Bemerkenswert ist aber mit welcher Geschwindigkeit diese BGH-Entscheidung rezipiert und in der Gerichtspraxis Anwendung gefunden hat. Die besondere Konstellation der fehlenden Lizenzwilligkeit eines Implementierer ist nämlich seither auffällig häufig der Inhalt von Folgeentscheidungen geworden. Die Besonderheit liegt darin, dass nach dem Verletzungshinweis des Patentinhabers (der ohne weiteres auch in der Verletzungsklag gesehen werden kann) die Erklärung der Lizenzwilligkeit die 2. Stufe des Stufenmodells des EuGH (Huawei./. ZTE) darstellt.
In der EuGH Entscheidung ist lediglich vorgesehen, dass der Implementierer nach dem Verletzungshinweis zügig erklären müsse, ob er eine Lizenz nehmen wolle. Bislang war dieser Punkt nie umstritten oder von der Rechtsprechung besonders erörtert worden.
Die Gerichte sahen sich daher jeweils der 3. Stufe gegenüber, wonach dann mit leicht unterschiedlicher Tiefenschärfe geprüft werden musste, ob das Angebot des SEP-Inhabers FRAND-Kriterien genüge oder nicht.
Die Entscheidung des BGH scheint aber für viele Landgerichte einen Weg zu bieten, diese Prüfungsstufe nicht betreten zu müssen. So haben unterschiedliche Kammern der Landgerichte (in dieser Reihenfolge) München I, Mannheim und schließlich auch Düsseldorf Unterlassungsklagen bei einem SEP stattgegeben, weil der Implementierer nicht lizenzwillig gewesen sei und es daher auf die Frage eines FRAND Angebotes nicht ankomme.
Die Besonderheit dieser Entscheidungen liegt darin, dass sie alle Fälle zum Gegenstand hatten, bei denen zunächst einmal der Implementierer seine Lizenzwilligkeit bejaht hatte. Dann hatte der SEP-Inhaber ein Lizenzangebot unterbreitet und anschließend waren beide in Verhandlungen eingestiegen. Schließlich hatte irgendwann der Implementierer auch ein Gegenangebot unterbreitet.
Die Entscheidungen haben dann mit nicht unähnlichen Begründungen festgehalten, dass der Implementierer zwar zunächst Lizenzwilligkeit bekundet, dann aber erwiesen habe, dass er doch nicht lizenzwillig gewesen war. Die Entscheidungen stellen dabei teils auf eine Mehrzahl von Faktoren aus dem Verhandlungsgeschehen ab. In einer Entscheidung wird lediglich festgehalten, dass das Gegenangebot viel zu niedrig gewesen sei und damit feststehe, dass die Lizenznehmer nicht (oder nicht mehr) lizenzwillig war. In anderen Entscheidungen wurden dann auch noch weitere Faktoren aus dem Verlauf der Verhandlungen hinzugezogen, um die Lizenzunwilligkeit des Lizenznehmers feststellen zu können.
Gegen diese Entscheidungen sind jeweils Berufungen anhängig und es sind möglicherweise noch in diesem Jahr erste Hinweise der Oberlandesgerichte zu erwarten, ob diese Herangehensweise der Landgerichte dort befürwortet wird.
Im Widerspruch zu dieser sich rasant entwickelnden Rechtsprechung steht möglicherweise eine andere Kammer (4c) des Landgerichts Düsseldorf, die diesen Weg nicht beschreiten wollte und wohl im Gegenteil prüft, eines der bei ihr anhängigen SEP-Verfahren dem EuGH vorzulegen. Dort wie in anderen Verfahren hatte das Bundeskartellamt angeregt, den Rechtsstreit (Nokia ./. Daimler) auszusetzen und das Verfahren mit insgesamt vier Vorlagefragen dem EuGH vorzulegen. Die erste (vorgeschlagene) Vorlagefrage ist darauf gerichtet, ob zum Beispiel ein Automobilhersteller sich auf den FRAND-Einwand seines Zulieferers berufen kann, wenn das Zulieferer-Vorprodukt angeblich das Patent verletzt und der Zulieferer um eine FRAND-Lizenz nachgesucht hatte. Die zweite Vorlagefrage ist im Wesentlichen darauf gerichtet, ob der SEP-Inhaber jede Partei in einer Produktionskette angreifen darf, oder ob er hierbei Beschränkungen unterliegt. Die dritte Vorlagefrage ist darauf gerichtet, ob der SEP-Inhaber lizenzwilligen Marktteilnehmern eine Lizenz verweigern darf, insbesondere ob er bestimmten Marktstufen einer Produktionskette von einer Lizenzierung ausschließen darf. Die letzte Vorlagefrage ist darauf gerichtet, ob der SEP-Inhaber kartellrechtlich frei sei in der Wahl, ob und welcher Stufe einer Produktionskette er allein eine Lizenz erteile.
Die Vorlage an den EuGH bereits in der 1. Instanz wird vom Bundeskartellamt deshalb als sinnvoll angesehen, um einen zügigen Klärungsprozess herbeizuführen und nicht divergierende Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene abzuwarten. Eine relativ frühzeitige Vorlage an den EuGH solle auch das Risiko vermeiden, dass etwa durch den Zeitablauf und die Vielzahl der Verfahren „situationsbedingte Kompromisse“ erzwungen würden und sich daraus ergebende Lizenzverträge dann später gegenüber Dritten als branchenüblich zitiert werden könnten.
Sollte sich das Landgericht Düsseldorf dem grundsätzlich anschließen, wäre Mitte November eine Vorlageentscheidung an den EuGH zu erwarten, die gerade für den Bereich 5G und IoT wesentliche Grundfragen klären dürfte.