Die §§ 17 bis 19 UWG, in denen das Recht der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (im Folgenden verzichten wir auch im Hinblick auf die Rechtslage nach dem UWG im Sinne der Einheitlichkeit auf den Begriff „Betriebsgeheimnisses“) bislang geregelt war, sind seitdem außer Kraft. Das GeschGehG sieht weder Übergangsfristen noch -regelungen vor. In diesem Beitrag befassen wir uns mit dem Schicksal des Unterlassungsanspruchs. In weiteren Beiträgen werden wir auf Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie die strafrechtliche Beurteilung eingehen. Die Thematik ist komplex, der Beitrag kann daher nur erste Anregungen geben und eine wissenschaftliche Aufarbeitung nicht ersetzen.
Eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nach § 17 UWG begründete bislang einen auf die §§ 3, 8 UWG bzw. auf allgemeine zivilrechtliche Vorschriften zu stützenden Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch. Darüber hinaus entstanden Auskunfts- und Schadensersatzansprüche. Das Schicksal dieser Ansprüche ist nach dem Inkrafttreten des GeschGehG ungeregelt.
Der Unterlassungsanspruch ist zukunftsgerichtet. Für die Zukunft kann er nicht durch Erfüllung erlöschen, sondern nur durch Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Wesentliche Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist sowohl nach altem wie auch nach neuem Recht das Bestehen einer Wiederholungs- oder zumindest Erstbegehungsgefahr.
Allerdings sind die Begriffe der Wiederholungs- und der Erstbegehungsgefahr als solche inhaltsleer. Entscheidend ist ihr Bezugsobjekt, also die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses.
Die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses wiederum ist in § 4 GeschGehG teilweise anders definiert als noch in § 17 UWG. So ist beispielsweise nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2 GeschGehG die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses schon dann untersagt, wenn sie auf einem sonstigen Verhalten beruht, das nach den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten entspricht. Dieser Erlangungstatbestand ist umfassender als der vormalige § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG, der ein Verbot nur vorsah für die Erlangung durch a) Anwendung technischer Mittel, b) Herstellung einer verkörperten Wiedergabe und c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist. Darüber hinaus ist nunmehr nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG auch die Verletzung einer vertraglichen Beschränkung der Nutzung eines in zulässiger Weise zur Kenntnis gelangten Geschäftsgeheimnisses in den Rang einer Geschäftsgeheimnisverletzung erhoben worden. Die Verletzung einer solchen Nutzungsbeschränkung ist sogar strafbar, wenn es sich bei dem Geschäftsgeheimnis um eine anvertraute geheime Vorlage oder Vorschrift technischer Art handelt.
Unterschiede ergeben sich zudem aus Abweichungen bei der Definition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG selbst. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vorrangig die nach dem Gesetz neuerdings erforderlichen den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen, die seit einiger Zeit heiß diskutiert werden. Auch in weiteren Details, die hier keine entscheidende Rolle spielen, ist die Definition des § 2 Nr. 1 GeschGehG nicht gänzlich deckungsgleich mit der durch den BGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Definition des Geschäftsgeheimnisses.
Das Außerkrafttreten der §§ 17 bis 19 UWG hat nicht die Wirkung einer Generalamnestie für Altfälle. Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass an dem durch die §§ 17 bis 19 UWG vermittelten Schutz im Grundsatz nicht gerüttelt werden sollte, sondern dass aufgrund der Vorgaben der Geschäftsgeheimnis-RL (EU) 2016/943 eine ergänzende zivilrechtliche Umsetzung der Bestimmungen notwendig wurde. Vor dem Hintergrund der darin zum Ausdruck kommenden Kontinuität bestehen gegen eine Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen des GeschGehG auf Altfälle keine Bedenken.
