Am 8. Februar 2023 erging die langersehnte Entscheidung des US District Courts – District of New York zu der Frage, inwieweit eine unberechtigte Markennutzung im Metaverse eine Markenverletzung darstellt.[1]
Was ist die Besonderheit dieses Falls? Bei der angegriffenen Bezeichnung handelt es sich um „MetaBirkin“, unter der Herr Mason Rotschild Ende 2021 begann, Abbildungen der berühmten Birkin-Tasche von Hermès als NFT[2] zu veräußern.
Bei der nach der Schauspielerin Jane Birkin benannten Tasche handelt es sich um eine der teuersten Luxus-Handtaschen, deren Verkaufspreis im fünfstelligen Bereich beginnt und leicht sechsstellig werden kann. Nach den Angaben von Hermès International und Hermès of Paris Inc. (Hersteller der Birkin-Taschen und Inhaber der entsprechenden Markenrechte, nachfolgend kurz „Hermès“) wurden seit 1986 Birkin Taschen im Wert von über einer Milliarde Euro in den USA verkauft, wobei alleine in den letzten zehn Jahren Umsätze von über USD 100 Mio. erzielt wurden. Entsprechend erzeugte die Bewerbung der „MetaBirkins“ eine fulminante Aufmerksamkeit auf Verbraucherseite.
Die Besonderheit bei den von Herrn Rothschild angebotenen Bildern war, dass die jeweiligen Abbildungen mit der Silhouette und Gestaltung der Birkin-Taschen von Hermès identisch waren und somit nicht nur aufgrund der Bezeichnung „MetaBirkin“ als solche identifiziert werden konnten. Die jeweiligen Taschenoberflächen jedoch waren nicht aus Leder, sondern aus buntem Kunstpelz visualisiert dargestellt. Mit den in die NFTs implementierten sog. Smart Contracts profitierte Herr Rotschild nicht nur beim ursprünglichen Verkauf der NFTs, sondern auch bei deren Weiterverkäufen. Die NFTs bot er über eine eigens dafür kreierte Website, abrufbar unter <metabirkins.com>, an, noch bevor die NFTs als solche generiert waren. Über seine Social-Media Accounts bei Twitter und Instagram warb er für seine NFTs u.a. mit „@METABIRKINS“. Bis einschließlich Juni 2022 wurden 100 „MetaBirkins“ produziert und für über USD 1,1 Mio veräußert. Darüber hinaus erhielt Herr Rotschild für jeden Weiterverkauf eines MetaBirkin NFTs 7,5 % des Weiterverkaufspreises. Es kam bei Interessenten/Käufern der NFTs, aber auch auf Seiten der Medien nachweislich zur Verwirrung darüber, von wem die „MetaBirkin“ NFTs herrührten und ob hier eine wie auch immer geartete Partnerschaft mit Hermès bestünde.
Hermès mahnte Herrn Rotschild am 16. Dezember 2021 ab. Nachdem keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, erhob Hermès am 14. Januar 2022 Klage beim US District Court – District of New York wegen Markenverletzung, Designverletzung sowie – aufgrund der angemeldeten Domain <metabirkins.com> – wegen Cybersquatting. Ergänzend sei in dem Zusammenhang erwähnt, dass sich Herr Rothschild selbst darüber beschwerte, dass Dritte seine „MetaBirkin“-Kreationen nachahmten und ebenfalls unter der Bezeichnung als NFT anboten, insofern grundsätzlich also über ein korrektes Rechtsverständnis verfügte, wenngleich etwas einseitig ausgeprägt.
Die Hauptfrage, mit der sich das Gericht und später auch die neunköpfige Jury auseinandersetzen musste, war, inwieweit die konkrete Art der Markenverwendung im vorliegenden Fall als freie Meinungsäußerung („Free Speech“), konkret als Kunst, gerechtfertigt sein könnte. Es handle sich somit um eine der ersten Entscheidungen, bei denen das Zusammenspiel von virtuellen Gegenständen und Markenrecht zu beleuchten und dabei auch die Linie zu ziehen war, wo die Kunstfreiheit endet und eine Markenverletzung durch die digitalen Kreationen beginnt.
