Sachverhalt und Entscheidung des DPMA:
Die bekannte Plattform Amazon hatte im Jahr 2000 eine umfassende Wortmarke „Amazon“ in den Klassen 16, 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44 und 45 angemeldet. Diese breite Marke wurde nunmehr mittels Verfallsantrag vom 21.08.2022 angegriffen, wobei der Antrag hinsichtlich des größten Teils der Waren und Dienstleistungen erfolgreich war. Die Marke wurde hinsichtlich sämtlicher Waren und Dienstleistungen gelöscht, mit Ausnahme von
Klasse 35: „Vermittlung und Abrechnung von Handelsgeschäften im Rahmen eines elektronischen Kaufhauses; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung mittels Online-Shopping in Computer-Netzen und/oder anderen Vertriebskanälen; Betrieb von elektronischen Märkten im Internet durch Online-Vermittlung von Verträgen über Anschaffung von Waren“ und
Klasse 39: „Transport- und Lagerwesen“.
Rechtliche Argumentation des Antragstellers:
Der Antragsteller führte als Begründung seines Verfallsantrags an, dass die Marke „Amazon“ als sogenannte „Handelsmarke“ löschungsreif sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH I ZR 293/02 – Otto werde diese lediglich als Unternehmenshinweis verstanden, nämlich als Firmenbezeichnung der Markeninhaberin, nicht jedoch als Hinweis auf die Herkunft ihrer registrierten Waren und Dienstleistungen. Die im Verfallsverfahren durch die Markeninhaberin eingereichten Unterlagen seien nicht geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung für die vom Waren- und Dienstleistungsverzeichnis erfassten Produkte nachzuweisen. Bei den vorgelegten Nachweisen handle es sich nur um Werbemaßnahmen; ein Nachweis, dass die Marke auf den Waren oder deren Verpackungen angebracht sei, fehle nach Ansicht des Antragstellers. Es sei auch nicht Aufgabe des Markenamtes, umfangreiche Dokumente dahingehend zu prüfen, ob sich ein Bezug der Marke zu einer bestimmten Ware feststellen lasse. Darüber hinaus sei aus Sicht des Antragstellers ersichtlich, dass die Markeninhaberin die Marke nicht in ihrer registrierten Form, sondern nur eine Eigenmarke namens „amazon basics“ verwende, was nicht zu einer rechtserhaltenden Benutzung der streitgegenständlichen Marke führe.
Hinsichtlich des Nachweises der rechtserhaltenden Benutzung ist der Antragsteller darüber hinaus der Ansicht, dass sich dieser nach unionsrechtlichen Vorschriften richte, welche u.a. in den vom EUIPO herausgegebenen Richtlinien zusammengefasst seien. Aus diesem Grund beschränke sich die Rolle des DPMA auf die Beurteilung der eingereichten Benutzungsunterlagen. Die Feststellung einer rechtserhaltenden Benutzung der streitgegenständlichen Marke von Amts wegen sei daher ausgeschlossen.
Rechtliche Argumentation der Markeninhaberin:
Neben angeblicher formaler Mängel des Verfallsantrages stützte sich die Verteidigung der Markeninhaberin vor allem auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Diesbezüglich verwies sie auf eine vom Antragsteller eingereichte Markenanmeldung für das Zeichen „AMAZON“, welche vom DPMA unter Hinweis auf § 10 MarkenG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen wurde, da es sich bei „amazon“ um eine notorisch bekannte Marke handle. Zudem habe der Antragsteller auch versucht, in Österreich die Marke „AMAZON“ registrieren zu lassen, wobei diese Eintragung mit Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamtes vom 15.01.2024 gelöscht worden sei.
Materiell-rechtlich begründete die Markeninhaberin ihren Zurückweisungsantrag damit, dass eine Verwendung der Marke „Amazon“ als Handelsmarke für ein Unternehmen, das mit Produkten anderer Hersteller handelt, einer rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegenstehe. Auch in derartigen Konstellationen könne ein Zeichen in einer Weise benutzt werden, die geeignet ist, Waren und Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden. Dies gelte – unter Hinweis auf BGH GRUR 2011, 623 Rn. 23 -26 – Peek & Cloppenburg II – insbesondere dann, wenn Handelshäuser neben dem Vertrieb fremder Erzeugnisse auch Waren unter eigenen „Handelsmarken“ anbieten.
