Die Entscheidung ist zu Recht auf deutliche Kritik gestoßen. Im Wesentlichen lassen sich folgende Kritikpunkte festmachen: Das Bundesverfassungsgericht hat es nicht für nötig gehalten, vor einer negativen Entscheidung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, in der es möglich gewesen wäre, Argumentationslücken und -fehler des Senats aufzuzeigen und gegebenenfalls zu korrigieren (s. hierzu auch Winfried Tilman, in: GRUR 2020, 441). Zum anderen fehlt es an entscheidenden Stellen an Substanz, und auch die Prämisse, unter der die Rechtsprechungsänderung als zulässig angesehen wird, ist schlicht herbeigeredet. Schließlich, und das wiegt am Schwersten, hat sich das Bundesverfassungsgericht drei Jahre Zeit gelassen, um das Zustimmungsgesetz aus formalen Gründen scheitern zu lassen. Drei Jahre, die für ein internationales Projekt eine Ewigkeit darstellen. Das Bundesverfassungsgericht hat damit Bundesregierung und Bundespräsidenten international in eine missliche Lage gebracht.
Hinzu kommt, dass nunmehr durch Interviews wie die des Berichterstatters Huber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Mai 2020, wonach man in der EPGÜ-Entscheidung noch einmal klargestellt habe, dass der Vorrang des Europarechts nicht schrankenlos gelten könne, für wenig Vertrauen sorgen. Auch dies ist bedauerlich und zeugt von wenig Taktgefühl.
In seinem Beschluss behauptet das BVerfG ohne Begründung, dass es sich bei den an das EPG zu übertragenden Kompetenzen um eine nicht rückholbare Übertragung von Hoheitsrechten handele. Hiergegen spricht schon, dass Großbritannien trotz Ratifikation nicht am EPGÜ teilnehmen wird. Ein Austritt ist also rechtlich und faktisch zweifelsohne möglich. Damit gab es keinen Anlass, eine Abgrenzung zur bestehenden Gerichtspraxis vorzunehmen. Auch erfolgt die Kompetenzübertragung an das EPG gemäß Art. 83 EPGÜ fließend, da die nationalen Gerichtssysteme für sieben Jahre zuständig bleiben; für nationale Patente bleiben sie sogar ausschließlich zuständig. Auch hätte in der Phase der vorläufigen Anwendbarkeit ein etwaig gegebener Formmangel geheilt werden können. Die Voraussetzungen zur Schaffung eines neuen Rechtsinstruments der formellen Übertragungskontrolle lagen daher schon gar nicht vor. Wenn aber Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aufkommen, hätte das BVerfG, das bewusst über kaum demokratische Legitimierung verfügt, in einer solchen Situation seine Kritik an der demokratischen Legitimierung einer immerhin einstimmigen Bundestagsabstimmung weit zügiger aufgreifen müssen, um den demokratisch gewählten Institutionen rasch Raum zu geben, diesen Fehler zu korrigieren. Eine Entscheidung nach drei Vierteln einer Legislaturperiode, zumal auf wackeligen juristischen Argumenten, unterminiert das demokratische Gefüge.
Nicht umsonst mahnt der Bundespräsident in seiner Rede zur Verabschiedung von Prof. Voßkuhle (allerdings mit Blick auf das EZB-Urteil) an: „Ich hoffe auf Kooperation statt Konfrontation der Institutionen.“ Offensichtlich konnte der Bundespräsident diese Kooperationsfähigkeit zuletzt beim Bundesverfassungsgericht jedenfalls nicht vollumfänglich feststellen.
Dies gilt auch, weil das BVerfG die Frage, ob mit der Schaffung des Einheitlichen Patentgerichts eine materielle Grundgesetzänderung verbunden sei, in einem einzigen Satz beantwortet, wenn es postuliert, dass dies „auf der Hand“ liege. Damit ist die Begründungstiefe auf ein bedenkliches Mindestmaß geschrumpft. Immerhin hatten Bundesregierung, Bundestag, und eine ganze Reihe von Institutionen zu dieser Frage Stellung genommen und waren zu einem anderen Ergebnis gekommen. Das BVerfG setzt sich hiermit erst gar nicht auseinander. Auch dies schadet dem demokratischen und juristischen Diskurs.
