1. Der BGH hatte die Frage zu beantworten, ob im Rahmen eines Verfahrens wegen der Verletzung einer Unionsmarke gegen ein in Italien ansässiges Unternehmen deutsche Gerichte international zuständig sind. Die italienische Beklagte handelte mit Parfüm- und Kosmetikartikeln und unterhielt einen Internetauftritt, der auch auf Deutsch abrufbar war. Der Internetauftritt selbst eröffnete keine direkte Bestellmöglichkeit; es wurden jedoch Kontaktdaten angegeben. Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen nahm per E-Mail Kontakt zur italienischen Beklagten auf, welche – ebenfalls per E-Mail – den Lagerbestand und die Preise der angefragten Produkte mitteilte. Daraufhin bestellte das deutsche Unternehmen mehrere Parfümartikel, bei denen es sich um nicht erschöpfte Originalware der Klägerin handelte, weil diese nicht mit Zustimmung der Klägerin innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden waren (vgl. Art. 15 UMV bzw. Art. 15 GGV).
2. Das Berufungsgericht hatte seine internationale Zuständigkeit nach Art. 125 Abs. 5 UMV bejaht mit dem Argument, dass die Mitteilung des Lagerbestands sowie der Preise durch die Beklagte per E-Mail eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots darstelle und die Beklagte sich somit im Inland aktiv um ein Vertragsschluss bemüht habe (vgl. Urteil des BGH, Tz. 18).
3. Dieser Auslegung des Art. 125 Abs. 5 UMV, wonach die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegenüber dem im Ausland ansässigen Beklagten damit bejaht wird, dass zumindest eine von mehreren Verletzungshandlungen im Inland begangen worden ist, erteilte der BGH eine Absage (vgl. Tz. 24 ff.).
Der BGH führt aus, dass es für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte grundsätzlich darauf ankäme, ob die Klägerin eine im Inland begangene Verletzungshandlung der Beklagten im Sinne des Artikel 125 Abs. 5 UMV behauptet habe und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne (vgl. Tz. 26).
Der Wortlaut des Art. 125 Abs. 5 UMV „[Ort], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“ stelle aber als Anknüpfungspunkt auf ein aktives Verhalten des Verletzers ab und bezieht sich somit auf denjenigen Mitgliedstaat, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liege, ereignet habe oder zu ereignen drohe, und nicht auf den Mitgliedstaat, in dem die Verletzung ihre Wirkung entfalte (vgl. Tz. 27).
4. Den deutschsprachigen Internetauftritt der Beklagten als solchen sah der BGH, ebenso wie das Berufungsgericht, nicht als ausreichend an, eine Verletzungshandlung im Sinne des Art. 125 Abs. 5 UMV in Deutschland zu begründen. Hatte das Berufungsgericht dies noch mit der fehlenden Bestellmöglichkeit auf der deutschsprachigen Internetseite der Beklagten begründet, vertritt der BGH die Auffassung, dass selbst im Falle einer solchen Bestellmöglichkeit, dies nicht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte führe (vgl. Tz. 30). Dies begründet der BGH maßgeblich mit den Wertungen des EuGH im Urteil „Nintendo/BigBen“ (GRUR 2017, 1120 ff.), über das wir bereits ausführlich im Preu Bohlig-Newsletter Dezember 2017 (S. 4 ff.) berichteten.
Das Urteil des EuGH sei zwar zur GGV ergangen, so der BGH, wegen der inhaltlichen Übereinstimmungen der einschlägigen Vorschriften der GGV mit denjenigen der UMV sei die Entscheidung des EuGH aber auf das Markenrecht ohne Weiteres übertragbar (vgl. Tz. 30).