Neben Angaben zu Homepage-Aufrufen, Umsatzzahlen und zum Marketing-Budget erläuterte die Markeninhaberin, dass die streitgegenständliche Marke innerhalb des maßgeblichen Zeitraums im Inland sowohl auf den Waren selbst als auch gut sichtbar auf deren Verpackungen angebracht gewesen sei. Die vorgelegten Nachweise umfassten unter anderem eine etwa 4.800 Seiten umfassende, unsystematische Aneinanderreihung von Ausdrucken zu Warenangeboten auf der Unternehmenswebseite der Markeninhaberin sowie eine eidesstattliche Versicherung des Vizepräsidenten der Markeninhaberin.
Zur Benutzung der Marke im Zusammenhang mit Dienstleistungen trägt die Markeninhaberin vor, dass die streitgegenständliche Marke auch im Rahmen eines Affiliate-Marketing-Programms genutzt werde und bezog sich dabei auf ergänzende Benutzungsunterlagen, bestehend aus Einzelrechnungen und Ausdrucken unternehmensseitiger Internetseiten.
Schließlich wirke sich der Umstand, dass die streitgegenständliche Marke mit weiteren Zusätzen wie „essentials“, „basics“ etc. benutzt werde, nicht auf den kennzeichnenden Charakter aus. Zusätzlich sei der Verkehr an die Verwendung von Zweitmarken gewöhnt, so dass deren Benutzung zugleich eine rechtserhaltende Benutzung der Hauptmarke darstelle.
Begründung des Beschlusses der Markenabteilung:
Das DPMA sah den Antrag als zulässig und in der Sache teilweise erfolgreich an. Konkret wurde die Marke mit Ausnahme
Klasse 35: „Vermittlung und Abrechnung von Handelsgeschäften im Rahmen eines elektronischen Kaufhauses; Vermittlung von Verkäufen und deren Abrechnung mittels Online-Shopping in Computer-Netzen und/oder anderen Vertriebskanälen; Betrieb von elektronischen Märkten im Internet durch Online-Vermittlung von Verträgen über Anschaffung von Waren“ und
Klasse 39: „Transport- und Lagerwesen“
für verfallen erklärt und gelöscht.
Hinsichtlich des Einwands des Rechtsmissbrauch wies das DPMA darauf hin, dass der Verfallsantrag nach § 53 Abs. 2 MarkenG als Popularantrag ausgestaltet sei und die von der Rechtsprechung des BGH – konkret in BGH GRUR 2010, 231, Rn. 20 – Legostein – benannten, hohen Hürden im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien. Hintergrund sei, dass das Verfallsverfahren dem Allgemeininteresse diene, das Markenregister von nicht benutzten Marken zu bereinigen. Nach Ansicht der Rechtsprechung (vgl. BPatG GRUR-RS 2025, 13879 Rn. 75 – Farbmarke Rot) sei ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nur dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass es dem Antragsteller nicht um die Wahrung des Allgemeininteresses, sondern ausschließlich um die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke geht.
Der von der Markeninhaberin vorgetragene Sachverhalt sei nicht geeignet, um die konkreten Vorgaben der Rechtsprechung nach Ansicht der Markenabteilung zu erfüllen. Insbesondere reiche unter Berücksichtigung von BPatG GRUR-Prax 2018, 466 – Netzwerk JOKER die Anmeldung eines gleich- oder ähnlich lautenden Zeichens als Marke per se nicht aus, um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzunehmen. Auch komme es für die Beurteilung eines möglichen Rechtsmissbrauchs nicht auf die Bekanntheit des angegriffenen Zeichens an, da auch bekannte Marken dem Verfall unterliegen können, wenn sie nicht rechtserhaltend benutzt werden. Ebenso kann eine fehlende außeramtliche Klärungs- bzw. Mitwirkungsbereitschaft des Antragstellers nicht zu der Annahme führen, dass ausschließlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden.
