Allgemein ist das grundsätzliche Gesetzeskonstrukt in Japan trotz der Änderungen unverändert erhalten geblieben. Ähnlich dem deutschen Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt, dass (1.) die Rechte an der Erfindung zunächst beim Arbeitnehmer als Erfinder verbleiben, (2.) die Rechte durch einseitige Inanspruchnahmeerklärung an den Arbeitgeber übergehen können und (3.), dass für die Rechte an der Erfindung eine angemessene Vergütung an den Arbeitnehmer zu zahlen ist.
Weiterhin gilt aufgrund der nur knappen Angaben zu Arbeitnehmererfindungen im japanischen Patentgesetz, dass jedes Unternehmen interne Bestimmungen zu Arbeitnehmererfindungen aufstellen muss, um Arbeitnehmern die notwendigen Pflichten aufzuerlegen, zum Beispiel die Meldepflicht (vgl. § 5 des deutschen ArbEG). Im Vergleich zum deutschen ArbEG stellt das japanische Gesetz eher auf die internen Bestimmungen des jeweiligen Unternehmens ab.
Dieser Gastbeitrag im Newsletter beleuchtet die Voraussetzungen zur oben genannten Ziffer (3.), d.h. die Angemessenheit der Vergütung, die dem Arbeitnehmer gezahlt werden soll, sowie die korrekte Herangehensweise eines Unternehmens, eine angemessene Vergütung zu bestimmen.
Leitlinie zur angemessenen Vergütung nach dem Gesetz
Anstatt eine präzise und im Gesetz verankerte Berechnungsmethode vorzugeben (im Unterschied zu der in der deutschen Praxis verbreiteten Vorgehensweise, welche die Berechnungsmethode gemäß der vom Bundesministerium für Arbeit vorgegebenen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst ansetzt), fokussiert das japanische Gesetz auf die Prüfung die Angemessenheit der Methoden des Unternehmens zur Berechnung einer Vergütung.
Dieses Abstellen auf die Berechnungsmethode („procedural approach“) ist mit der Änderung des japanischen Patentgesetzes im Jahr 2005 eingeführt und auch nach der Änderung im Jahr 2016 unverändert geblieben. Artikel 35(5) des japanischen Patentgesetzes gibt hier drei Schritte vor:
(1.) Abstimmung mit dem Arbeitnehmer bei Aufstellung einer Berechnungsmethode zur Vergütungshöhe,
(2.) Offenlegung einer solchen Berechnungsmethode gegenüber dem Arbeitnehmer, und
(3.) Bereitstellung von Möglichkeiten für den Arbeitnehmer, in Bezug auf die Anwendung einer solchen Berechnungsmethode angehört zu werden.
Die Abstimmung (Schritt 1) und Offenlegung (Schritt 2) kann mit allen Arbeitnehmern gleichzeitig durchgeführt werden, noch zu einem Zeitpunkt, bevor eine Erfindung gemacht wurde. Die Gelegenheit, angehört zu werden (Schritt 3), soll dem jeweiligen Arbeitnehmer gegeben werden, nachdem er eine Erfindung gemacht hat. Aus formellen Gründen ist die dafür herangezogene Berechnungsmethode häufig in den internen Richtlinien der Firma bekannt gegeben, die dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden.
Sollte eine solche Berechnungsmethode unangemessen erscheinen, muss die Zahlung der Vergütung durch ein Gericht entschieden werden. Der angemessene, zu zahlende Betrag wird bestimmt, indem alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden (z. B. Erlöse im Verhältnis zu den Produkten, die das Patent nutzen, der Beitrag des Patents an solchen Erlösen, der Beitrag des Unternehmens und des Arbeitnehmers an der patentgeschützten Erfindung, usw.). Unglücklicherweise erlaubt dieser vage Maßstab und folglich auch die diesbezügliche Rechtsprechung den Unternehmen keine verlässliche Rechtssicherheit. Daher wurde es notwendig, dass Unternehmen ausreichende Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Höhe einer Vergütung angemessen ist.
Die Gesetzesänderung im Jahr 2016 soll die Vorhersehbarkeit der Vergütungsmethode durch staatlich vorgegebene Richtlinien (Art. 35(6) des japanischen Patentgesetzes, ähnlich § 11 des deutschen ArbEG) verbessern. Die Richtlinien enthalten Beispiele einer angemessenen (oder unangemessenen) Berechnungsmethode. Obwohl die Angemessenheit auf Grundlage der jeweiligen Tatsachen überprüft wird, sollen diese Richtlinien, durch gesetzliche Vorschriften unterstützt, bei der Erstellung interner Berechnungsmethoden und bei der Entscheidung über die letztendliche Vergütungshöhe beachtet werden. Gemäß den Richtlinien sind folgende Kriterien für eine Angemessenheit der Berechnungsmethode unabdingbar:
(1.) „Hinlängliche und ausführliche Diskussionen mit dem Arbeitnehmer“,
(2.) „Garantieren der Gelegenheit (des Arbeitnehmers), an der Entscheidung der Vergütungshöhe teilzuhaben“,
(3.) „Seriöse Einstellung gegenüber der Meinung des Arbeitnehmers während der Diskussionen“.
