Der Bundesgerichtshof hat in dem Revisionsverfahren mit dem Az.: X ZR 58/16 mit einem Beschluss vom 05.06.2018 den Patentverletzungsprozess bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über eine gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage ausgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass die Aussetzung „zweckmäßig“ erscheine, um eine einheitliche Auslegung des Klagepatents im Nichtigkeits- und im Revisionsverfahren zu gewährleisten.
Wer eine Klage wegen Patentverletzung erhebt, muss damit rechnen, dass der Beklagte das Klagepatent angreift, entweder mit einem Einspruch, wenn die Frist dafür noch nicht abgelaufen ist, oder mit einer Nichtigkeitsklage. Im deutschen Recht ist im Verletzungsprozess eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patentes nicht vorgesehen. Aus diesem Grunde kann der Beklagte den Umstand, dass das Klagepatent angegriffen wurde, nur dadurch in den Verletzungsprozess einführen, dass er die Aussetzung des Verletzungsprozesses bis zur Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtig-keitsverfahren beantragt.
Die Entscheidung, ob eine solche Aussetzung angeordnet wird, liegt im Ermessen des Verletzungsgerichts, § 148 ZPO.
Da der Kläger bei einem Patent über ein geprüftes Schutzrecht verfügt und seine Ansprüche bei einer Aussetzung eine Zeitlang nicht durchsetzen kann, fällt die Ermessensentscheidung oft zugunsten des Klägers aus mit der Folge, dass zumindest die Instanzgerichte bei der Aussetzung eher zurückhaltend sind.
Regelmäßig ist für eine Aussetzung erforderlich, dass es nach Ansicht des Verletzungsgerichts in hohem Maße wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund des Einspruchs oder der Nichtigkeitsklage widerrufen oder vernichtet wird (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., E., Rn. 652 m.w.N.). Sollte der Kläger bereits über ein vorläufig vollstreckbares Urteil zu seinen Gunsten verfügen, so reicht für die Anordnung der Aussetzung bereits die „hinreichende“ Wahrscheinlichkeit für den Widerruf oder die Vernichtung des Klagepatentes aus (vgl. BGH GRUR 2014, S. 1237 ff., Rn. 4 – Kurznachrichten).
Die Frage, ob mit überwiegender oder hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Widerruf oder der Vernichtung des Klagepatents zu rechnen ist, spielte in dem neuen Beschluss des BGH vom 05.06.2018 keine Rolle.
Ferner steht § 148 ZPO unter der Überschrift „Vorgreiflichkeit“. Dies bedeutet, dass eine Aussetzung grundsätzlich nur dann angeordnet wird, wenn es auf die Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent ankommt. Auf die Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren kommt es dann nicht an, wenn die Klage aus Gründen, die mit dem Bestand des Patentes nichts zu tun haben, abzuweisen ist, z.B. wegen fehlender Aktivlegitimation des Klägers oder wegen fehlender Passivlegitimation des Beklagten oder wegen eines Vorbenutzungsrechts des Beklagten gem. § 12 PatG. Auf eine Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren kommt es auch dann nicht an, wenn das Verletzungsgericht der Ansicht ist, dass der Beklagte das Klagepatent nicht verletzt hat; auch in diesem Falle findet eine Aussetzung nicht statt, sondern die Klage wird abgewiesen, unabhängig davon, ob das Klagepatent Bestand hat oder nicht. Demnach kommt es zu einer Aussetzung regelmäßig nur dann, wenn das Verletzungsgericht von einer Patentverletzung ausgeht (vgl. Kühnen, am angegeben Ort, E., Rn. 644 ff. m.w.N.).
In dem Beschluss vom 05.06.2018 hat der BGH nicht angenommen, dass eine Patentverletzung vorliegt, sondern die Frage der Patentverletzung davon abhängig gemacht, wie ein bestimmtes Merkmal auszulegen ist. Diese Auslegung überlässt der BGH jedenfalls in diesem Verfahren zunächst einmal dem Bundespatentgericht, was auch eher ungewöhnlich ist, weil letztendlich bei der Frage der Patentverletzung das Verletzungsgericht das Patent auszulegen hat.
Der BGH hat in dem Beschluss vom 05.06.2018 nicht ausgeführt, dass die bisherige Rechtsprechung zur Ausübung des Ermessens bei der Aussetzung aufgegeben wird. Aus diesem Grunde sind die bisherigen Grundsätze wohl weiter bei der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen. Mit der Erwägung, dass eine Aussetzung „zweckmäßig“ erscheint, um eine einheitliche Auslegung des Klagepatents zu gewährleisten, lässt sich indes – zumindest im Revisionsverfahren, wenn der Kläger bereits über ein vorläufig vollstreckbares Urteil zu seinen Gunsten verfügt – letztendlich stets die Aussetzung rechtfertigen.