Zum Nachweis der Benutzung führte die Markenabteilung aus, dass die Markeninhaberin weder nachgewiesen habe, dass die streitgegenständliche Marke funktionsgemäß als Herkunftshinweis verwendet wurde, noch für welche der registrieren Waren die Marke tatsächlich benutzt worden sein soll. Insbesondere wies die Markenabteilung darauf hin, dass im vorliegenden Fall bei Warenmarken, deren Zeichen typischerweise auf der Ware selbst oder ihrer Verpackung angebracht werden, die Vorlage von Fotos, Katalogauszügen oder ähnlichen Belegen unerlässlich sei, aus denen die tatsächlich verwendete Markenform im Zusammenhang mit bestimmten Waren hervorgeht. Der Nachweis erfordere, dass sich allein aus dem Vortrag und den eingereichten Unterlagen zur Überzeugung der Markenabteilung eine funktionsgemäße Benutzung für solche Waren feststellen lasse, die unter die registrierten Warenbegriffe fallen. Abbildungen von Waren seien demnach nur dann als Beleg geeignet, wenn sich aus ihnen – gegebenenfalls in Verbindung mit dem Vortrag und ergänzenden Angaben, etwa in einer eidesstattlichen Versicherung – eindeutig erkennen lasse, auf welche Weise die Marke für welche konkreten Waren verwendet wurde und welchen im Register eingetragenen Warenbegriffen diese Einzelwaren zuzuordnen sind, was regelmäßig eine Unterteilung der Angaben nach Waren- und Dienstleistungsgruppen erfordere (BPatG GRUR-Prax 2017, 462 – O2 Flow / flow; BPatG BeckRS 2015, 14896 – meddix / MEDATIXX).
Im konkreten Fall verwies die Markenabteilung darauf, dass die Markeninhaberin eine Anlage mit rund 4.800 Seiten vorlegt habe, wobei es sich um eine unsystematische Aneinanderreihung von Ausdrucken zu Warenangeboten auf der Unternehmenswebsite der Markeninhaberin handle. Die ebenfalls eingereichte eidesstattliche Versicherung verweise lediglich auf die umfassende Anlage, sinngemäß mit dem Hinweis, die Benutzung bzw. Anbringung der Marke für die betreffenden Waren und Dienstleistungen ergebe sich aus der Anlage. Unter diesen Voraussetzungen sei es der Markenabteilung nicht möglich, eine ernsthafte Benutzung der Marke festzustellen. Unter Hinweis auf BGH GRUR 2012, 534 Rn. 21, Landgut Borsig; BPatG GRUR-Prax 2022, 113 – RMS ASCONEX / ASCONEX wies sie darauf hin, dass keine Verpflichtung für die Markenabteilung bestünde, die umfangreiche Anlage eigenständig durchzuarbeiten, um sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt zusammenzusuchen, und sie daher berechtigt war, die Anlage insgesamt nicht zu berücksichtigen. Soweit die Markeninhaberin zusätzlich Einzelrechnungen eingereicht habe, die nach Warengruppen aufgeschlüsselt sind und in denen auch das Zeichen „Amazon“ verwendet wird, verwies die Markenabteilung lediglich darauf, dass eine Markenbenutzung in Rechnungen allein nicht ausreichend sei, um eine funktionsgemäße Benutzung nachzuweisen.
Darüber hinaus habe die Markeninhaberin hinsichtlich eines Teils der Waren keine konkreten Angaben zum Umfang der Benutzung gemacht. Die weitgehend pauschalen Umsatzangaben, die die Markeninhaberin vorgelegt hatte, genügen den Anforderungen an den Nachweis des Benutzungsumfangs nicht.
Aus vorstehenden Gründen kam die Markenabteilung zum Schluss, dass eine rechtserhaltende Benutzung für die registrierten Waren der Klassen 01 und 02 sowie der Klassen 04 bis 34 durch die Markeninhaberin nicht erfolgt sei.