Das japanische Obergericht für Geistiges Eigentum (Intellectual Property High Court, IPHC) hat vor kurzem die Angemessenheit der Vergütungsmethode in einem Unternehmen geprüft und festgestellt, dass die dortige Methode aufgrund verschiedener Kriterien, die nicht den Richtlinien entsprachen, unangemessen war. Seit der Vorsitzende Richter eines der Senate des IPHC nun der Vorsitzende Richter des ganzen IPHC ist, und er eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Rechtsprechung im IP-Bereich spielt, ist es wahrscheinlich, dass dieses Verfahren einen gewissen Einfluss auf die Interpretation des geänderten japanischen Patentgesetzes und die Richtlinien haben wird.
In einem Rechtsstreit (das Verfahren „Nomura Securities“) war der Kläger, der eine Erfindung gemacht hat, ein Mitarbeiter in der Marketingabteilung des Unternehmens. Es gab eine Mitarbeitererfindungsrichtlinie („Invention Rule“) im Unternehmen, die vor und während seiner Anstellung wirksam war. Der Kläger behauptete nach seiner Entlassung, dass die Zahlung der Vergütung gemäß der Invention Rule unangemessen gewesen sei und dass ein angemessener Betrag durch das Gericht festgestellt werden müsse. Der Kläger trug vor, dass das Unternehmen im Hinblick auf die Berechnungsmethode nicht die drei Schritte gemäß dem japanischen Patentgesetz (siehe zuvor unter 2.a.) durchgeführt habe.
Das Gericht entschied, dass die konkrete Invention Rule nicht entsprechend dem ersten Schritt (Abstimmung mit dem Arbeitnehmer) vor oder nach der Einstellung des Klägers diskutiert worden ist. Es genüge nicht, den neu eingestellten Mitarbeiter die Invention Rule „überprüfen“ zu lassen, sondern es müsse eine persönliche Diskussion oder eine Erklärung mit der Bestätigung des Mitarbeiters stattfinden. Hingewiesen sei auch darauf, dass die Richtlinien ebenfalls erwähnen, dass eine Erklärung der Berechnungsmethode, gefolgt von Fragen und Antworten (anstelle einer Bestätigung) gegenüber Erfindermitarbeitern, die nach der Aufstellung einer internen Richtlinie eingestellt wurden, als ein angemessener Schritt zur Aufklärung gewertet wird. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen eine Aufklärung bei der Aufstellung interner Richtlinien bereits mit den anderen Mitarbeitern in hinreichender Weise stattgefunden hat.
Bezüglich dem zweiten Schritt (Offenlegung der Berechnungsmethode) hat das Gericht festgestellt, dass es nur unzureichende Nachweise einer Offenlegung der Berechnungsmethode des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern und auch dem Kläger gab. Die offengelegten Richtlinien des Unternehmens erwähnten lediglich, dass das Unternehmen für jede der folgenden Szenarien eine Kompensation zahlen würde: (1.) wenn eine an das Unternehmen übertragene Mitarbeitererfindung zu einem Patent angemeldet wird, (2.) wenn ein Patent für eine Mitarbeitererfindung erteilt wird, oder (3.) wenn das Unternehmen die Mitarbeitererfindung nutzt und kommerziell verwertet. Eine Zahlung einer Vergütung würde durch ein Verfahren bestimmt werden, das separat erfolge. Das Unternehmen hätte jedoch, entsprechend der Richtlinien, dem Mitarbeiter als Erfinder verständlich machen müssen, dass es eine interne Richtlinie mit einer Berechnungsmethode gibt, die der Mitarbeiter prüfen kann.
Auch hatte der Kläger im entschiedenen Fall im Gegensatz zu den Vorgaben des dritten Schrittes (Anhörung des Mitarbeiters) keine Gelegenheit, angehört zu werden, und das Unternehmen hatte auch kein internes Prozedere vorgesehen, das es Mitarbeitern erlaubte, die Festlegungen des Unternehmens zu diskutieren oder ihnen zu widersprechen. Der Kläger trug vor, dass die Rechte an der Erfindung an das Unternehmen übergegangen seien und dass keine Diskussion zur Vergütungshöhe möglich gewesen sei. Das Gericht forderte jedoch eine solche Diskussionsmöglichkeit. Die Richtlinien empfehlen auch, dass ein Unternehmen die Meinung des Mitarbeiters einholen soll, falls der Mitarbeiter seine Meinung nicht von sich aus präsentiert.