Bedauerlich ist auch, dass das BVerfG eine Reihe von Punkten nicht abschließend klärt. So kann man mit Blick auf die Rechtstellung der EPG-Richter und des Auswahl- und Ernennungsverfahrens zwar von Grundgesetzkonformität ausgehen. Endgültig entschieden ist die Frage jedoch nicht.
Gleiches gilt für die Befugnisse des EPG-Verwaltungsrats. Das BVerfG stellt zwar fest, dass eine gleichberechtigte Mitwirkung Deutschlands an den Beschlüssen des Verwaltungsausschusses grundsätzlich gesichert ist und diese Beschlüsse einer Mehrheit von drei Vierteln bedürfen, und zudem Deutschland bei Revisionen des Übereinkommens ein Vetorecht habe. Das Gericht weist auch darauf hin, dass die Regelungen zum Verfahren sowie zu den Entscheidungsbefugnissen des EPG vom Verwaltungsausschuss nicht geändert werden können, eine Erweiterung der Kompetenzen des EPG durch den Verwaltungsrat nicht möglich sei, und auch an den Regelungen zur Kostenerstattung in Art. 69 Abs. 1 EPGÜ und Art. 41 Abs. 2 S. 2 EPGÜ übt das BVerfG keine Kritik.
Aber auch hier trifft das BVerfG wegen der Unzulässigkeit der Rügen keine endgültige Entscheidung und eröffnet damit die Möglichkeit einer neuerlichen Verfassungsbeschwerde.
Nicht abschließend äußert sich das BVerfG zur Frage, ob die Festschreibung eines unbedingten Vorrangs des Unionsrechts in Art. 20 EPGÜ gegen das Grundgesetz verstößt. Allerdings ist Art. 20 EPGÜ Konsequenz des durch den EuGH in seinem Gutachten 1/2009 vom 8.3.2011 angemahnten Vorrangs des EU-Rechts und damit unverzichtbarer Bestandteil des EPGÜ (s. hierzu Haberl, Schallmoser, GRUR-Prax 2011, 143). Es spricht daher viel dafür, dass das BVerfG diese Bestimmung nur dann für verfassungswidrig erklären würde, wenn sich aus ihrer Anwendung durch das EPG und den EuGH ein Verstoß gegen das Grundgesetz ergeben sollte.
Insgesamt kann man das Vorgehen des BVerfG nur bedauern. Das BVerfG hätte erkennen müssen, dass jedenfalls durch mildere Mittel die nun eingetretenen nachteiligen Folgen hätten vermieden werden können. So hätte es nahe gelegen, nicht die Ausfertigung des Gesetzes zu blockieren, jedoch die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde durch die Bundesregierung. Dadurch hätte insbesondere die Phase der vorübergehenden Anwendung institutioneller Bestimmungen gestartet werden können und das Projekt aus seiner Blockade herausgeholt werden können. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung hätten die Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit geäußert und umgehend korrigiert werden können.
Das Vorgehen wirft daher die Frage auf, ob das Zusammenspiel der Verfassungsorgane noch in zufriedenstellendem Maße funktioniert. Man muss sich vergegenwärtigen, dass das BVerfG dem Projekt eines einheitlichen europäischen Patentsystems vor allem deswegen schweren Schaden zugefügt hat, weil es nicht vorab und zügig die formalen Übertragungsvoraussetzungen geprüft und diesen Punkt zu einer zügigen Entscheidung, beispielsweise in einer einstweiligen Anordnung gebracht hat. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat waren davon ausgegangen, dass das Zustimmungsgesetz keiner 2/3-Mehrheit bedurfte. Dieser Auffassung schlossen sich auch die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltsverein an. Fast alle Stellungnahmen lagen bereits Ende 2017 vor. Nachdem das BVerfG bereits im April 2017 den Bundespräsidenten gebeten hatte, das Gesetz nicht auszufertigen, wäre es also angezeigt gewesen, in einem ersten Schritt jedenfalls die formalen Aspekte des Übertragungsaktes aufzugreifen und abzuarbeiten. Hierfür kann und darf sich ein Verfassungsorgan nicht drei Jahre Zeit lassen. Es hätten die Organtreue und der Respekt vor den demokratisch gewählten Parlamenten geboten, rasch zu entscheiden.
