Der Kläger des Verfahrens meldete am 5.5.2005 beim französischen Markenamt die Wort-/Bildmarke „SAINT GERMAIN“ für folgende Waren an: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), Apfelweine, Digestive, Weine, Spirituosen und alkoholische Auszüge oder Essenzen. Die Marke wurde am 12.5.2006 in das Register eingetragen. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist endete am 12.5.2011.
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens vertrieb schon seit einigen Jahren einen Likör unter der Bezeichnung „St-Germain“.
Der Kläger erhob am 8.6.2012 vor dem Tribunal de grande instance De Paris gegen den Beklagten eine Klage wegen Markenverletzung.
In einem Parallelverfahren erklärte das Tribunal de grande instance de Nanterre mit Urteil vom 28.2.2013 die Rechte des Klägers an der Marke „SAINT GERMAIN“ mit Wirkung vom 13.5.2011 für verfallen. Dieses Urteil wurde durch ein rechtskräftig gewordenes Urteil der Cour d’appel de Versailles vom 11.2.2014 bestätigt.
Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er die Marke „SAINT GERMAIN“ zu irgendeinem Zeitpunkt benutzt hatte. Er machte für den nicht verjährten Zeitraum ab dem 8.6.2009 weiterhin Schadensersatz für die Benutzung des Zeichens „St-Germain“ durch die Beklagte bis zum 13.5.2011 geltend.
Die Klage wegen Markenverletzung wurde in den ersten beiden Instanzen abgewiesen. Die dritte Instanz (Cour de Cassation) legte die Sache dem EuGH vor. Nach französischem Recht bleibt für den Inhaber einer Marke die Möglichkeit bestehen, nach Ablauf der Schonfrist während der Schonfrist erfolgte Verletzungen aus der Marke geltend zu machen, auch wenn diese für verfallen erklärt worden ist.
Der EuGH entschied, dass die Mitgliedsstaaten berechtigt seien, in ihrem jeweiligen nationalen Recht zu bestimmen, dass der Inhaber einer Marke das Recht behält, Ersatz des Schadens zu verlangen, der entstanden ist, weil ein Dritter vor Wirksamwerden des Verfalls ein ähnliches Zeichen für identische oder mit seiner Marke verwechselbar ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt hat.
Dementsprechend steht dem Kläger des Ausgangsverfahrens ein Schadensersatz zu, auch wenn er seinerseits die Marke nicht benutzt hat.
Nach deutschem Recht wäre der Fall anders zu beurteilen. Gemäß § 25 Abs. 1 MarkenG kann der Inhaber einer eingetragenen Marke gegen Dritte Ansprüche im Sinne der §§ 14 und 18 bis 19 c MarkenG nicht geltend machen, wenn die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Geltendmachung des Anspruchs für die Waren oder Dienstleistungen, auf die er sich zur Begründung seines Anspruchs beruft, nicht gemäß § 26 MarkenG benutzt worden ist, sofern die Marke zu diesem Zeitpunkt seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Der Schadensersatzanspruch ist im deutschen Markengesetz in § 14 Abs. 6 MarkenG geregelt. § 25 Abs. 1 MarkenG sieht in zeitlicher Hinsicht keine Begrenzung der Rückwirkung vor und schließt daher auch Verletzungsansprüche aus, welche auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezogen sind, in dem noch kein Verfall der Marke wegen Nichtbenutzung vorlag. Ausgeschlossen sind also insbesondere auch Ansprüche wegen Verletzungshandlungen, die noch während der Benutzungsschonfrist der Marke vorgenommen wurde (vgl. u. a. Ströbele/Hacker/Thiering, Kommentar zum MarkenG, § 25, Rn. 16).
Nicht entschieden ist demgegenüber in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte der Fall, dass der Dritte Verletzungshandlungen begeht in einem Zeitraum, in welchem der Markeninhaber die Marke noch ernsthaft benutzt hat und die Benutzung der Marke zu einem späteren Zeitpunkt eingestellt hat. Der BGH hat diese Frage bislang offengelassen (vgl. BGH GRUR 2012, 832 ff. – ZAPPA).