Zum einen kann das Gericht nach § 16 GeschGehG die betreffenden Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen mit der Folge, dass alle am Verfahren beteiligten Personen sie vertraulich behandeln müssen. Zum anderen kann es nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GeschGehG den Zugang zu als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen bzw. im Verfahren befindlichen Dokumenten, die die geheimhaltungsbedürftigen Informationen enthalten, einschränken auf bestimmte zuverlässige Personen.
I. Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung ist ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse des LG Düsseldorf nach § 145a PatG i. V. m. §§ 16, 19 Abs. 1 GeschGehG.
Die Beschwerdegegnerin und Beklagte in der Hauptsache hatte beim LG Düsseldorf erfolgreich die Anordnung prozessualer Geheimhaltungsmaßnahmen nach § 145a PatG i. V. m. §§ 16, 19 Abs. 1 GeschGehG beantragt. Das LG Düsseldorf stufte die streitgegenständlichen Informationen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG als geheimhaltungsbedürftig ein, da glaubhaft gemacht worden war, dass es sich um Geschäftsgeheimnisse handeln kann. Außerdem begrenzte das LG Düsseldorf nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GeschGehG den Kreis der Personen auf Seiten der Beschwerdeführerin, denen Dokumente zugänglich gemacht werden dürfen, welche die geheimhaltungsbedürftigen Informationen enthalten.
Die Beschwerdeführerin und Klägerin in der Hauptsache wendet sich gegen die personelle Zugangsbeschränkung. Gegen die Einstufung der Informationen als geheimhaltungsbedürftig wendet sie sich nicht.
II. Entscheidung
Das OLG Düsseldorf gibt der Beschwerdeführerin Recht und ändert die Beschlüsse des LG Düsseldorf dahingehend ab, dass die Anordnung der personellen Zugangsbeschränkung entfällt.
1. Maßstab
Für den Erlass einer gerichtlichen Schutzanordnung genüge es nicht, dass eine Information ein Geschäftsgeheimnis darstellen kann. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut. Die §§ 16 ff. GeschGehG stellten den Erlass von Schutzanordnungen in das Ermessen des Gerichts („… kann das Gericht …“).
Es bedürfe deswegen konkreter Umstände, die eine zur Anordnung von Schutzmaßnahmen führende Ermessensausübung des Gerichts rechtfertigen. Dies gelte bereits für eine Anordnung nach § 16 GeschGehG, also für die Einstufung einer Information als geheimhaltungsbedürftig. Erst recht gelte dies für Schutzanordnungen nach § 19 GeschGehG. Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 GeschGehG mache die Anordnung von Zugangsbeschränkungen nämlich ausdrücklich davon abhängig, dass „nach Abwägung aller Umstände das Geheimhaltungsinteresse das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör auch unter Beachtung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren übersteigt“.
2. Entscheidungen in der Sache
Aus Sicht des OLG Düsseldorf rechtfertigt der Vortrag der Beschwerdegegnerin, die den Erlass der Schutzanordnungen beantragt hatte, die angeordnete Zugangsbeschränkung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GeschGehG nicht.
Das Gericht stützt sich für seine Auffassung auf eine vorgerichtliche Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin (und Klägerin in der Hauptsache) und der Muttergesellschaft der Beschwerdegegnerin (und Beklagten in der Hauptsache). Die Vertraulichkeitsvereinbarung wurde abgeschlossen im Rahmen von Lizenzverhandlungen. Sie sieht vor, dass die geheimhaltungsbedürftigen Informationen lediglich zum Zweck der geführten Lizenzverhandlungen genutzt und nur Mitarbeitern, Beratern und Vertretern der Vertragsparteien und der jeweils verbundenen Unternehmen zugänglich gemacht werden dürfen, die einer entsprechenden Vertraulichkeitspflicht unterliegen.
