1. Der BGH hatte die Frage zu beantworten, ob die Werbung einer bayerischen Brauerei für ihre Bierspezialitäten auf ihrer Webseite mit der Aussage, das beworbene Bier sei „Bekömmlich, süffig – aber nicht schwer“ bzw. „erfrischend bekömmlich“ zulässig ist. Hiergegen klagte ein Berliner Verbraucherschutzverband. Der BGH bestätigte mit Urteil vom 17.05.2018 die Entscheidungen der Vorinstanzen, wonach die angegriffene Werbeaussagen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2016 (Health-Claims-Verordnung) darstellten und somit in der Werbung eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3a UWG (Rechtsbruch) vorliege (vgl. Tz. 13 ff.).
2. Gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Health-Claims-Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine „gesundheitsbezogenen Angaben“ „tragen“.
Der BGH stellt zunächst fest, dass die von der Brauerei beworbenen Biersorten die beanstandeten Angaben im Sinne dieser Vorschrift „tragen“. Unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 06.09.2012 „Deutsches Weintor“ (Az.: C-544/10; GRUR 2012, 1161) führt der BGH aus, dass Getränke als Flüssigkeiten eine Angabe nicht in dem Sinne „tragen“ könnten, dass sie körperlich mit einer Angabe verbunden seien. Daher sei die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass Getränke eine Angabe „tragen“, wenn die Behältnisse, in denen sie sich befinden, mit einer Angabe versehen seien, die sich erkennbar auf die Getränke beziehe. Hiervon seien insbesondere Etiketten oder Halsschleifen umfasst (vgl. Tz. 23).
3. Der BGH legt den Begriff „tragen“ jedoch noch weiter aus und sieht nicht nur am Produkt mittels Etiketten oder Halsschleifen angebrachte Angaben hiervon umfasst, sondern auch entsprechende Werbeaussagen im Internet für Produkte (vgl. Tz. 26 ff.).
Der BGH begründet dies mit Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 der Health-Claims-Verordnung, wonach der Anwendungsbereich der Verordnung nicht nur für Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eröffnet ist, sondern auch bei Angaben in der Werbung für Lebensmittel. Unter Verweis auf das Ziel der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, sieht der BGH keine Anhaltspunkte dafür, den Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Health-Claims-Verordnung nur auf gesundheitsbezogene Angaben auf den Behältnissen von alkoholischen Getränken zu beschränken.
4. Der BGH stellt weiter fest, dass es sich bei dem Begriff „bekömmlich“ um eine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Health-Claims-Verordnung handelt (vgl. Tz. 32 ff.). Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung ist eine „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.
5. Der BGH legt den Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ in Anlehnung an die Entscheidung des EuGH „Deutsches Weintor“ ebenfalls weit aus. Danach liege, so der BGH, eine „gesundheitsbezogene Angabe“ auch dann vor, wenn mit der Angabe zum Ausdruck gebracht werde, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr der Lebensmittel einhergehen, fehlten oder geringer ausfielen. Hierbei seien nicht nur die Auswirkungen eines einmaligen Verzehrs einer bestimmten Menge eines Lebensmittels zu berücksichtigen, sondern auch die Auswirkungen eines wiederholten, regelmäßigen oder sogar häufigen Verzehrs des Lebensmittels (vgl. Tz. 34).
6. Der BGH verwirft vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung „Deutsches Weintor“ ausdrücklich seine in früheren Entscheidungen geäußerte Auffassung, wonach „bekömmlich“ nicht gesundheitsbezogen sei, wenn damit lediglich zum Ausdruck gebracht werde, dass das Produkt den Körper und dessen Funktionen nicht belaste oder beeinträchtige, und somit nicht zum Ausdruck gebracht werde, dass dem Produkt eine die Gesundheit fördernde Funktion zukomme (vgl. Tz. 36).
Im zu entscheidenden Fall, so der BGH weiter, werde der Begriff „bekömmlich“ vom angesprochenen Verbraucherkreis als „gut oder leicht verdaulich“ verstanden (vgl. Tz. 53).
7. Die beklagte Brauerei hatte eingewandt, dass der Begriff „bekömmlich“ ein in der Deutschen Brauwirtschaft traditionell verwendete Beschreibung für Bier sei. Dies überzeugte den BGH jedoch nicht. Er führt hierzu aus, dass der Begriff „Bier“ als Kategorie alkoholischer Getränke keine gesundheitsbezogene Angabe enthalte und es die Kategorie „bekömmliche Biere“ als solche bei alkoholischen Getränken nicht gebe (vgl. Tz. 49). Bei der Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ werde nicht auf geschmackliche, genießerische oder durstlöschende Eigenschaften des beworbenen Bieres abgestellt, sondern ein Bezug zur Gesundheit hergestellt (vgl. Tz. 50).
8. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Verbot gesundheitsbezogener Angaben für alkoholische Getränke nicht auf Angaben auf deren Behältnissen beschränkt ist, sondern auch für gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung gilt. Darüber hinaus erfasst der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ nicht nur jede Aussage über eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des beworbenen Lebensmittels, sondern auch Aussagen, die zum Ausdruck bringen, dass der dauerhafte Verzehr eines Lebensmittels der Gesundheit nicht abträglich sei.