Die Verwechslungstatbestände der §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 und 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG setzen die verbindlichen Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 lit. b) und 5 Abs. 1 lit. b) MRRL 2015 hinsichtlich der eingetragenen Marken um. Insoweit ist der Begriff der Verwechslungsgefahr – das in der Praxis bedeutendste Tatbestandsmerkmal des harmonisierten Markenrechts – richtlinienkonform und damit grundsätzlich unionsweit einheitlich auszulegen. Denn das Harmonisierungsziel der Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs kann nur mit einem in allen Mitgliedsstaaten möglichst einheitlichen Schutzstandard erreicht werden (so ausdrücklich Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl. 2023, § 14 Rn. 365; vgl. auch ErwGr 10 MRRL 2015).
Entscheidungen des EuG finden insoweit auch auf nationaler Ebene Berücksichtigung. Im Gegensatz dazu stellten Entscheidungen des EUIPO nach bisheriger Rechtsprechung nur sog. „Anwendungsbeispiele“ dar (so ausdrücklich Ingerl/Rohnke/Nordemann, a.a.O., § 14 Rn. 380) – die von nationalen Ämtern und Gerichten nicht durchgängig beachtet werden.
In der Terra Greca II-Entscheidung (GRUR-RS 2023, 37719) setzt der BGH nun einen deutlich anderen Akzent. Die redaktionellen Leitsätze des Beschlusses lauten wie folgt:
(Hervorhebung hinzugefügt)
Anders als bisher, kann ein nationales Gericht eine EUIPO-Entscheidung danach nicht mehr lediglich als ein mögliches Anwendungsbeispiel heranziehen, das ebenso gut unberücksichtigt bleiben kann; vielmehr ist es gehalten, eine abweichende EUIPO-Entscheidung zum Maßstab seiner eigenen Prüfung zu machen, letztere kritisch zu hinterfragen – und, wenn es die Haltung des EUIPO nicht übernimmt, zumindest darzutun, aufgrund welcher Umstände es sich hierzu berechtigt sieht.
Tut es das nicht, ist dies nach Auffassung des BGH als Verletzung des Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zu werten.
Mit Spannung bleibt nun abzuwarten, welche Folgen diese Akzentverschiebung in der Rechtsprechung des BGH auf unterinstanzlicher Ebene zeitigt.