Hinsichtlich der ebenfalls registrierten Dienstleistungen der Klassen 35 (teilweise), 36 bis 38 sowie 40 bis 42 kam die Markenabteilung zu dem Schluss, dass auch diesbezüglich keine funktionsgemäße Benutzung der Marke als Herkunftshinweis erfolgt sei. Ebenso nicht ausreichend sei der Verweis der Markeninhaberin auf eine amtsbekannte ernsthafte Nutzung in den Bereichen Logistik, Software, Unterhaltung und Zahlungsdienste sowie auf der Verwendung der Marke im Rahme des Affiliate-Marketing-Programms „Amazon Associates“. Insbesondere seien hinsichtlich sämtlicher Dienstleistungen keine Umsatzzahlen vorgelegt worden, die sich bestimmten Dienstleistungen zuordnen ließen; zudem seien amtsseitig keine hinreichenden Tatsachen bekannt, dass die streitgegenständliche Marke tatsächlich in der eingetragenen Form, funktionsgemäß, für diese Dienstleistungen in einem relevanten Umfang innerhalb des maßgeblichen Zeitraums benutzt wurde.
Soweit der Antrag auf Verfall teilweise zurückgewiesen wurde, führt die Markenabteilung aus, dass hinsichtlich dieser Dienstleistungen aufgrund amtsbekannter Tatsachen von einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke auszugehen sei. Sie wies darauf hin, dass allgemein bekannt sei, dass unter der Bezeichnung „Amazon“ eine umfangreiche Online-Handelsplattform betrieben werde, auf der Waren in großem Umfang angeboten und verkauft werden. Ebenso sei bekannt, dass unter dieser Marke Logistikdienstleistungen angeboten werden, die insbesondere die Lagerung und den Versand von Waren umfassen, einschließlich eigener Logistikzentren und Führparks. Unter Hinweis auf BPatG GRUR-Prax 2012, 555 – ROSSEN / ROCHER und BPatG BeckRS 2016, 10067 – STUDIO 7 / Pro 7 wies die Markenabteilung darauf hin, dass diese Tatsachen als amtsbekannt angenommen werden können und abweichende Verfahrensrichtlinien des EUIPO nicht entgegen stünden, da diese für das DPMA nicht bindend seien und das Verfahren vor dem DPMA nach nationalen Vorschriften, insbesondere des MarkenG, geführt werde.
Fazit:
Im vorliegend zu entscheidenden Fall gab es sowohl formale als aus materiell-rechtliche Besonderheiten, zu denen die Markenabteilung Stellung bezogen hat. Bezüglich des geltend gemachten Einwands des Rechtsmissbrauchs hat das Amt einmal mehr klar gemacht, dass aufgrund des Allgemeininteresses, das Markenregister von nicht benutzten Marken zu bereinigen, ein treuwidriges Verhalten des Antragstellers nur unter besonderen Umständen in Betracht kommt. Vorangegangene Markenanmeldungen von gleichlautenden Zeichen in Kombination mit einer Weiterung des Antragstellers, an einer außeramtlichen Klärung oder Einigung mitzuwirken, sollen dafür jedenfalls nicht ausreichen.
Ebenso bestätigte die Markenabteilung, dass die Vorlage umfassender Benutzungsnachweise per se nicht ausreicht, um eine rechtserhaltende Benutzung nachzuweisen. Der Markeninhaber ist gehalten, Nachweise entsprechend aufzuarbeiten und dem Amt genau darzulegen, was sich aus den vorgelegten Nachweisen ergibt und inwiefern dies für eine ernsthafte Benutzung der Marke relevant ist.
Dass zudem die Verfahrensrichtlinien des EUIPO für ein Verfahren vor dem DPMA das Amt keineswegs binden, dürfte nicht überraschen. Unter diesem Aspekt durfte im zu entscheidenden Fall auch die Feststellung einer rechtserhaltenden Benutzung hinsichtlich der nicht für verfallen erklärte Dienstleistungen erfolgen.