Mit Urteil vom 17. Dezember 2020 hat der Europäische Gerichtshof über ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs über den Zeitpunkt der Beurteilung des Zeitraums von 5 Jahren zwecks Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke entschieden (C-607/19).
Der Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens war Folgender:
Gemäß Art. 51 (1) lit. a) VO Nr. 207/2009 (nunmehr Art. 58 (1) lit. a) VO Nr. 2017/1001, UMV) wird eine Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von 5 Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für diese eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; der Verfall der Rechte des Inhabers kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende des Zeitraums und vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist; wird die Benutzung jedoch innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von 5 Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage begonnen oder wieder aufgenommen, so bleibt sie unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass der Antrag gestellt oder die Widerklage erhoben werden könnte.
Gemäß § 25 (2) Satz 1 MarkenG ist bei einer Einrede des Verfalls in einem Klageverfahren für die Berechnung der 5-jährigen Benutzungsfrist auf die Klageerhebung abzustellen. Endet gemäß § 25 (2) Satz 2 MarkenG der 5-jährige Zeitraum der Nichtbenutzung nach Erhebung der Klage, hat der Kläger auf Einrede des Beklagten nachzuweisen, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ernsthaft benutzt worden ist.
§ 55 (3) Satz 2 MarkenG sieht für den Fall der Klageerhebung durch den Inhaber einer eingetragenen Marke mit einem älteren Zeitrang vor, dass auf Einrede des Beklagten für die Frage der Nichtbenutzung der Zeitraum von fünf Jahren ausgehend vom Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist.
Der Ausgangsrechtsstreit war Folgender:
Das Unternehmen Husqvarna stellt Geräte für die Garten- und Landschaftspflege her. Sie ist Inhaberin der nachfolgenden, am 26.01.2000 für „Bewässerungsspritzen“ eingetragenen dreidimensionalen Unionsmarke (Nr. 000456244). (Bild im Newsletter enthalten)
Lidl bot zwischen Juli 2014 bis 2015 ein Spiralschlauch-Set an, dass u. a. aus hochgradig ähnlichen Spritzen für Gartenschläuche bestand.
Husqvarna reichte vor dem Hintergrund im Jahr 2015 Verletzungsklage gegen Lidl beim Landgericht Düsseldorf u. a. auf Unterlassung und Schadensersatz ein. Lidl beantragte widerklagend im September 2015 die Erklärung des Verfalls der Unionsmarke von Husqvarna wegen Nichtbenutzung. Die von der Marke geschützten Produkte waren ab Mai 2012 nicht mehr vertrieben worden.
Das LG Düsseldorf gab den Anträgen von Husqvarna statt und wies die von Lidl erhobene Widerklage ab. Auf Berufung von Lidl hob das OLG Düsseldorf das Urteil des LG Düsseldorf auf und erklärte die Unionsmarke von Husqvarna ab dem 31. Mai 2017 für verfallen. Das OLG Düsseldorf vertrat die Auffassung, dass für die Berechnung des ununterbrochenen Zeitraums der Nichtbenutzung nicht der Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage im September 2015, sondern der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2017 maßgeblich sei. Die von der Marke geschützten Waren seien ab Mai 2012 nicht mehr vertrieben worden, woraus zu schließen sei, dass der in Art. 51 (1 lit. a) VO Nr. 207/2009UMV (= Art. 58 (1) lit. a) UMV) vorgesehene ununterbrochene Zeitraum von 5 Jahren zwar noch nicht zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage auf Erklärung des Verfalls abgelaufen gewesen sei, wohl aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Husqvarna legte Revision beim BGH ein, welcher dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung stellte (nachfolgend abgekürzt und zusammengefasst):
Ist im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke, die vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhoben worden ist, die Festlegung des Zeitpunkts, der für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums maßgeblich ist, von den Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie der Unionsmarkenverordnung erfasst?
Bejahendenfalls: Ist bei der Berechnung des Zeitraums der 5-jährigen Nichtbenutzung gemäß Art. 51 (1) lit. a) VO Nr. 207/2009 (= Art. 58 (1) lit. a) UMV) im Falle einer vor Ablauf des Zeitraums der 5-jährigen Nichtbenutzung erhobenen Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage oder den der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen?
Der Bundesgerichtshof vertrat in seiner Vorlage die Auffassung, dass für die Berechnung des Ablaufs der Frist von 5 Jahren auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht abzustellen sei. Es handele sich um eine verfahrensrechtliche Frage, und mangels Klarstellung in den jeweiligen Verordnungen zur Gemeinschaft- bzw. Unionsmarke falle sie unter nationales Recht.
Dem hat der Europäische Gerichtshof unter Hinweis u. a. auf Art. 55 (1) VO 207/2009 (= Art. 62 (1) UMV) eine Absage erteilt. Eine Auslegung dieser Vorschrift wie von dem Bundesgerichtshof vorgenommen laufe den in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen des Verfalls zuwider. Nach Art. 55 (1) VO 207/2009 gelten die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen der Unionsmarke in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, als von dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Erhebung der Widerklage an nicht eingetreten.
Eine Beurteilung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung würde dazu führen, dass der Verfall ab einem Zeitpunkt während des Verfahrens wirksam wird, zu dem die in Art. 51 (1) lit. a) VO Nr. 207/2009 genannten Voraussetzungen erfüllt werden, obwohl diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage nicht erfüllt waren.
Die Wirkungen des Verfalls können zwar nach Art. 55 (1) Satz 2 VO Nr. 207/2009 ausnahmsweise auf einen Zeitpunkt vor der Widerklage verlegt werden; eine solche Möglichkeit sieht dieser Artikel jedoch nicht für einen Zeitpunkt nach der Erhebung der Widerklage vor.
Des Weiteren dürfe die Begründetheit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke wegen Nichtbenutzung über einen Zeitraum von 5 Jahren nicht von der Dauer eines nationalen Verfahrens abhängen.
Nach alledem hält der Europäische Gerichtshof fest, dass im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke für die Feststellung, ob der ununterbrochene Zeitraum von 5 Jahren abgelaufen ist, auf den Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage abzustellen ist.