Das OLG Düsseldorf führt aus, dass es gegen eine gerichtliche Schutzanordnung spreche, wenn die möglichen Geschäftsgeheimnisse bereits durch eine vorgerichtliche Vertraulichkeitsvereinbarung geschützt sind, von der sich der Verpflichtete nicht einseitig lösen kann, von der er sich auch tatsächlich nicht losgesagt hat und deren Sanktionen, nämlich die Haftung im Fall einer Vertragsverletzung sowie die Verwirkung einer Vertragsstrafe, eingreifen, wenn das mögliche Geschäftsgeheimnis erstmals oder vorgerichtlichen Vortrag wiederholend im Rechtsstreit vorgebracht wird. Für eine gerichtliche Schutzanordnung müsse unter derartigen Umständen erkennbar sein, dass und warum der Sanktionsmechanismus der Vertraulichkeitsvereinbarung nicht hinreichend und/oder nicht zuverlässig genug sein soll, um den erforderlichen Geheimnisschutz auch unter den Bedingungen des anhängigen Rechtsstreits zu gewährleisten.
Zudem setze der Inhalt einer Vertraulichkeitsvereinbarung einer gerichtlichen Schutzanordnung abweichenden Inhalts Grenzen. Haben die Parteien in ihrer Vertraulichkeitsvereinbarung keine personellen Zugangsbeschränkungen vorgesehen, haben sie den Kreis der Zugangsberechtigten festgelegt, oder haben sie die vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtung zeitlich begrenzt, bedürfe es für das Begehren einer von dieser Vereinbarung abweichenden oder darüber hinausgehenden gerichtlichen Anordnung nach § 19 GeschGehG „näherer Erläuterung“ und „nachvollziehbarer Gründe“.
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf steht die Vertraulichkeitsvereinbarung einer Anordnung nach § 19 GeschGehG entgegen. Es seien keine Gründe für eine zusätzliche Schutzanordnung nach § 19 GeschGehG erkennbar. Dass die Lizenzverhandlungen der Parteien ins Stocken geraten seien, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn die Beschwerdeführerin und Klägerin verfolge mit ihrer Verletzungsklage mindestens auch den Zweck, „den Gesprächsfaden mit dem Konzern der Beklagten wieder aufzugreifen und dessen Verhandlungsbereitschaft zu befördern“. Dies entspreche jedenfalls „den Üblichkeiten“ und die Beschwerdegegnerin trage nichts Abweichendes vor. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Lizenzverhandlungen noch andauerten. Damit unterfielen geheimhaltungsbedürftige Informationen über Lizenzverhandlungen, welche die Beklagte im Prozess mitteilt, der Vertraulichkeitsvereinbarung und bedürften keines zusätzlichen Schutzes durch eine gerichtliche Zugangsbeschränkung nach § 19 GeschGehG.
Im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Laufzeit der Vertraulichkeitsvereinbarung merkt das OLG Düsseldorf schließlich an, dass die Beklagte für geheimhaltungsbedürftige Informationen, die nach Ende der vertraglich vorgesehenen Laufzeit der Verpflichtung zur Vertraulichkeit erstmals im Prozess vorgetragen werden und über welche die Klägerin (und Beschwerdeführerin) vorher keine von der Beklagen (und Beschwerdegegnerin) vermittelte Kenntnis hatte, eine gerichtliche Schutzanordnung beantragen könne.
Die Rechtsbeschwerde lässt das OLG Düsseldorf nicht zu.
III. Praxishinweis
Ob sich der restriktive Ansatz des OLG Düsseldorf in der Rechtsprechung durchsetzt, ist ungewiss. Zur Sicherheit sollten Parteien einer Vertraulichkeitsvereinbarung eine Regelung aufnehmen für den Fall, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen streitgegenständlich werden in einem etwaigen Gerichtsverfahren und die Anordnung gerichtlicher Schutzmaßnahmen nach den §§ 16 ff. GeschGehG in Betracht kommt.