Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Beide Parteien vertreiben Kopf- und Ohrhörer und sind damit Mitbewerber. Die Beklagte hatte es versäumt, auf von ihr angebotenen Kopf- und Ohrhörern die nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz erforderliche CE-Kennzeichnung anzubringen. Der Kläger mahnte die Beklagte wegen dieses Verstoßes ab. Die Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Der Kläger nahm diese Unterlassungserklärung an, sodass damit ein entsprechender Unterlassungsvertrag zustande gekommen war.
Nach Abschluss des Unterlassungsvertrages erwarb der Kläger bei der Beklagten sieben Kopf- und Ohrhörer, auf denen wiederum die CE-Kennzeichnung nicht vorhanden war. Mit seiner Klage verlangte der Kläger insbesondere die Zahlung von Vertragsstrafen für sieben Verstöße gegen den Unterlassungsvertrag in Höhe von jeweils 5100,00 €, somit insgesamt 35.700,00 €. Während des Rechtsstreits kündigte die Beklagte den Unterlassungsvertrag außerordentlich aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Begründung, dass die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen sei.
Der BGH gab der Beklagten Recht. Auch der BGH war der Ansicht, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war und eine außerordentliche Kündigung des Unterlassungsvertrages rechtfertigte.
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sachfremde Ziele sind wie etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich unter anderem daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Ferner kann ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Gläubiger des Unterlassungsanspruches und seinem Anwalt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen, wenn etwa der Anwalt seinen Mandanten im Innenverhältnis von Kosten freistellt und die Zahlungen der jeweiligen Gegner für sich vereinnahmt.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger bereits eine Reihe von Abmahnungen durch seinen Anwalt aussprechen lassen. Ferner befand sich der Kläger nach den gerichtlichen Feststellungen zum Zeitpunkt der Abmahnung in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Er hatte Schulden in sechsstelliger Höhe. Der Kläger war somit angesichts seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse letztendlich nicht in der Lage, die von ihm geführten Prozesse zu finanzieren. Dies ließ die Schlussfolgerung zu, dass hier wohl das vorstehend beschriebene kollusive Zusammenwirken zwischen dem Kläger und seinem Anwalt vorliegen würde. Jedenfalls hatte der Kläger offensichtlich nicht substantiiert vorgetragen, dass diese Annahme nicht zutreffend ist.
Diese Umstände reichten dem BGH aus, um anzunehmen, dass das beherrschende Motiv für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches „sachfremd“ gewesen sei. Daher habe eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vorgelegen. Wenn aber eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich sei im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, so könne ein Unterlassungsvertrag, der aufgrund einer solchen Abmahnung zustande gekommen sei, außerordentlich ohne Frist aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Eine Kündigung beendet einen Vertrag für die Zukunft. Die Beklagte hatte die außerordentliche Kündigung des Unterlassungsvertrages erst erklärt, nachdem der Kläger die gerügten sieben Verstöße gegen den Unterlassungsvertrag geltend gemacht hatte. Die Verstöße gegen den Unterlassungsvertrag erfolgten daher zu einem Zeitpunkt als der Unterlassungsvertrag noch bestand. Folglich hätte es an sich eine Rechtsgrundlage (nämlich den Unterlassungsvertrag) für die Durchsetzung der geltend gemachten Vertragsstrafen gegeben. Der BGH führte jedoch aus, dass die Geltendmachung von Vertragsstrafen aufgrund eines Unterlassungsvertrages, der aufgrund einer rechtsmissbräuchliche Abmahnung zustande gekommen sei, ebenfalls rechtsmissbräuchlich sei und gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen würde. Der BGH wies daher die Klage insbesondere auch im Hinblick auf die verlangten Vertragsstrafen ab.
Der BGH hatte in diesem Zusammenhang auch noch zu klären, ob der Beklagte die außerordentliche Kündigung „innerhalb einer angemessenen Frist“ im Sinne des § 314 Abs. 3 erklärt hatte. Wenn nämlich eine außerordentliche Kündigung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung von dem Kündigungsgrund erklärt wird, ist die Kündigung unwirksam. Im vorliegenden Fall hat der BGH darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund einer vom Kläger am 08.10.2015 abgegebenen Vermögensauskunft Kenntnis von den desaströsen wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zum Zeitpunkt Abmahnung erlangt habe. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 01.12.2015 ausgesprochene Kündigung sei noch innerhalb einer „angemessenen Frist“ erklärt worden.