1. Ausgangspunkt der hier zu besprechenden Entscheidung ist die Prüfung von Ansprüchen auf Klarheit und Deutlichkeit im Erteilungsverfahren. Dies ergibt sich für Europäische Pa-tente aus Art. 84 Satz 2 EPÜ. Für das nationale Recht ergibt sich dieses Erfordernis aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV (vgl. BGH GRUR 2012, 475, Tz. 29 – Elekt-ronenstrahltherapiesystem sowie die Entscheidung Fugenband, Tz. 31).
2. Mangelnde Klarheit ist im EPÜ kein Einspruchsgrund und im nationalen Recht kein Nich-tigkeitsgrund. Somit erhebt sich die Frage, wie mit „unklaren Ansprüchen“ z.B. im Nichtig-keitsverfahren umzugehen ist. Soweit ersichtlich hat sich der BGH in jüngerer Zeit hiermit in der Entscheidung GRUR 2010, 709 – Proxyserversystem beschäftigt. Dort war im Hilfsantrag II ein zusätzliches Merkmal aufgenommen worden, das anscheinend der Be-schreibung entlehnt war (Tz. 54 + 55). Der BGH hatte diesen Hilfsantrag wegen Unklarheit des neu hinzugekommenen Merkmals zurückgewiesen und im Leitsatz ausgesprochen, dass ein europäisches Patent im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen vertei-digt werden kann, die dem Erfordernis einer deutlichen, klaren und knappen Anspruchs-fassung nicht genügen.
3. Im Fall „Fugenband“ war es nun so, dass ein bereits in den erteilten Ansprüchen enthalte-nes Merkmal auf Unklarheit geprüft werden sollte. Dies hat der BGH abgelehnt. Er führt aus: Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist weder im Europäischen Pa-tentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem er-teilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder Nich-tigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Das Europäische Pa-tentübereinkommen regelt ebenso wie das nationale Recht die Einspruchs- oder Nichtig-keitsgründe, zu denen die fehlende Klarheit nicht gehört, abschließend. Daraus folgt, dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklar-heit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.
4. Zur Begründung dieses Ergebnisses verweist der BGH auch auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14. Die Entscheidung „Proxyserversystem“ wird indes-sen in der Entscheidung „Fugenband“ nicht genannt. Insofern bleibt abzuwarten, ob der BGH die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer auch dann übernimmt, wenn die Unklarheit eines Hilfsantrages gerade auf zusätzlichen Merkmalen – die im Erteilungsver-fahren nicht geprüft worden waren – beruht.