Die Europäische Union setzt ihre Bemühungen, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu schaffen, fort. Mit der ADR-Richtlinie (2013/11/EU) und der Verordnung Nr. 524/2013 verpflichtete sie die Mitgliedsstaaten zur Installation eines Systems der außergerichtlichen Streitschlichtung für den Online-Handel.
Die Bundesregierung hat diese Verpflichtung durch Verabschiedung des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) erfüllt. Das Gesetz regelt sowohl die Zulassung und die Arbeitsweise der Schlichtungsstellen als auch die Pflichten der Unternehmer.
Die Europäische Union betreibt bereits seit 2016 Online-Plattform zur Streitbeilegung, auf der Verbraucher Beschwerden im Zusammenhang mit Online-Geschäften vorbringen können. Seit April 2016 sind Gewerbetreibende, die online mit Verbrauchern Verträge schließen, verpflichtet, über diese Plattform zu informieren, indem sie ihre eigene E-Mail-Adresse sowie den Link zu dieser Plattform an einer leicht zugänglichen Stelle ihrer Homepage bereitstellen.
Allen Unternehmen, die diese Pflicht noch nicht umgesetzt haben, empfehlen wir dringend, das schnellstmöglich nachzuholen. Den entsprechenden Link sowie weitere Informationen dazu stellen wir gern zur Verfügung. Das Bundesministerium für Justiz stellt zur Vereinfachung unter dem Link
Web-Banner hierzu bereit.
Zum 1. Februar 2017 erweitern sich diese Informationspflichten:
Jeder Unternehmer, der eine Homepage betreibt oder AGB verwendet, ist verpflichtet, zu informieren, ob er an Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung teilnimmt. Sofern vorhanden, ist diese Information auf der Homepage und in den AGB zu platzieren.
Die Teilnahme an solchen Schlichtungsverfahren ist zwar freiwillig (mit Ausnahmen für Energieversorgungs- und Luftfahrtunternehmen), es muss aber offengelegt werden ob die Bereitschaft hierzu besteht.
Lediglich Unternehmen mit nicht mehr als zehn Beschäftigten und solche, die weder eine Internetseite noch AGB verwenden, sind von der Informationspflicht befreit.
Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz regelt die Anforderungen an Schlichtungsstellen und deren Arbeitsweise.
Schlichtungsstellen können von Behörden, aber auch von Vereinen gegründet werden. Sie müssen sich eine verbindliche Prozessordnung geben, unabhängig sein und über einen vom Trägerverband getrennten, zweckgebundenen und ausreichenden Haushalt verfügen. Teilweise müssen sie – zur Wahrung der Neutralität – paritätisch besetzt werden
Der Streitmittler selbst muss die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Mediator sein.
Das Gesetz sieht vor, dass die Schlichtungsstelle innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Beschwerde entscheidet, ob sie die Beschwerde annimmt. Ist das der Fall, wird beiden Parteien Gehör gewährt und spätestens 90 Tage nach Eingang der vollständigen Akte ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet. Die Teilnahme von Rechtsbeiständen ist möglich, aber nicht vorgeschrieben.
Beide Parteien können die Schlichtung jederzeit beenden. Schlichtungsvorschläge sind nicht bindend. Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ist jederzeit möglich.
Es entstehen Verfahrenskosten, die grundsätzlich vom Unternehmer zu tragen sind und die je nach Wert und Verlauf der Schlichtung zwischen 75,- und 380,- Euro betragen. In den wenigen Ausnahmefällen, in denen der Verbraucher Kosten zu tragen hat, sind diese auf 30,00 Euro begrenzt.
• Unternehmen müssen sich mit dem Thema Schlichtung beschäftigen und entscheiden, ob sie sich an solchen Verfahren beteiligen wollen oder nicht. Die Bereitschaft kann auch nur für bestimmte Konflikte, beispielsweise bis zu einer bestimmten Wertgrenze erklärt werden.
• Die Erklärung, sich an Schlichtungsverfahren zu beteiligen, ist verbindlich und begründet die Verpflichtung, die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle mit genauer Anschrift und Webseite zu benennen (§ 36 Absatz 1 Nr. 2 VSBG).