Im Umgang mit Mitarbeitererfindungen investieren ausländische Unternehmen in der Regel wenig Zeit und Geld in die Methode zur Bestimmung des angemessenen Vergütungsbetrags und in die Diskussionen mit Mitarbeitern. Betrachtet man allerdings die Änderungen aus dem Jahr 2016 und die aktuelle Rechtsprechung in Japan, so sollte ein Unternehmen solche Diskussionen mit Mitarbeitern führen, um sicherzustellen, dass die Vergütungsmethode angemessen ist. Anderenfalls könnten sich die Unternehmen unerwarteten gesetzlichen und weiteren Kosten ausgesetzt sehen.
von: Dr. Christian Kau
Auch wenn die letzte Gesetzesänderung zum deutschen Arbeitnehmererfindungsgesetz schon einige Zeit zurückliegt, ist in vielen Unternehmen noch nicht angekommen, dass seit dem 01.10.2009 ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. War es zuvor die Pflicht des Arbeitgebers, innerhalb von vier Monaten nach der Erfindungsmeldung eine Diensterfindung aktiv in Anspruch zu nehmen und damit auf den Betrieb überzuleiten, wird nunmehr für alle Erfindungen seit dem 01.10.2009 im Rahmen einer Erklärungsfiktion nach vier Monaten angenommen, dass der Arbeitgeber die Erfindung beansprucht. Der Arbeitgeber muss mithin nicht mehr aktiv werden, wenn er sich die Erfindung einverleiben will. Vielmehr muss er die Inanspruchnahme lediglich aktiv ablehnen, falls er an der Erfindung kein Interesse hat.
Wenn diese Gesetzesänderung auch in vielen Fällen die Frage der Inhaberschaft an Diensterfindungen zugunsten der Arbeitgeber entschärft, vermehren sich in der Praxis zugleich die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer eine angemessene Vergütung für die (auch durch fiktive Erklärung) in Anspruch genommene Erfindung. Auch in Deutschland ist daher die Frage nach einer gerechten Vereinbarung über die Vergütung ein wichtiges Thema.
Das deutsche Recht ist hierbei im Vergleich zum japanischen Recht ein wenig arbeitgeberfreundlicher. Zwar soll die angemessene Vergütung durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden. Können sich die Parteien jedoch nicht einigen, hat der Arbeitgeber das Bestimmungsrecht, eine in seinen Augen angemessene Vergütung festzusetzen. Dem Arbeitnehmer bleibt nach einer solchen Festsetzung nur die Möglichkeit, der Festsetzung innerhalb von zwei Monaten schriftlich oder durch E-Mail zu widersprechen, anderenfalls wird die Festsetzung (außer bei Unbilligkeit) verbindlich.
Das deutsche Recht bietet Richtlinien für die Berechnung einer angemessenen Vergütung an (vgl. § 11 ArbEG), die zwar unverbindlich sind, in der Praxis jedoch häufig herangezogen werden und auf deren Basis auch die Schiedsstelle am DPMA ihre Einigungsvorschläge vorbereitet. Sehr relevant sind in den letzten 10 Jahren innerbetriebliche, standardisierte Vergütungssysteme geworden, die durch ihre Transparenz auch einen Betriebsfrieden schaffen. Bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen beliebt sind häufig Pauschalvergütungssysteme, bei denen dem Arbeitnehmer bei Erreichen bestimmter Stufen eine Pauschalprämie ausgezahlt wird, z.B. bei Abgabe einer Erfindungsmeldung, Einreichen einer Patentanmeldung und Erteilung eines Patents. Unerheblich, wie ein Vergütungsmodell in der betrieblichen Praxis ausgestaltet wird, ist jedoch in jedem Falle darauf zu achten, dass es auch zum jeweiligen Unternehmen passt. Insbesondere darf das Vergütungssystem die Arbeitnehmererfinder nicht gegenüber den Vergütungsrichtlinien unangemessen benachteiligen. Ein „deutsches Standardmodell“ gibt es hier nicht, und was für das eine Unternehmen gut passt, kann für das andere falsch sein. Gegenüber dem japanischen Recht besteht in der deutschen Rechtsordnung jedoch immerhin die Erleichterung, dass ein innerbetriebliches Vergütungssystem nicht mit jedem Mitarbeiter individuell diskutiert werden muss, sondern beispielsweise im Rahmen einer betrieblichen Übung oder gar einer Betriebsvereinbarung unmittelbar gegenüber jedem – auch neuen – Mitarbeiter Gültigkeit erlangt.