Das Landgericht München I erließ im Jahr 2016 eine einstweilige Verfügung aufgrund eines Patentes. Die Antragsgegnerin dieses Verfahrens, bei der es sich erkennbar um die IFA GmbH handelt, gab wie immer ohne weiteres zu der einstweilen Verfügung eine Abschlusserklärung ab und verzichtete dabei insbesondere auf die Rechte gemäß § 927 ZPO, also auch auf das Recht, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zu beantragen. Aus den Begleitschreiben der beteiligten Anwälte ergab sich, dass dieser Verzicht „bis zum Ablauf des Schutzrechtes“ gelten sollte.
Tatsächlich wäre seinerzeit ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung angezeigt gewesen, da die Listung in der Lauer-Taxe keine nach dem Patentrecht relevante Benutzungshandlung darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, MIT 2006, 428). Die IFA GmbH nimmt keine der von §§ 9 Nr. 1-3 PatG erfassten Handlungen selbst vor. Die IFA GmbH bietet lediglich eine Plattform auf der die Generikaunternehmen ihre Präparate anbieten. Allein das Setzen einer adäquaten Ursache für Handlungen Dritter i. S. d. § 9 PatG löst keine eigene Täterschaft aus. Voraussetzung für eine Haftung als Störer wäre wiederum eine Verletzung von eigenen Prüfungspflichten, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung zuzumuten ist. Die IFA GmbH hat jedoch nicht die Aufgabe dafür zu sorgen, dass Arzneimittel ohne die Verletzung von Schutzrechten Dritter in den Verkehr gebracht werden. Vielmehr sind die Generikaunternehmen für die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit ihrer Neuausbietung verantwortlich. Die IFA GmbH ist dazu weder ausgerüstet, noch kompetent, Eintragungsanträge auf etwaige Schutzrechtsverletzungen zu überprüfen (vgl. BGH, 27.10.2011, I ZR 131/10 – DENIC und LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.09.2019, Az. 3-10 O 78/19).
Einige Zeit nach Abgabe der Abschlusserklärung erklärte das Bundespatentgericht das Verfügungspatent erstinstanzlich für nichtig. Die Patentinhaberin legte gegen das Urteil des Bundespatentgerichts Berufung zum Bundesgerichtshof ein, sodass eine rechtskräftige Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatentes nicht vorlag.
Die Antragsgegnerin des einstweiligen Verfügungsverfahrens erhob nach der erstinstanzlichen, nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts eine Klage auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Das Landgericht München I gab nach vorheriger Aussetzung der Vollziehung der Klage statt, insbesondere mit der Begründung, dass die Abschlusserklärung gemäß §§ 1, 19 GWB kartellrechtswidrig und damit unwirksam sei. Die Antragsgegnerin sei daher nicht daran gehindert, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zu beantragen.
Das Oberlandesgericht München hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Mit der Abschlusserklärung habe die Aufhebungsklägerin gerade darauf verzichtet, eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zu beantragen. Die Abschlusserklärung sei -insbesondere auch wegen der Begleitschreiben der beteiligten Rechtsanwälte – dahingehend auszulegen, dass dieser Verzicht gelte, solange das Streitpatent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei. Eine andere Auslegung würde nämlich den Gläubiger einer einstweiligen Verfügung trotz Abschlusserklärung schlechter stellen als denjenigen eines gleichlautenden rechtskräftigen Hauptsachetitels. Da das Verfügungspatent bislang nicht rechtskräftig vernichtet worden sei, sei die Klägerin wegen der Abschlusserklärung daran gehindert, einen Aufhebungsantrag zu stellen.
Die Abschlusserklärung sei zum Zeitpunkt der Abgabe im Jahr 2016 nicht kartellrechtswidrig gewesen und dementsprechend auch nicht unwirksam. Vereinbarungen über Schutzrechte seien kartellrechtswidrig – sofern sie nicht gesetzlich freigestellt seien -, wenn sie entweder eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirken würden. Das Oberlandesgericht München nahm hierzu Bezug auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Kartellsenat), abgedruckt z. B. in NZKart 2015, Seite 109 f. Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf war zu einer Abgrenzungsvereinbarung im Markenrecht ergangen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass eine (Abgrenzung-) Vereinbarung im Markenrecht kartellrechtsneutral sei, soweit sie lediglich die bestehenden Schutzrechte konkretisiere, weil die Regelungen des Marktverhaltens dann nicht auf der privatautonomen Vereinbarung, sondern auf dem Schutzinhalt der geregelten Schutzrechte beruhen würden. Hierbei sei es ausreichend, dass die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung einen ernsthaften, objektiv begründeten Anlass zu der Annahme hatten, dem begünstigten Vertragspartner stehe ein Anspruch auf Unterlassung des durch die Vereinbarung untersagten Marktverhaltens zu, sodass ernstlich damit zu rechnen gewesen sei, dass dem Betroffenen dieses Marktverhaltens gerichtlich untersagt worden wäre. Für die Frage, ob dies der Fall ist, komme es auf die Rechtslage am Tage des Abschlusses der Vereinbarung an (sh. dazu insbesondere BGH GRUR 2011, Seite 641 f. -Jette Joop).
In der vorliegenden Konstellation stellt sich jedoch die Frage, ob bei Abgabe der Abschlusserklärung für die IFA GmbH ein ernsthafter und objektiv begründeter Anlass zu der Annahme, dass der Unterlassungsanspruch aufgrund des Verfügungspatentes gemäß der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I, mangels eigener Verletzungshandlung, wirklich gegeben war.
In anderen Konstellationen als bei der IFA GmbH dürfte es grundsätzlich eher selten sein, dass eine Abschlusserklärung kartellrechtswidrig ist. Wenn nämlich ein Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt und damit das Bestehen eines Unterlassungsanspruches bejaht, dürften auch die Parteien den „ernsthaften und objektiv begründeten Anlass“ zu der Annahme haben, dass ein Unterlassungsanspruch aufgrund des Schutzrechtes gegeben ist. Etwas anderes kann aber z. B. gelten, wenn bei Abgabe der Abschlusserklärung in einer markenrechtlichen Sache dem Unterlassungsanspruch eine Einrede entgegenstand, insbesondere die Einrede der Nichtbenutzung. Dann nämlich war der Unterlassungsanspruch nicht durchsetzbar und auch in solchen Fällen ist zumindest eine Abgrenzungsvereinbarung im Markenrecht kartellrechtswidrig und damit unwirksam.