Eine allgemeine Schlichtungsstelle befindet sich in Kehl. Sie ist unter folgendem Link zu erreichen:
https://www.verbraucher-schlichter.de/herzlich-willkommen-bei-der-allgemeinen-verbraucherschlichtungsstelle-%e2%80%93-ihrer-schlichtungsstelle-fuer-verbraucherstreitigkeiten
Für die bisher eingerichteten branchenspezifischen Schlichtungsstellen existiert unter dem nachfolgenden Link
https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Verbraucherschutz/Liste_Verbraucherschlichtungsstellen.pdf%3F__blob%3DpublicationFile%26v%3D24
ein Verzeichnis.
• Egal, wie sich das Unternehmen positioniert: Homepage und AGB müssen angepasst werden.
• Stellen kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern zusätzliche Arbeitnehmer ein und überschreiten dann die Zahl von zehn Arbeitnehmern, ist die Beachtung der Informationspflicht im Folgejahr sicherzustellen. Stichtag ist jeweils die Zahl der Arbeitnehmer am letzten Tag des vergangenen Jahres.
• Im Fall einer Beschwerde ist das Unternehmen ebenfalls verpflichtet, den betroffenen Verbraucher über die Bereitschaft zur Teilnahme zu unterrichten. Im Falle der Teilnahme ist dem Kunden die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle zu nennen, anderenfalls ist der Kunde über die Nichtteilnahme zu informieren, damit er sich Mühe und Kosten der Antragstellung sparen kann.
• Werden diese Verpflichtungen nicht erfüllt, drohen Abmahnungen von Mitbewerbern sowie von Wettbewerbs- oder Verbraucherverbänden.
Unternehmen können eine branchenspezifische Schlichtungsstelle gründen oder sich an einer bereits bestehenden beteiligen. Es liegt auf der Hand, dass solche branchenspezifischen Schlichtungen durch ihre Fachkompetenz besonders sinnvolle Konfliktlösungen erarbeiten können, die möglicherweise qualtitativ die Zivilgerichtsbarkeit übertreffen.
Auf diese Weise können Wirtschaftsakteure durch die Schaffung sinnvoller Regeln und Schlichtungsvorschläge an der Rechtsfortbildung mitwirken.
Die Frage, ob die Beteiligung an außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren für ein Unternehmen sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert.
Das Bundesministerium für Justiz betont, dass diese Verfahren schnell, kostengünstig und mit wenig Aufwand verbunden sind und sieht in der offengelegten Bereitschaft, sich den Verfahren zu unterwerfen, die Chance eines Imagegewinns für Unternehmen.
Zutreffend ist, dass mit den Vorschlägen schnell und zu einem günstigen Preis Rechtssicherheit geschaffen wird.
Kritiker weisen darauf hin, dass der Unternehmer – unabhängig vom Verfahrensausgang – die Kosten tragen muss. Sie befürchten zudem, dass „Schlichtung“ auch eindeutigen Fällen ein Nachgeben verlangen könne.
Die Möglichkeit, branchenspezifische Schlichtungsstellen zu gründen, die mit Branchenmitgliedern besetzt sind, wird vielfach als Chance zu praxisnahen Lösungsvorschlägen angesehen.
Die neuen Verbraucherschutzvorschriften erhöhen die formalen Anforderungen an die Außendarstellung von Unternehmen. Das erhöht den Aufwand und das Abmahnrisiko.
Sicher besteht in Deutschland angesichts einer leicht zugänglichen, vergleichsweise günstigen und qualifizierten Zivilgerichtsbarkeit sowie der Möglichkeit von Beratungs- und Prozesskostenhilfe kein besonderes Bedürfnis für die Schaffung solcher Schiedsstellen. Das mag in anderen Mitgliedsstaaten anders sein. Trotzdem ist Deutschland verpflichtet, sich im Sinne der Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes diesen Initiativen ebenfalls zu unterwerfen.
Gern beraten wir Sie, ob für Ihr Unternehmen die Teilnahme an solchen Schiedsverfahren sinnvoll ist, wie Sie gegebenenfalls selbst eine Schiedsstelle gründen und wie Sie Ihre Außendarstellung an die neuen Anforderungen anpassen.