I. Einleitung
Mit Urteilen vom 05.11.2020, Az. 3 C 7.19 und 3 C 9.19, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass für die Ausübung der Tätigkeit einer für den Arzneimittelgroßhandel verantwortlichen Person gemäß § 52a AMG Pharmaziekenntnisse vergleichbar denen, die in einer pharmazeutischen (Berufs-) Ausbildung vermittelt werden, nicht erforderlich sind.
In beiden Fällen war die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Aufsichtsbehörde der Auffassung, dass die Bestellung eines Großhandelsbeauftragten erfordert, dass dieser die erforderlichen naturwissenschaftlichen pharmazeutischen Grundkenntnisse vorweisen kann.
In einem Fall ging es um die Düsseldorfer Niederlassung eines Großhändlers, der 2014 einen gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann als „verantwortliche Person“ gemeldet hatte, der seit Februar 2015 als Betriebsleiter tätig und schon mehrere andere Niederlassungen des Großhändlers geleitet hatte. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass ihre verantwortliche Person daher mit den Gegebenheiten und Anforderungen eines pharmazeutischen Großhandelsbetriebes aufgrund der beruflichen Tätigkeit und Erfahrung bestens vertraut ist, was die Aufsichtsbehörde nicht teilte.
Auch im Parallelverfahren eines Pharmaunternehmens, dessen konkrete Tätigkeit der verantwortlichen Person keine Arzneimittelprüfung umfasst und in deren konkreter Betriebsstätte es keine Lagerung, kein Umfüllen, kein Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln gibt, sich vielmehr die Tätigkeit des Großhandelsbeauftragten im Wesentlichen auf logistische Aufgaben und den Abgleich von Messergebnissen beschränkt, hatte die Bezirksregierung die Benennung der verantwortlichen Person abgelehnt mit der Begründung der erforderliche Sachkenntnisnachweis sei mangels Pharmaziekenntnissen nicht erbracht.
In beiden Fällen drohte die Aufsichtsbehörde das Ruhen der Großhandelsgenehmigung anzuordnen.
Erfreulich deutlich hat das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung der Düsseldorfer Bezirksregierung eine Absage erteilt und entschieden (Leitsatz):
„Erforderlich für die Tätigkeit einer verantwortlichen Person im Sinne des § 52 a Abs. 2 Nummer 3 AMG sind Sachkenntnisse im Umgang mit den Arzneimitteln, die Gegenstand der Großhandelserlaubnis sind. Die Kenntnisse können durch praktische Erfahrungen gewonnen werden, insbesondere durch Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht einer verantwortlichen Person in deren Aufgabenbereich. Pharmaziekenntnisse vergleichbar denen, die in einer pharmazeutischen (Berufs-) Ausbildung vermittelt werden, sind nicht erforderlich.“
Diese positive rechtskräftige Entscheidung in III. Instanz ist für alle Inhaber eines Großhandelserlaubnis von entscheidender Bedeutung.[2]
II. Entscheidungsgründe
Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst festgestellt (Rz. 14 ff.), dass die normativen Vorgaben für die Qualifikation der verantwortlichen Person weder eine pharmazeutische Ausbildung, noch vergleichbare pharmazeutische Kenntnisse verlangen.
Ausweislich § 52 a Abs. 2 Nr. 3 AMG muss der Inhaber einer Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln eine verantwortliche Person benennen, die die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Sachkenntnisse besitzt, wobei nähere Angaben zu Art, Umfang oder Nachweis der vorausgesetzten Kenntnisse im Arzneimittelgesetz nicht enthalten sind.
Auch die unionsrechtlichen Bestimmungen enthalten keine inhaltlichen Vorgaben zu der erforderlichen Sachkenntnis. Die in Nummer 2.2 der GDP-Leitlinie geäußerte Wunschvorstellung hinsichtlich eines Hochschulabschlusses in Pharmazie für die vom Großhändler benannte verantwortliche Person hat der Gesetzgeber des AMG nicht aufgegriffen, anders als in den Vorschriften über die Sachkenntnis der für die Erteilung einer Herstellungserlaubnis zu benennenden sachkundigen Person gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AMG. Hierzu hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass diese Vorgaben aus § 15 AMG nicht in entsprechender Anwendung für die Sachkenntnis der für den Großhandel verantwortlichen Person herangezogen werden können.