Für die Tenorierung des Unterlassungsanspruchs kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an. Daraus lässt sich als generelle Regel ableiten, dass der Unterlassungsanspruch auch für Altfälle nunmehr an § 6 GeschGehG zu messen ist. Dieser setzt voraus, dass eine Rechtsverletzung im Sinne des GeschGehG erstmals oder wiederholt droht. Ob eine Rechtsverletzung vorliegt oder nicht, ist wiederum nach § 4 GeschGehG zu beurteilen, der sich auf in § 2 Nr. 1 GeschGehG definierte Geschäftsgeheimnisse bezieht. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist der Anwendung des § 6 GeschGehG dort eine Grenze gesetzt, wo ein nach altem Recht nicht als Geschäftsgeheimnisverletzung zu beurteilendes Verhalten nunmehr verboten wäre. Dies betrifft beispielsweise die oben angesprochene Fallkonstellation des § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG, also die Verletzung einer vertraglichen Nutzungsbeschränkung. Etwas anderes gilt, wenn aufgrund einer neuen Handlung des Verletzers nach dem 26. April 2019 nun erstmalig die Voraussetzungen der §§ 4, 2 Nr. 1 GeschGehG verwirklicht sind. Denkbar sind z.B. Fälle, in denen der Täter oder ein bösgläubiger Dritter gemäß § 4 Abs. 3 GeschGehG unter (erneuter) Verletzung einer vertraglichen Nutzungsbeschränkung das Geschäftsgeheimnis für ein anderes rechtsverletzendes Produkt nutzt.
Hieraus ergibt sich Folgendes: Die Tenorierung eines Unterlassungsanspruchs in Altfällen setzt voraus, dass das geltend gemachte Geschäftsgeheimnis die nunmehr bestehenden Anforderungen des § 2 Nr. 1 GeschGehG im für die Entscheidung relevanten Zeitpunkt erfüllt. Es muss sich also bei Schluss der mündlichen Verhandlung um eine nicht offenkundige Information handeln, die aufgrund ihres Geheimnischarakters von wirtschaftlichem Wert ist. Die Information muss ferner angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen unterliegen, und es muss ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehen. Auf die Einzelheiten dieser Voraussetzungen werden wir in zukünftigen Beiträgen genauer eingehen.
Haben diese Voraussetzungen der §§ 4, 2 GeschGehG bereits zum Tatzeitpunkt vorgelegen, dürfte trotz der Umgestaltung der gesetzlichen Regelungen Wiederholungsgefahr im Sinne des § 6 GeschGehG anzunehmen sein.
Komplizierter wird die Sache, wenn die Verletzungshandlung zum Tatzeitpunkt einen Verstoß nach § 17 UWG darstellte, die nunmehr geltenden Voraussetzungen der §§ 4, 2 GeschGehG noch nicht vorlagen, diese aber zwischenzeitlich geschaffen wurden. Diese Fallkonstellation dürfte in der Praxis äußerst relevant werden. Insbesondere erfasst sie alle Fälle, in denen Unternehmen (erst) nach dem Verletzungsfall mit Rücksicht auf die sich abzeichnende oder in Kraft getretene Rechtsänderung angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen implementiert haben. Hinzu kommen unter anderem die Fälle, in denen das geschädigte Unternehmen die Umsetzung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen für den Zeitpunkt des Altfalls beispielsweise aufgrund mangelhafter Dokumentation (nur) nicht nachweisen kann.
