Es gibt zunehmend Gerichtsentscheidungen, die den Patentinhabern den Unterlassungsanspruch verweigern, weil er jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung seine kartellrechtlichen Pflichten zur Gewährung eines diskriminierungsfreien, angemessenen Lizenzangebots nicht erfüllt hat.
Die wohl wesentlichste Entwicklung der Rechtsprechung bei SEP’s dürfte darin liegen, dass von den Gerichten in Mannheim und Düsseldorf besonders die Transparenzpflicht des SEP-Inhabers deutlich in den Vordergrund gerückt wird, aus der sich umfangreiche Informationspflichten ableiten, die der SEP-Inhaber frühzeitig erfüllen muss.
Eine in der Praxis sich immer wieder stellende, bedeutende Frage ist, inwieweit der Patentinhaber schon vor Einreichung einer Verletzungsklage seine Verhandlungs- und Angebotspflichten erfüllen muss und ob und wie er diese Unterlassung im Prozess heilen kann.
Das Landgericht Mannheim hat in mehreren Entscheidungen angekündigt, seine Rechtsprechung wohl dahingehend abzuändern, dass ein anhängiges Verletzungsverfahren zur Herstellung einer drucklosen Verhandlungssituation ausgesetzt werden muss, um Verhandlungen Raum zu geben und die unterlassenen Verhandlungspflichten nachzuholen und zu heilen. Die Verletzungsgerichte in Düsseldorf arbeiten an dieser Stelle bisher mit abgestuften Präklusionsregeln und Prozessförderungspflichten. Eine ganz klare Linie ist hier derzeit noch nicht auszumachen.
Das Lizenzangebot muss schriftlich die FRAND-Bedingungen formulieren und Angebotsempfänger in die Lage zu versetzen, anhand objektiver Kriterien nachzuvollziehen, warum das unterbreitete Angebot – bei objektivierter Betrachtung des Patentinhabers – FRAND-Kriterien entspricht.
Andere Lizenzverträge müssen transparent gemacht werden, wobei auch die Sachgründe einer unterschiedlichen Behandlung angegeben werden müssen. Ein pauschaler Verweis auf weitere Lizenznehmer ohne nähere Erläuterung der Lizenzbedingungen sowie ein Verweis auf ein Portfolio eines Dritten sowie ein nicht zugänglich gemachtes Sachverständigengutachten sind nicht ausreichend. Die vom SEP-Inhaber zur „Art und Weise ihrer Berechnung“ im Rahmen des Angebots zu machenden Angaben entsprechen inhaltlich dem, was er als Kläger in einem Verletzungsverfahren vortragen muss, um die FRAND-Gemäßheit seines Angebots gegenüber dem Gericht ausreichend darzulegen. Hierbei ist Vortrag insbesondere zu bereits abgeschlossenen Lizenzverträgen und zu relevanten Gerichtsentscheidungen erforderlich. Ob die Vorlage von Lizenzverträgen alleine ausreicht, um die Angemessenheit der Lizenzgebühren zu belegen, hängt insbesondere von der Zahl der abgeschlossenen Lizenzverträge ab. Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weiteren Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein. Der SEP-Inhaber muss zu allen Lizenzverträgen vortragen – andernfalls besteht stets die Gefahr, dass selektiv nur solche Verträge vorgelegt werden, die die geforderte Lizenzgebührenhöhe stützen. Auch eine Diskriminierungsfreiheit lässt sich nur nachprüfen, wenn zu allen Lizenzverträgen Angaben gemacht werden. Daneben muss der SEP-Inhaber über die Berechnung der geforderten Lizenzgebühren zudem etwaige Gerichtsentscheidungen vorlegen, die sich mit Lizenzverträgen befassen. Denn gerichtliche Entscheidungen oder Hinweise zur Angemessenheit der vorgeschlagenen Lizenzbedingungen sind jedenfalls als neutrale und sachverständige Stellungnahmen zu berücksichtigen. Der Verletzer hat ein legitimes Interesse an solchen Entscheidungen, während es dem SEP-Inhaber obliegt, solche relevanten Aspekte transparent zu machen. Der SEP-Inhaber muss auch sonstige Entscheidungen zur Verletzung und zum Rechtsbestand des oder der zu lizenzierenden Schutzrechte vorlegen. Gibt es all dies nicht, muss der SEP-Inhaber zum Nachweis der angemessenen Lizenzgebührenhöhe etwa zu vergleichbaren Lizenzverträgen (möglichst im selben oder vergleichbaren technischen Gebiet) vortragen. Auch sind nähere Erläuterungen des Portfolios und dessen Auswirkungen auf die Gebührenhöhe erforderlich, wenn das Klagepatent nicht einzeln lizenziert wird. Erst wenn der Verletzer diese Angaben erhalten hat, liegt überhaupt ein Angebot vor, dessen FRAND-Gemäßheit er hinreichend überprüfen und auf das er nach den Vorgaben des EuGH reagieren muss.