Die Nichtigerklärung des Zustimmungsgesetzes aus rein formalen Gründen nach ziemlich genau drei Jahren hinterlässt einen schweren Schaden im Gefüge der Verfassungsorgane. Wenn das BVerfG einen formalen Fehler erkennt, aber gleichzeitig sieht, dass aufgrund der Unterstützung des Projekts in der Bundesregierung und der gegebenen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat den neu formulierten formalen Erfordernissen rasch hätte genüge getan werden können, wirkt es befremdlich, dass das BVerfG hier nicht durch eine zügige Entscheidung den Ball viel früher den dafür zuständigen Verfassungsorganen zurückgespielt, sondern sich hierfür fast eine gesamte Legislaturperiode Zeit gelassen hat.
Auch der Bundespräsident hätte deutlich auf die Risiken hinweisen müssen, die sich aus einer überlangen Verfahrensdauer ergeben. Denn schließlich steht der Bundespräsident nach Art. 82 Abs. 1 GG unter Entscheidungszwang und hat nach allgemeiner Meinung jedenfalls innerhalb angemessener Frist auszufertigen oder die Ausfertigung ausdrücklich zu verweigern.
Vielleicht hätte man gewarnt sein müssen bei einem Berichterstatter, der im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht schon einmal das Wort „Staatsstreich“ in den Mund genommen hatte. Es ist jedenfalls bedauerlich, dass sich im Senat hierfür eine – wenn auch knappe – Mehrheit finden ließ, die alle übrigen Verfassungsorgane und die Bundesrepublik Deutschland international bloßstellen. Dass das BVerfG jedenfalls so deutlich und unverhohlen Politik macht, kann nicht richtig sein. Man kommt um das Gefühl nicht herum, dass es dem BVerfG und allen voran dem Berichterstatter darum ging, einem dem Senat nicht genehmes Projekt möglichst viele Steine in den Weg zu legen.
Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser greift auch die Kritik an Art. 20 EPGÜ auf, stellt sich aber zu Recht auf den Standpunkt, dass der Vorrang des EU-Rechts kein Problem für die Ratifizierung Deutschlands darstellen dürfte.
Mit Blick auf den Brexit ist der Gesetzentwurf der Auffassung, dass die wegfallende Abteilung der Zentralkammer in London durch Auslegung des EPGÜ durch die Zentralkammer in Paris sowie die Zweigstelle in München ersetzt werden könne. Dies ist richtig und auch begrüßenswert (so auch Tilman, a.a.O.).
Mit einer Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes ist damit noch in dieser Legislaturperiode, ggf. sogar noch 2020 zu rechnen. Zwischenzeitlich haben sich auch die Mehrheitsverhältnisse im 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts geändert: Prof. Voßkuhle ist ausgeschieden und der zweite Senat wird nunmehr von Prof. Doris König geführt, die sich in ihrer abweichenden Meinung sehr kritisch mit der Entscheidung des BVerfG auseinandersetzt. Es bleibt daher die Hoffnung, dass das neu eingebrachte Zustimmungsgesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden kann. Dann könnte die ca. achtmonatige Phase der Vorläufigen Anwendbarkeit Ende 2020 oder Anfang 2021 beginnen, und das EPG als Gericht gegen Ende 2021 seine Arbeit aufnehmen. Denn ein weiteres Mal wird der Bundespräsident wohl, so hört man, nicht auf Zuruf des Bundesverfassungsgerichts die Ausfertigung aussetzen.