Das vom EuGH vor gut einem Jahr postulierte Prozedere mit Verletzungshinweis, Angebot und Gegenangebot einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (ausführlich besprochen im Preu Bohlig & Partner-Newsletter Oktober 2015) wird von den deutschen Instanzgerichten in den laufenden Patentverletzungsverfahren umgesetzt. Die Gerichte sind seither damit beschäftigt, Einzelfragen auf Grundlage der Leitlinien des EuGH zu klären. Ein Ungleichgewicht zu Lasten der Patentnutzer enthielten zunächst einige landgerichtliche Entscheidungen: Während dem Patentinhaber Heilungs-möglichkeiten für die Erfüllung der FRAND-Bedingungen gewährt wurden, blieben diese dem Patentnutzer versagt. Das OLG Düsseldorf hat dies in zwei Entscheidungen im Januar 2016 korrigiert und für eine ausgeglichene Verteilung der Obliegenheiten auf Patentinhaber- und -nutzerseite gesorgt (vgl. Preu Bohlig & Partner-Newsletter April 2016).
In den neuesten Entscheidungen beschäftigen sich die Oberlandesgerichte in Düsseldorf und Karlsruhe nunmehr mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang der SEP-Inhaber (Kläger) und der Patentnutzer (Beklagter) ihren Obliegenheiten gemäß der EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE nachkommen müssen. Die Entscheidungen aus Düsseldorf (Beschlüsse vom 9. Mai 2016, Az. I-15 U 35/16 und I-15 U 36/16) und Karlsruhe (Beschluss vom 31. Mai 2016, Az. 6 U 55/16) setzen sich dabei mit einstweiligen Anträgen in sog. „Übergangsfällen“ auseinander, die bereits zum Zeitpunkt der EuGH-Entscheidung rechtshängig waren. Die grundsätzlichen Erwägungen der Gerichte legen jedoch nahe, dass auch in künftigen Patentverletzungsverfahren entlang der folgenden Leitlinien verfahren werden könnte:
• Zwar soll laut EuGH eine Anzeige der Patentverletzung gegenüber dem Patentbenutzer noch vor Erhebung der Klage erfolgen, dennoch kann es ausreichen, wenn diese Verletzungsanzeige erst durch die Erhebung der Patentverletzungsklage erfolgt. Auch wenn diese „voreilige“ Klage eine Kartellrechtsverletzung des Klägers darstellt, sind innerprozessual nachgeholte Maßnahmen prinzipiell geeignet, die durch die Kartellrechtsverletzung entstehenden Gefahren für den Lizenzvergabemarkt wieder zu beseitigen. Zudem wäre die Folge einer nicht heilbaren Kartellrechtsverletzung, dass der Kläger die Klage zurücknimmt und wieder neu einlegt. Im Ergebnis wäre damit auch für den Patentnutzer nichts gewonnen. Diesen letzten Punkt sieht das LG Mannheim derzeit allerdings anders, da in der Zeit zwischen Klagerücknahme und erneuter Klageerhebung weitere Verhandlungen zum Abschluss eines Lizenzvertrags geführt werden können.
• Laut EuGH soll auch das Angebot des SEP-Inhabers zum Abschluss eines Lizenzvertrags noch vor Klageerhebung erfolgen, damit die Vertragsverhandlungen ohne den unmittelbaren Druck eines gerichtlichen Verfahrens geführt werden können. Dennoch sprechen sich die Oberlandesgerichte dafür aus, dass seitens des SEP-Inhabers auch während des laufenden Gerichtsverfahrens noch ein Lizenzangebot nachgeschoben werden kann. Dies wird u.a. damit begründet, dass umgekehrt auch der Beklagte, der noch während des Prozesses seine Lizenzbereitschaft erklärt bzw. ein FRAND-Gegenangebot abgibt, kaum zur Unterlassung verurteilt werden könne. Vor dem Hintergrund der regelmäßig langen Prozessdauer von ca. einem Jahr ab Klageerhebung bis zum Urteil sei daher noch genügend Zeit für den Beklagten, seinen Obliegenheiten nachzukommen.
• Dennoch werden z.T. ungleiche Maßstäbe an die Obliegenheiten des SEP-Inhabers und des Patentnutzers angelegt. Während der SEP-Inhaber seinen Obliegenheiten jederzeit nach Klageerhebung nachkommen kann, soll der Patentnutzer sein Gegenangebot „als-bald“ unterbreiten, um keine Verzögerungstaktik zuzulassen. Konkret wurde eine Reaktionszeit des Beklagten von 5 Monaten als zu lange angesehen, auch wenn dieser sich parallel mit der Verletzungsklage auseinander setzen muss. Im Ergebnis kann daher ein doppelter zeitlicher Druck auf dem Beklagten lasten.
Immerhin scheint sich in Mannheim und Karlsruhe die Meinung durchzusetzen, dass die Frage, ob das Lizenzangebot des SEP-Inhabers FRAND-Bedingungen entspricht, der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Entsprechend werden an den Inhalte des Angebots (wie auch bereits zuvor an den Inhalt der Verletzungsanzeige) hohe Anforderungen gestellt. Es soll nicht ausreichen, dass lediglich pauschal Lizenzsätze bzw. (im Rahmen einer Stücklizenz) Lizenzbeträge pro Einheit angegeben werden, ohne deren Zustandekommen zu begründen. Stattdessen muss der SEP-Inhaber sein Angebot transparent und nachvollziehbar erläutern. Hier wird es auch auf einen Vergleich mit anderweitig bestehenden Lizenzierungsprogrammen oder Poollizenzen ankommen. Das OLG Karlsruhe will dem SEP-Inhaber jedoch einen (ggf. großzügigen) Entscheidungsspielraum bei dessen Bemessung der FRAND-Kriterien zubilligen. Dies scheint darauf hinauszulaufen, dass die Gerichte eben doch nicht das konkrete Angebot auf Einhaltung der FRAND-Bedingungen prüfen werden. Vielmehr liefe es (nur) auf eine Prüfung hinaus, ob jedenfalls die Grenze zur Kartellrechtswidrigkeit überschritten wurde oder nicht.
Schließlich wurde auch der Umfang des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs thematisiert. VorsRiOLG Dr. Kühnen (Düsseldorf) hat in seinem Handbuch bereits die These aufgestellt, dass der SEP-Inhaber, der seinen Obliegenheiten zum Abschluss eines FRAND-konformen Lizenzvertrags nicht nachkommt, lediglich auf einen Schadensersatzanspruch in Höhe dieser FRAND-Lizenz beschränkt sei. Daher müsse auch der begleitende Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch auf die für eine solche FRAND-Lizenz erforderlichen Angaben beschränkt werden. Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 29. August 2016, Az. 6 U 57/16) lehnt jedoch derzeit trotz Sympathien für diese Auffassung eine inhaltliche Beschränkung des Auskunftsanspruchs ab. Diese Beschränkung lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten; zudem sei nicht ausgeschlossen, dass auch die sonstigen Angaben (z.B. Liefer- und Angebotspreise) für die Ermittlung einer FRAND-Lizenzgebühr erforderlich seien. Es ist absehbar, dass ein beklagter Patentnutzer mit dem Einwand einer Beschränkung des Schadensersatzes auf die Lizenzgebühr erst im sog. Höheverfahren Erfolg haben könnte.