebot mit eigener ASIN für Druckertoner in neutraler Umverpackung und fügte ein zutreffendes eigenes Produktbild ein. Nachfolgend änderte der Amazon-Algorithmus ohne Zutun des Antragsgegners und ohne dessen Wissen das Produktbild in ein solches des Druckertoners in Originalverpackung. Der Antragsteller beantragte daraufhin ein Ordnungsmittel gegen den Antragsgegner wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung. Das LG Hanau wies den Ordnungsmittelantrag zurück, da der Verstoß, welcher durch den Amazon-Algorithmus „begangen“ wurde, dem Antragsgegner nicht zurechenbar sei.
Das OLG Frankfurt a.M. hob diese Entscheidung auf und verhängte ein – allerdings geringes – Ordnungsgeld. Zur Begründung führte das Gericht. aus, dass dem Antragsgegner die Möglichkeit einer automatisierten Abänderung von Angeboten durch den Amazon-Algorithmus bekannt sei. Durch die vorausgegangene einstweilige Verfügung sei er zudem hinsichtlich der Verwendung von Produktbildern gewarnt gewesen. Es sei ihm zumutbar, „sein“ Angebot regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden seien. Den Einwand des Antragsgegners, dass er nach Erstellung eines eigenen Angebots mit eigener ASIN (Druckertoner in neutraler Umverpackung) nicht damit rechnen musste, dass der Amazon-Algorithmus das dazu eingestellte (zutreffende) Produktbild durch ein solches eines Druckertoners in Originalverpackung ändere, ließ das OLG Frankfurt a.M. nicht gelten. Das Gericht geht offensichtlich davon aus, dass ein Händler auf dem Amazon-Marktplace jederzeit mit jeglicher Änderung seines Angebots rechnen muss.
Das Gericht hat sich in seinem Beschluss nicht mit der vom BGH in der Entscheidung Kundenbewertungen auf Amazon aufgeworfenen Frage beschäftigt, ob die Produktbilder aus Sicht der Nutzer der Plattform einem Händler zugerechnet werden. Inzwischen dürfte einem nicht unerheblichen Teil der Nutzer des Amazon-Marketplace dessen Aufbau und die Zuordnung verschiedener Händler zu einem Angebot bekannt sein. Diese Frage wird relevant werden, wenn ein von einem Kunden (z.B. im Rahmen einer Rezension) hochgeladenes Produktbild rechtsverletzenden Inhalt aufweist. Auch solche Kundenfotos werden durch Amazon teilweise den Produktbildern beigefügt.
Zwar hat das OLG nur ein geringes Ordnungsgeld festgesetzt, hierauf sollten Händler jedoch nicht vertrauen. Wer einer Haftung entgehen möchte, muss seine sämtlichen Angebote beim Amazon-Marketplace regelmäßig überprüfen und abändern oder sich notfalls von einem Angebot als Händler „de-listen“. Wie dies in der Praxis bei oft mehreren tausend Angeboten pro Händler und der Vielzahl möglicher Wettbewerbs-, Urheberrechts- und Markenrechtsverstöße gelingen soll, steht auf einem anderen Blatt.