Dem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts lag ein ganz alltäglicher Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, Tobias McFadden, betrieb ein zu seinem Gewerbe gehöriges WLAN, das nicht durch ein Passwort gesichert war. Über diesen Internetanschluss wurde ein urheberrechtlich geschütztes Musikwerk der Sony Music Entertainment Germany GmbH in einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten. Sony mahnte McFadden wegen Urheberrechtsverletzung ab. Dieser erhob daraufhin Klage mit dem Antrag festzustellen, dass Sony keine urheberrechtlichen Ansprüche zustehen. Sony begehrte daraufhin im Wege der Widerklage Unterlassung, Schadensersatz und die Übernahme der Abmahnkosten.
Das Landgericht München I ging davon aus, dass der Kläger die Rechtsverletzung nicht eigenhändig begangen hatte und verneinte eine täterschaftliche Haftung. Allerdings neigte es in Anwendung der in der BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ herausgearbeiteten Grundsätze zur Bejahung einer Störerhaftung, weil McFadden das WLAN ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen betrieben hatte. Das Landgericht München I begehrte daher vom EuGH Aufschluss zu der Frage, ob ein Gewerbetreibender, der im Rahmen seiner Tätigkeiten ein öffentliches und kostenloses WLAN-Netz betreibt, als Dienstanbieter anzusehen ist und insoweit von der in Art. 12 Abs. 1 der RL 2000/31/EG normierten Haftungsprivilegierung profitiert. Mit einer weiteren Vorlagefrage wollte das Ge-richt klären lassen, ob der Begriff des „Dienstanbieters“ eine wirtschaftliche Tätigkeit impliziert.
Am 15.09.2016 hat der EuGH nun in der Sache Sony ./. McFadden sein Urteil gefällt. Der EuGH stellt fest, dass die in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr normierten Haftungsprivilegien auch für kommerzielle WLAN-Betreiber gelten, die ihr Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung stellen, wenn diese Leistung eine Werbemaßnahme für die vom Anbieter angebotenen Waren oder Dienstleistungen darstellt. Dabei ist von einer Zurverfügungstellung eines WLAN-Netzes bereits dann auszugehen, wenn die Zugangsvermittlung lediglich in einem technischen, automatischen und passiven Vorgang besteht, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet.
Liegen die drei, in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr genannten Voraussetzungen vor, ist also
– die Übermittlung der Information nicht vom Dienstanbieter veranlasst,
– hat er den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
– die übermittelten Informationen selbst ebenfalls weder ausgewählt oder verändert,
ist nach Auffassung des EuGH jedenfalls eine Schadensersatzhaftung des Anbieters für die rechtsverletzende Nutzung seines Kommunikationsnetzes durch Dritte ausgeschlossen. Auch verneint der EuGH eine Haftung des Dritten für vom Urheberrechtsinhaber auf-gewendete Abmahn- oder Gerichtskosten, soweit sie den Schadensersatzanspruch betreffen.
Dem Grunde nach bejaht hat der Europäische Gerichtshof allerdings die Möglichkeit, dass ein Gericht (oder eine Behörde) vom Dienstanbieter verlangt, die Urheberrechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Unterlassungsansprüche können vom Rechtsinhaber daher weiterhin geltend gemacht werden. Gleiches gilt für die hierfür angefallenen Abmahn- und Gerichtskosten.
Beschränkt hat der EuGH dagegen die Reichweite dieses Unterlassungsanspruchs: Da Unterlassungsanordnungen in die unternehmerische Freiheit des WLAN-Betreibers eingreifen, können von ihm nur solche Vorkehrungen erwartet werden, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht des Rechtsinhabers auf Schutz des geistigen Eigentums und der unternehmerischen Freiheit des Dienstanbieters herstellen. Insoweit kann nach Auffassung des EuGH weder die Überprüfung sämtlicher übermittelter Informationen, noch eine vollständige Abschaltung des Internetanschlusses verlangt werden. Da jedoch gleichzeitig ein wirkungsvoller Schutz des Rechts am geistigen Eigentum sichergestellt werden müsse, hält es der EuGH für möglich, dem WLAN-Betreiber in einer Unterlassungsanordnung aufzugeben, sein Netz durch ein Passwort zu sichern und bei dessen Herausgabe die Identität des Nutzers festzustellen.
Ob andere, gegebenenfalls weniger einschneidende Maßnahmen das angestrebte Schutzniveau ebenfalls sicherstellen, hat der EuGH nicht geprüft, da sie vom Landgericht München I im Vorlageersuchen nicht problematisiert worden waren, und der EuGH deshalb davon ausging, dass weitere Maßnahmen technisch nicht zur Verfügung stünden. In diesem Bereich wird daher die Entwicklung der Rechtsprechung in den nächsten Jahren genau zu beobachten sein.
Für den privaten Bereich – der von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht betroffen ist – könnte der Bundesgerichtshof mit der Entscheidung „WLAN-Schlüssel“ vom 24.11.2016 erste Anhaltspunkte geliefert haben. Denn der BGH verneint darin die Störerhaftung des Inhabers eines privaten Internetanschlusses mit WLAN-Funktion, über den durch einen unbekannten Dritten im Wege des Filesharing ein Film öffentlich zugänglich gemacht wurde, da der WLAN-Router im Zeitpunkt des Herunterladens mit einem dem damaligen Verschlüsselungsstandard entsprechenden, individuellen, ausreichend langen und sicheren Passwort geschützt war.