Um sich dem Kernproblem des Falles zu nähern, nämlich inwieweit die weltbekannte Marke von Hermès von Herrn Rothschild als solche dazu benutzt wurde, um durch die konkrete Vermarktung der „MetaBirkin“ NFTs die Öffentlichkeit über den Ursprung des Produkts in die Irre zu führen oder inwieweit hier der künstlerische Ausdruck im Vordergrund stand, zog das Gericht die Entscheidung Rodgers v. Grimaldi[3] und den dieser zur Entscheidung zu Grunde liegenden Test heran. In diesem Rahmen wurde zunächst geprüft, ob (1.) die Nutzung der Marke in einem Ausdruckswerk künstlerisch relevant für das entsprechende Werk ist und (2.), ob hier ausdrücklich über den Ursprung oder Gegenstand des Werks irregeführt wird. Obgleich die Jury befand, dass es sich bei den „MetaBirkin“ NFTs unter bestimmten Gesichtspunkten um Werke künstlerischen Ausdrucks handelte, sah sie es als erwiesen an, dass mit der konkreten Bezeichnung beabsichtigt wurde, mögliche Käufer über die Herkunft der NFTs in die Irre zu führen. Ferner wurde die Bezeichnung „MetaBirkin“ in keiner künstlerisch relevanten Art und Weise, sondern vielmehr in einem kommerziellen Kontext zu der Marke von Hermès genutzt, folglich deren Bekanntheit und deren Goodwill ausgenutzt. Entsprechend konnte Herrn Rotschild die „Free Speech“-Rechtfertigung nicht vor seiner Haftung bewahren. Am Ende des Tages musste er an Hermès USD 133.000,00 als Schadensersatz zahlen.
Auch wenn die Entscheidung in erster Linie für die USA Relevanz hat, ist sie durchaus für andere Jurisdiktionen von Interesse. Sie zeigt eine Möglichkeit auf, mit welchem Prüfungsansatz man sich der Frage, ob eine Markenverletzung durch die Nutzung als und/oder im Zusammenhang einer als NFT vertriebenen Abbildung vorliegt, nähern kann. Damit sind längst nicht alle möglichen Verletzungsformen zu erfassen. So ist z.B. noch ungeklärt, wie ein Gericht bei der Nutzung von weniger bekannten Marken urteilen würde. Nicht alle Marken verfügen über ein umfassendes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, das auch digitale Abbildungen von ansonsten analogen Produkten schützt. Insofern könnte bei einer Prüfung der Verwechslungsgefahr ggf. schon durch die mangelnde Warenähnlichkeit entsprechende Ansprüche scheitern. Zuletzt hat sich das EUIPO aber dahingehend geäußert, dass es eine Warenähnlichkeit zwischen Waren im Metaverse und dem entsprechenden Pendant in der realen Welt annimmt.[4] Selbst über die Zuhilfenahme des in Deutschland verfügbaren ergänzenden Leistungsschutzes nach § 4 Ziff. 3 UWG müsste man dezidiert prüfen, ob die dort geforderten Tatbestandsmerkmale bei einer Nutzung einer fremden Marke oder eines fremden Designs als oder im Rahmen eines NFTs verwirklicht würden.
Noch gibt es in Deutschland keine Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema. Aber auch in den USA wird das letzte Wort zu Verletzungen von geistigem Eigentum im Metaverse noch nicht gesprochen sein. Im vorliegenden Fall wurden die bekannten Taschen mit der unverwechselbaren Silhouette unter der Marke „MetaBirkin“ angeboten und beworben. Soweit jedoch nur die Tasche (erkennbar) in einem größeren Bildwerk zu sehen wäre, ohne explizit genannt zu werden oder dass damit explizit geworben würde, könnten die künstlerischen Aspekte durchaus im Vordergrund und die Herkunftsfunktion der Marke gerade nicht verletzt sein; zumindest nach amerikanischer Leseart.
