Wir trauern um unseren
langjährigen Kollegen und Freund
Jürgen Schneider
der nach kurzer schwerer Krankheit
völlig unerwartet von uns gegangen ist.
In tiefem Mitgefühl und mit größtem
Respekt nehmen wir Abschied von einem
wunderbaren Menschen.
In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof zum Verhältnis des Schutzes geographischer Herkunftsangaben als Kollektivmarken nach dem Markengesetz einerseits und dem Schutz geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen nach der Verordnung über Qualitätsregelung für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel andererseits (Verordnung Nr. 1151/2012, nachfolgend „VO 1151/2012“) entschieden (Az.: I ZR 163/19 vom 29. Juli 2021).
Hintergrund
Hintergrund war Folgender: Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (Klägerin) ist Inhaberin der deutschen Kollektivmarken “Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“, eingetragen für u. a. Fleisch. Eine Eintragung der Bezeichnungen als geschützte geographische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen auf Grundlage der VO 1151/2012 besteht nicht. Mitglieder der Klägerin können die Kennzeichen nutzen, sofern sie sich an die von ihr aufgestellten Erzeugerrichtlinien halten, welche Anforderungen an die Tierzucht, Tierhaltung, Fütterung und dergleichen vorsehen.
Die Beklagten, eine Landmetzgerei und ihr Geschäftsführer (nachfolgend: Beklagte), gehören nicht der Klägerin an. Die Beklagte warb für ihr Fleisch u.a. mit den Angaben “Hohenloher Landschwein“, „Hohenloher Weiderind“ sowie „Zartes Schweinefilet – Das ‚Beste vom Hohenloher Landschwein‘“.
Die Klägerin hat nach erfolgloser Abmahnung Klage eingereicht unter anderem mit dem Antrag, der Beklagten die Benutzung der Bezeichnungen „Hohenloher Weiderind“ und/oder „Hohenloher Landschwein“ für Fleisch zu untersagen.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hatte die Beklagte antragsgemäß verurteilt; der Bundesgerichtshof wies die Revision der Beklagten zurück.
Unterlassungsanspruch bejaht
Der BGH hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 97 (2) MarkenG i.V.m. § 14 (5) Satz 1, (2) Satz 1 Nr. 1 MarkenG bejaht. Die Beklagten haben die streitgegenständlichen Zeichen im geschäftlichen Verkehr für dieselben Waren benutzt, für die die Kollektivmarken Schutz genössen, ohne die in den Markensatzungen der Klägerin enthaltenen Bedingungen zu erfüllen oder selbst Mitglieder der Klägerin zu sein.
Die Beklagte konnte sich auch nicht mit Erfolg auf die Schutzschranke des § 100 (1) Satz 1 MarkenG berufen. Danach gewährt die Eintragung einer geographischen Herkunftsangabe als Kollektivmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, solche Angaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den guten Sitten entspricht und nicht gegen § 127 MarkenG verstößt. Insbesondere kann nach § 100 (1) Satz 2 MarkenG eine solche Marke einem Dritten, der zur Benutzung einer geographischen Bezeichnung berechtigt ist, nicht entgegengehalten werden.
Die Benutzung durch die Landmetzgerei widersprach nach Ansicht des Bundesgerichtshofs den „guten Sitten“ im Sinne von § 100 (1) Satz 1 MarkenG, also den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel. Zwar sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie beschreibende Begriffe für die Vermarktung ihrer Produkte verwenden dürften und die Klägerin die Auswahl geeigneter Bezeichnungen durch die Anmeldung einer Vielzahl von Kollektivmarken erschwere. Die Beklagten hätten aber die Zeichen in identischer Form genutzt, ohne den angesprochenen Verbraucher durch einen Hinweis zu verdeutlichen, dass ihre Produkte nicht von einem Mitglied der Klägerin stammten und deren Erzeugerrichtlinien nicht vollständig entsprechen. Der durch die gegenständlichen Kollektivmarken gewährte Schutz umfasse alle in § 97 MarkenG genannten rechtlich geschützten Funktionen (Gewährleistung der betrieblichen oder geographischen Herkunft, der Art, Qualität oder sonstigen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen). Die Kollektivmarken der Klägerin besäßen einen guten Ruf; diesen würden die Beklagten ausnutzen und sich den Sog der werbewirksamen Marke verkaufsfördernd zu Nutze machen.
Unterschiedliche Ausgestaltung des Schutzes geographischer Kollektivmarken und Schutz geographischer Bezeichnungen nach der VO 1151/2012
Der Bundesgerichtshof befand in dem Zusammenhang, dass die Anwendung von § 100 (1) MarkenG nicht durch die VO 1151/2012 ausgeschlossen sei. Dieses ergebe sich aus der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Schutz geographischer Kollektivmarken und dem Schutz geographischer Bezeichnungen nach der VO 1151/2012.
Die Bezeichnungen “Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ seien nach nationalem Recht als geographische Kollektivmarken geschützt. Gemäß § 99 MarkenG können Kollektivmarken auch ausschließlich aus Zeichen bestehen, dem Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der nationale Schutz von Kollektivmarken entspreche den Vorgaben der Richtlinie Nr. 2015/2436 (Markenrechtsrichtlinie).
Einen Antrag nach der VO 1151/2012 auf Eintragung der Bezeichnungen „Hohenlohe Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ hatte die Klägerin nicht gestellt. Entsprechend konnte sich die Klägerin nicht auf den in dieser Verordnung vorgesehenen Schutz berufen.
Der Bundesgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass Kollektivmarken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen dienen können, auf der einen Seite, und Ursprungsangaben und geographische Angaben auf der anderen Seite, nicht nur unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen, sondern auch verschiedene Ziele verfolgen.
Während die Hauptfunktion der (auch geographischen) Kollektivmarke darin liege, die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen des Verbands zu gewährleisten, bestehe die Hauptfunktion von Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben darin, die geographische Herkunft der Erzeugnisse und der darauf beruhenden spezifischen Eigenschaften zu garantieren.
Der Bundesgerichtshof verweist dabei auf Art. 14 der VO, welcher die Beziehungen zwischen Marken, Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben regelt. Danach können auch geographische Kollektivmarken, die vor dem Zeitpunkt der Einreichung eines Antrags auf Schutz einer entsprechenden Ursprungsbezeichnungen bei der Kommission eingetragen wurden, selbst dann weiterverwendet werden, wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Ursprungsbezeichnung oder geographische Angabe eingetragen wird und die Verwendung der Marke im Widerspruch zum Schutz dieser Ursprungsbezeichnungen oder geographischen Angaben nach Art. 13 (1) der VO 1151/2012 steht.
Der Schutz geographischer Kollektivmarken besteht daher grundsätzlich selbstständig neben dem Schutz geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen nach der VO 1151/2012.
Wir trauern um unseren
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