Bedeutende Änderungen der Rechtsprechung haben sich auch hinsichtlich der Frage der Diskriminierungsfreiheit ergeben. Eine Ungleichbehandlung von Lizenznehmern liegt vor, wenn die Patentinhaberin eines SEP einzelnen Lizenznehmern vertragliche Sonder- bzw. Vorzugskonditionen einräumt, die sie anderen Lizenznehmern verweigert, Dies gilt auch, wenn sie ihre Verbietungsrechte aus dem SEP selektiv durchsetzt. Eine solche selektive Durchsetzung ist anzunehmen, wenn die Patentinhaberin gegen einzelne Wettbewerber Verletzungsklage erhebt, um sie in einen Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung ihres Schutzrechts frei gewähren lässt. Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn den Hardware-Zulieferern eines Netzbetreibers Lizenzen verweigert werden und der Netzbetreiber angegriffen wird. Das Lizenzangebot muss absolut und relativ zu anderen Lizenznehmern in seiner Höhe und in anderen Lizenzbedingungen fair und angemessen sein und darf nicht diskriminieren. Der SEP-Inhaber muss Handelspartnern, die sich in der gleichen Lage befinden, dieselben Preise und sonstigen Geschäftsbedingungen einräumen. Allerdings gilt dies nur für vergleichbare Sachverhalte – eine Pflicht zur schematischen Gleichbehandlung besteht also nicht. Ein Lizenzangebot ist aber nicht FRAND, wenn die Patentinhaberin nicht erklären kann, weshalb es zugunsten eines großen Herstellers zu einer Pauschallizenz mit Einmalzahlung gekommen war, während hier Stücklizenzen mit Einzelabrechnung verlangt waren.
Eine wesentliche Kurskorrektur der Rechtsprechung ergibt sich auch aus mehreren Entscheidungen der Düsseldorfer Gerichte, wonach sich der SEP-Inhaber grundsätzlich nicht auf Geheimhaltungsinteressen seiner Lizenzsysteme und –bedingungen berufen kann. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung der Lizenzkonditionen, die der SEP-Inhaber am Markt tatsächlich nimmt, besteht nicht, soweit der SEP-Inhaber nicht konkret andere tatsächliche Umstände vorzutragen vermag. Der bloße Verweis auf Geheimhaltungsklauseln in Lizenzverträgen genügt nicht. Die Zusage, fair und diskriminierungsfrei zu lizenzieren, erfordert schon vom Grundsatz her eine Transparenz der geltenden Lizenzbedingungen für den Interessentenkreis. Denn der interessierte Dritte kann sonst nicht in Erfahrung bringen, wie die bereits praktizierten Lizenzbedingungen aussehen. Angesichts der Pflicht zur Gleichbehandlung Aller ist nicht ersichtlich, welches rechtlich billigenswerte Interesse der Lizenzgeber haben soll, seine Lizenzkonditionen, mit denen er gegenüber den Marktteilnehmern gleiche Behandlung schuldet, vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Prozessbegleitende Geheimhaltungsvereinbarungen können also von den SEP-Inhabern grundsätzlich nicht gefordert werden.