Dies beginnt bereits damit, dass im gewerblichen Rechtsschutz zwar umfangreiche Auskunftsansprüche des Rechtsinhabers gegen den Verletzer gewährt werden. Allerdings gibt es keine Regelung dazu, wie der Rechtsinhaber mit den einmal gewährten Auskünften umzugehen hat. Es gibt also keine Verwendungsbegrenzung der erteilten Auskünfte. Gedacht ist die Auskunftspflicht alleine zu dem Zweck, den Schaden berechnen zu können. Tatsächlich kann der Auskunftsempfänger diese Informationen über Kunden, Gestehungskosten, Lieferantenketten etc. seines Wettbewerbers auch für jegliche andere Zwecke verwenden (missbrauchen), beispielsweise auch um dem Wettbewerber mit diesen Informationen Wettbewerb zu bieten oder seine Kunden abzuwerben. Bislang hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, eine Begrenzung der Verwendungsmöglichkeiten vorzusehen. Während überall der Datenschutz groß geschrieben wird, Verwendungsbeschränkungen und Löschungspflichten bestehen, wird an dieser sensiblen Stelle ein großes Datenleck vom Gesetzgeber eröffnet.
Nicht weniger schwierig ist der Umgang mit technischen oder kaufmännischen Geheimnissen während des Gerichtsverfahrens. Zwar gibt es rudimentäre Regelungen im § 172 GVG, die den Ausschluss der Öffentlichkeit in der mündlichen Verhandlung sowie die Beschränkung der Akteneinsicht durch Dritte regeln. Gleichwohl sind diese Regelungen nicht geeignet, einen Geheimnisschutz sowie Verwendungsbeschränkungen gerade auch gegenüber dem Prozessgegner zu ermöglichen.
Im GeschGehG hat der Gesetzgeber gestützt auf die Richtlinie erstmals den Gerichten die Möglichkeit eröffnet, vernünftige und effiziente Geheimhaltungsmaßnahmen anzuordnen. So können Informationen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden und diese Informationen dürfen nicht außerhalb des Verfahrens benutzt oder gegenüber Dritten offengelegt werden. Ferner kann das Gericht auch den Zugang von Prozessbeteiligten zu solchen Geheimnissen beschränken.
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber diese Normen (ohne Not) in ihrem Anwendungsbereich auf Verfahren nach dem GeschGehG beschränkt. Gerade in Patentstreitsachen (und sicher auch in vielen anderen Fällen) sind diese Regelungen daher (bis auf weiteres) nicht unmittelbar anwendbar. Zwar sieht der Diskussionsentwurf des 2. Patentrechtsmodernisierungsgesetzes (neuer § 145 a) vor, dass die §§ 16 ff. des GeschGehG in Patentstreitsachen entsprechend angewendet werden sollen. Bis zu seinem Inkrafttreten gibt es aber weiterhin keine angemessenen gesetzlichen Regeln über den Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen.
In der Praxis sind Prozessparteien in den letzten Jahren vielfach so vorgegangen, dass zwischen den Parteien prozessbegleitende Geheimhaltungsvereinbarungen abgeschlossen wurden. Der offensichtliche Nachteil einer solchen Lösung liegt darin, dass diese nur freiwillig möglich ist und sie in der Praxis nicht funktioniert, wenn eine Partei unvernünftige Bedingungen verlangt oder die andere sich angemessenen Geheimhaltungsbedingungen nicht unterwerfen will.
In manchen Fällen ist es dazu gekommen, dass mangels einer solchen prozessbegleitenden Geheimhaltungsvereinbarung eine Partei dem Gericht geheimhaltungsbedürftige Schriftstücke übergeben hat, während der anderen Partei nur geschwärzte Versionen übergeben wurden. Dass dieser Weg mit dem Recht auf ein faires Verfahren und dem rechtlichen Gehör nicht vereinbar ist, liegt auf der Hand.
Bestätigt wurde dies nun in einer jüngst verkündeten Entscheidung des BGH vom 14. Januar 2020 – X ZR 33/19 -Akteneinsicht XXIV. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem eine Partei dem Gericht vollständige, der anderen Partei aber nur geschwärzte Unterlagen übergeben hatte. Der BGH hielt dieses Vorgehen für unzulässig. Die Einreichung von Unterlagen ist eine Prozesshandlung, die grundsätzlich bedingungsfeindlich ist. Die Einreichung von Anlagen konnte also nicht in der Weise geschehen, dass dem Prozessgegner der Zugang zu einer Abschrift nur unter der Bedingung des Abschlusses einer bestimmten Geheimhaltungsvereinbarung gewährt wurde. Der BGH stellte fest, dass solche bedingt eingereichten Unterlagen nicht Akteninhalt werden und daher das Gericht seine Entscheidung darauf nicht stützen kann.
Vom Beschluss nicht weiter erörtert wurde die naheliegende Frage, ob das Gericht diese Unterlagen auch nicht zur Kenntnis nehmen darf und sie unverzüglich zurückgeben/vernichten muss. Denn das faire Verfahren und das rechtliche Gehör verlangen nicht nur, dass diese Unterlagen formal nicht Aktenbestandteil sind/werden. Der anderen Partei ist beim Anspruch auf ein faires Verfahren wenig geholfen, wenn diese Unterlagen gleichwohl vom Gericht gelesen werden und in einem Sonderheft neben der Gerichtsakte physisch vorhanden und gegebenenfalls Beratungsgegenstand sind.
Diese Konstellation belegt also die dringliche Notwendigkeit von vernünftigen gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit Geheimnissen im Zivilprozess, damit solche Fragen überhaupt nicht erst aufkommen..