5. Der BGH stellt fest, dass die Erwägungen des EuGH zur Auslegung der sprachlich ähnlich wie Art. 125 Abs. 5 UMV gefassten Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht entsprechend gelte (Tz. 34). Bei Rechtsstreitigkeiten über Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums käme es nicht selten vor, dass denselben Beklagten mehrere Verletzungshandlungen vorgeworfen würden und deshalb an mehreren Orten ein schadensbegründendes Ereignis eintrete. Bei der Bestimmung des schadensbegründenden Ereignisses in diesen Fällen dürfe nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abgestellt werden, sondern es sei eine Gesamtwürdigung des Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden sei oder drohe (vgl. Tz. 34).
6. Der Ort des schadensbegründenden Ereignisses gemäß Art. 125 Abs. 5 UMV sei im konkreten Fall nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden könne (Deutschland). Es sei vielmehr der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden ist (Italien). Selbst wenn daher in dem Internetauftritt der italienischen Beklagten ein Anbieten von Waren zu sehen sei, wäre im Streitfall davon auszugehen, dass der Prozess der Veröffentlichung des Angebots in Italien und nicht in Deutschland erfolgt ist (vgl. Tz. 31).
Aber auch in der Übersendung von Produkt- und Preislisten per E-Mail an den Empfänger in Deutschland sieht der BGH kein schadensbegründendes Ereignis im Sinne des Art. 125 Abs. 5 UMV, denn in diesem Fall läge das schadensbegründende Ereignis an dem Ort der Versendung der E-Mail, mithin in Italien, und nicht am Ort des Empfangs (vgl. Tz. 38).
7. Die Frage, ob im Falle einer Versendung der nicht erschöpften Ware durch die italienische Beklagte nach Deutschland eine Gesamtwürdigung des Verhaltens zu einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte geführt hätte, musste vom BGH nicht weiter erörtert werden, weil das deutsche Unternehmen im zu entscheidenden Fall die bestellte Ware durch eine von ihm beauftragte Spedition in Italien abholen ließ. Es erfolgte also keine direkte Lieferung der Beklagten nach Deutschland. Von einer anderen Entscheidung ist indes kaum auszugehen, weil auch in diesem Fall der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort ist, an dem die Versendung der Ware veranlasst wird (Italien) und nicht der Ort, bei dem die Ware in Empfang genommen wird (Deutschland).
8. Die Entscheidung des BGH hat unmittelbare Auswirkung auf ein gerichtliches Vorgehen gegen einen in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässigen Verletzer auf Grundlage einer Unionsmarke oder eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Hat der Verletzer dagegen weder seinen Sitz noch eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, kann dieser am Sitz des Klägers verklagt werden (vgl. Art. 125 Abs. 2 UMV bzw. Art. 82 Abs. 2 GGV).
Für deutsche Marken sowie deutsche Designs besteht keine dem Art. 125 Abs. 5 UMV bzw. Art. 82 Abs. 5 GGV entsprechende und vorrangige Zuständigkeitsvorschrift. Die Frage der internationalen Zuständigkeit bestimmt sich bei der Verletzung von nationalen Marken und nationalen Designs durch ein im Ausland ansässiges Unternehmen nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO. Hiernach ist eine besondere Zuständigkeit deutscher Gerichte auch dann gegeben, wenn das schädigende Ereignis im Inland eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Wortlaut „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ meint hierbei – anders als die Formulierung in der UMV und der GGV – sowohl den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens, sodass ein im Ausland ansässiger Beklagter nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (vgl. EuGH GRUR 2011, 806 Rn. 44 ff – Coty/First Note Perfumes).
Die Entscheidung des BGH hat somit zur Folge, dass ein und dasselbe Verhalten eines im europäischen Ausland ansässigen Verletzers einmal zur internationalen Zuständigkeit deut-scher Gerichte führt und ein anderes Mal nicht, je nachdem, ob es sich um die Verletzung eines nationalen Schutzrechts oder eines unionsweiten Schutzrechts handelt. Nachdem in der Praxis Plagiate oftmals aus dem europäischen Ausland nach Deutschland eingeführt werden, stellt sich daher die Frage, ob vermehrt nationale Schutzrechte angemeldet werden sollten, um die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen zu können und unter Umständen aufwändige Verfahren im europäischen Ausland zu vermeiden.