In dieser Fallkonstellation erscheint es als angemessen, unabhängig von der Änderung der Definition des Geschäftsgeheimnisses Kontinuität von Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr anzunehmen, wenn – was die Regel sein wird – die Verletzungshandlung als solche auch nach § 4 GeschGehG untersagt ist. Dafür spricht zum einen generell, dass mit dem GeschGehG keine grundsätzliche Neuregelung des Rechts des Geschäftsgeheimnisschutzes beabsichtigt war, sondern eine Anpassung an die Erfordernisse der Richtlinie. Zum anderen tritt mit der Aufrechterhaltung des Geschäftsgeheimnisschutzes durch Überprüfung und Anpassung der erforderlichen Schutzmaßnahmen keine Zäsur ein, die eine Neubeurteilung der Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr rechtfertigen würde. Der Unterlassungsanspruch des § 6 GeschGehG richtet sich allgemein gegen den Rechtsverletzer. Er unterscheidet dabei weder nach den Begehungsvarianten des § 4 GeschGehG noch danach, nach welchem konkreten Tatbestand des § 17 UWG der nach neuem Recht als Verletzer zu beurteilende Täter schon nach altem Recht als Verletzer zu beurteilen war. Daher besteht in Fällen, die sowohl nach altem als auch nach neuem Recht als Verletzung anzusehen sind, kein Anlass, die Frage der Wiederholungs- und/oder Erstbegehungsgefahr neu aufzuwerfen. Anderenfalls würden die berechtigten Interessen des Geheimnisinhabers im Falle einer schon vor Inkrafttreten des GeschGehG begangenen Verletzung nicht angemessen berücksichtigt.
Ähnliche Schwierigkeiten werfen Fälle auf, in denen ein unter den §§ 17 bis 19 UWG unzulässiges Verhalten aufgrund der Gesetzesänderung als zulässig erscheint, ohne dass dies mit der geänderten Definition des Geschäftsgeheimnisses zusammenhängt. Zu denken ist dabei beispielsweise an Fallgestaltungen, in denen der Verletzer vor Inkrafttreten des GeschGehG ein Geschäftsgeheimnis mit Hilfe des in Deutschland überwiegend als unzulässig angesehenen Reverse Engineering erlangt hat. Reverse Engineering ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG nunmehr grundsätzlich zulässig. Dass die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unter diesen Umständen nicht mehr untersagt werden kann, der hierauf bezogene Unterlassungsanspruch also weggefallen ist, liegt auf der Hand. Wie es mit der Nutzung und Offenlegung des ehemals rechtswidrig erlangten Geheimnisses aussieht, ist hingegen eine ganz andere Frage. Soweit bezogen auf diese Begehungsformen (nach altem Recht am ehesten: „Verwerten“ und „Mitteilen“) Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr anzunehmen war, dürften diese nicht ohne Weiteres dadurch entfallen, dass die Erlangung des Geheimnisses durch Reverse Engineering heutzutage rechtmäßig wäre.
Das GeschGehG enthält keine Regelung, nach der ein durch Reverse Engineering erlangtes Geschäftsgeheimnis genutzt und offenbart werden darf. Nach § 3 Abs. 2 GeschGehG sind Nutzung und Offenbarung nur erlaubt, wenn dies durch Gesetz, aufgrund eines Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft gestattet ist. Ob sich daneben eine Befugnis insbesondere zur Offenlegung dadurch ergeben kann, dass der das Geschäftsgeheimnis mittels Reverse Engineering Erlangende neben dem ursprünglichen Inhaber des Geheimnisses ebenfalls zum Inhaber wird, ist nicht so klar, wie es erscheinen mag. Auch dieser Punkt bedarf gesonderter Untersuchung.
Jedenfalls gibt das GeschGehG keinen Anhaltspunkt dafür, dass derjenige der unter der Geltung der §§ 17 bis 19 UWG durch unzulässiges Reverse Engineering in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, nunmehr als berechtigter Inhaber des Geschäftsgeheimnisses anzusehen ist. Welche Rechte aus einer solchen Inhaberposition fließen können, ist daher für die Zwecke dieser Betrachtung nicht entscheidend.
Unterlassungsansprüche wegen Geschäftsgeheimnisverletzungen, die nach den §§ 17 bis 19 UWG begründet waren, bestehen fort, soweit die Schutzvoraussetzungen des GeschGehG erfüllt sind und die betroffene Verletzungshandlung nach wie vor verboten ist. Soweit Wiederholungsgefahr bestand, wird diese durch die Rechtsänderung nicht infrage gestellt.