Am 27.02.2025 hat der EuGH sein lange erwartetes Urteil in der Rechtssache C-517/23 – Doc Morris ./. Apothekerkammer Nordrhein veröffentlicht und damit auf drei Vorlagefragen des BGH (vom 13.07.2023 – I ZR 182/22) geantwortet.
Der BGH wollte wissen, ob Werbung für das Gesamtsortiment an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einer Apotheke überhaupt dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG, dem sog. Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel, unterfällt.
Im Gegensatz zum Generalanwalt differenziert der EuGH. Der Gemeinschaftskodex gelte nur für Aktionen, die darauf abzielten, die ärztliche Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Werde das Gesamtsortiment an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einer Apotheke mit Preisnachlässen oder Zahlungen sonstiger Art beworben, fördere dies nicht den Verbrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Habe der Kunde nämlich ein Rezept erhalten, bleibe ihm nur noch die Entscheidung für die Apotheke, bei der er es beziehe. Eine solche Werbung unterfalle nicht den Regelungen des Gemeinschaftskodexes – und sei deshalb auch nicht mit Blick auf dieses Regelungswerk unzulässig.
Allerdings könnten auf Grundlage anderer unionsrechtlicher Bestimmungen Werbeaktionen, die sich auf das Gesamtsortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel bezögen, durchaus unzulässig sein, dann nämlich, wenn die Höhe des Preisnachlasses bzw. der sonstigen Zahlung nicht im Vorhinein bestimmbar sei, da eine solche Werbung die Gefahr böte, dass die Verbraucher die Höhe der Prämie überschätzten. Ein nationales Verbot solcher Werbemaßnahmen sei insoweit aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt.
Werbeaktionen, bei denen für den Bezug eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ein Gutschein für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel oder sonstiger Gesundheits- und Pflegeprodukte ausgelobt werde, dürften ebenfalls als unzulässig eingestuft werden. Auf derartige Werbeaktionen sei der Gemeinschaftskodex anwendbar, da die Gutscheinwerbung geeignet sei, den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu fördern. Da sich die Verbraucher frei entscheiden könnten, ob sie den erlangten Gutschein für den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel oder anderer Produkte wie Gesundheits- und Pflegeprodukte einsetzten, stellten Gutscheine nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel den Gesundheits- und Pflegeprodukten gleich und lenkten den Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage ab, ob die Einnahme dieser Arzneimittel wirklich erforderlich sei. Daher könne eine solche Werbung durch das nationale Recht – in Deutschland konkret durch § 7 HWG – verboten werden.
Mit der letztgenannten Feststellung nimmt der EuGH erfreulicherweise eine andere Position ein als Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 24.10.2024. Denn der Generalanwalt vertrat die Auffassung, dass auch Werbung in Form eines Barrabatts, eines Gutscheins oder eine prozentuale Ermäßigung für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte wie nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel oder nicht verschreibungspflichtige Gesundheits- oder Schönheitsprodukte keine „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 darstelle.