Ein weiterer Aspekt ist die Durchsetzung solcher Ansprüche. Im vorliegenden Fall war der vermeidliche Verletzer bekannt und aufgrund seines Sitzes in den USA auch für Hermès greifbar. Es wird jedoch andere Konstellationen geben, bei denen dies nicht der Fall sein wird. Hier wird man dann andere Wege suchen müssen, wie z.B. der chinesische Hangzhou Internet-Court, der bei einer Urheberrechtsverletzung durch NFTs mangels Kenntnis der Person des Verletzers schlichtweg den Internet-Serviceprovider über die Störhaftung erfolgreich dazu verurteilt hatte, die streitgegenständlichen Werke offline zu nehmen, sodass die IP-Adresse diesbezüglich ins Leere lief und die Verletzungsgegenstände nicht mehr kommerziell verwertet werden konnten.[5]
Ein weiter Weg könnte sein, entsprechende Klagen und auch die Entscheidung mittels NFT in die konkrete eWallet des namentlich nicht bekannten Verletzers zuzustellen, so wie es der New York Supreme Court bereits in 2022 als zulässig erachtet hatte.[6] Dabei wurde mittels eines sog. „service token“ ein Hyperlink in die von Unbekannten gehaltene eWallet, gelegt (sprich an eine bestimmte Blockchain-Adresse gesendet), über den man Zugang zu der Klage und allen damit zusammenhängenden Unterlagen bekommen konnte. Auf diese Weise wurde die Klage wirksam zugestellt. Gleichzeitig konnte man über diese Adresse auch einige der streitgegenständlichen Assets auffinden und deren Weiterveräußerung einschränken. Die vorgenannte Art der Zustellung wurde bereits von anderen Gerichten nachgeahmt, z.B. vom High Court in London, ebenfalls in 2022.[7]
Die vorgenannten Entscheidungen widerlegen nachhaltig das Gerücht, dass es sich im virtuellen Raum oder in der Blockchain um rechtsfreie Bereiche handeln würde – mitnichten. Alles in Allem bleiben jedoch noch viele Fragen ungeklärt. Was jedoch den Rechteinhabern gefallen wird, ist der Umstand, dass deren geistiges Eigentum auch im Metaverse nicht gemeinfrei wird. Hierzu kann man sich derzeit noch mit den herkömmlichen Instrumenten des gewöhnlichen Rechtschutzes helfen, wenngleich in bestimmten Grenzen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die europäische Gesetzgebung entsprechend nachschärft und damit weitere Möglichkeiten den Rechteinhabern an die Hand gibt, um auch in der virtuellen Welt Schutzrechte effektiv durchzusetzen, wie es bereits Gerichte in den USA oder England vorgemacht haben.
Soweit Sie beabsichtigen, Ihre Produkte im Metaverse darzustellen oder sich mit Produkten Dritter im Metaverse künstlerisch zu befassen, sprechen Sie uns gerne vorab dazu an.
[1] Case 1: 22-cv-00348-JSR.
[2] Zur Definition von „Non-Fungible Tokens“ (NFT), siehe: https://preubohlig.de/auswirkungen-des-nft-booms-auf-immaterialgueterrechte/ .
[3] Rogers vs. Grimaldi, 875 F.2d 994 (2d Cir. 1989).
[4] Siehe dazu auch: https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/news-newsflash/-/asset_publisher/JLOyNNwVxGDF/content/pt-virtual-goods-non-fungible-tokens-and-the-metaverse.
[5] Case no. (2022) Zhe 0192 MinChu 1008 Hao.
[6] LCX AG vs John Doe Nos 1–25, Order to Show Cause and Temporary Restraining Order (Case no. 154644/2022, Supreme Court of the State of New York, 2 June 2022).
[7] Sarah Martinson, ‘London Court OKs NFT To Serve Anonymous Defendant’ (Law360, 12 July 2022), http://www.law360.com/articles/1510718/london-court-oks-nft-to-serve-anonymous-defendant.