Diese Anforderung kann auch nicht im Wege der Auslegung in das Gesetz hineingelesen werden, weder aus dem Vergleich zu den Vorschriften des Pharmaberaters, noch in Anbetracht der sonst im Arzneimittel- oder Apothekengesetz anzutreffenden Regelungen oder der in Nummer 2.2 der GDP-Leitlinie verankerten Wunschvorstellung. Vielmehr spricht der Hinweis in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/2109, Seite 34), die erforderliche Qualifikation könne durch berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung gewonnen werden, für ein bewusstes Absehen des Gesetzgebers von der Vorgabe einer pharmazeutischen Ausbildung oder entsprechender pharmazeutischer Kenntnisse.
Deutlich hat das Bundesverwaltungsgericht sodann herausgearbeitet, dass daher anhand des konkreten Aufgaben- und Verantwortungsbereichs bestimmt werden muss, welche Sachkenntnis zur Ausübung der konkreten Tätigkeit erforderlich ist. Bezugspunkt hierfür ist die Tätigkeit der verantwortlichen Person in der von der Großhandelserlaubnis erfassten Betriebsstätte.
Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht weiter herausgestellt, dass die erforderliche Sachkenntnis an den in der Betriebsstätte vertriebenen Arzneimitteln sowie Art und Umfang des dortigen Großhandels ausgerichtet sein muss und dies gerade im Hinblick auf die notwendigen pharmazeutischen Kenntnisse auf der Hand liegt. So liegt es auf der Hand, dass wenn in Betriebsstätten mit beispielsweise kühlpflichtigen Arzneimitteln, Blutprodukten oder anderen sensiblen Arzneimitteln gehandelt wird, für die aus Gründen der Arzneimittelsicherheit besondere Vorkehrungen und Überwachungsschritte erforderlich sind, hierfür auch bestimmte Pharmaziekenntnisse erforderlich sein können.
Die verantwortliche Person muss daher über diejenigen Kenntnisse verfügen, die sie in die Lage versetzt, die ihr zugewiesene Verantwortung zu tragen.
Nicht erforderlich ist hingegen, auch wenn die verantwortliche Person Entscheidungen zu verantworten hat, die spezifische pharmazeutische Kenntnisse voraussetzen können, dass die verantwortliche Person selbst pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Risikoanalysen durchführen kann. Hier sind vielmehr die im Arzneimittel-Großhandel auftretenden pharmazeutischen Fragen regelmäßig und jedenfalls in den hier konkret vorliegenden Fällen des Großhandels mit Fertigarzneimitteln – durch standardisierte Verfahrensabläufe des Qualitätssicherungssystems vorgezeichnet.
Der verantwortlichen Person obliegt daher primär die Sicherstellung der Implementierung und Aufrechterhaltung eines Qualitätssicherungssystems sowie die Koordination und Dokumentation der wesentlichen Ablaufschritte. Maßgebliche Prüfungspunkte sind danach in der Praxis die Kontrolle auf Beschädigungen sowie der Nachvollzug der vom Rücksender vorgelegten Dokumentation zu Lagerung und Transport, während die Beantwortung produktbezogener pharmazeutischer Fragen dem Arzneimittelhersteller obliegt.
Für die Tätigkeit einer verantwortlichen Person i. S. d. § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG sind daher Sachkenntnisse im Umgang mit den Arzneimitteln erforderlich, die Gegenstand der Großhandelserlaubnis sind. Diese Kenntnisse können durch praktische Erfahrungen gewonnen werden, insbesondere durch Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht einer verantwortlichen Person in deren Aufgabenbereich. Pharmaziekenntnisse vergleichbar denen, die in einer pharmazeutischen Berufsausbildung vermittelt werden, sind nicht erforderlich. Pharmazeutische Kenntnisse können aber verlangt werden, soweit sie für die konkreten benannten Tätigkeiten im Umgang mit bestimmten Arzneimitteln erforderlich sind.
In den vorliegenden Fällen reichten die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil für eine abschließende Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht aus, weshalb beide Verfahren an die Berufungsinstanz zurückverwiesen wurden.
III. Die beiden Urteile vom 11.2020 sind somit nicht nur für die beiden klagenden Firmen von Bedeutung, sondern für alle Großhändler und Pharmafirmen, die über eine Großhandelserlaubnis verfügen.
[1] https://www.bverwg.de/051120U3C9.19.0; https://www.bverwg.de/051120U3C7.19.0
[2] https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/grosshaendler-atmen-auf-kein-stex-noetig/