Mit Beschluss vom 23.01.2024 hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zum Besitz und Untersagungsrecht gegenüber Personen, welche im Ausland markenverletzende Waren besitzen, zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2024, 305, Az: I ZR 205/22 – Extreme Durable)
Der Hintergrund ist Folgender: Der Kläger ist Inhaber der u.a. für „Taucherapparate, Taucheranzüge, Taucherhandschuhe“ beim DPMA eingetragenen Wort-/Bildmarken
Die Beklagte mit Sitz in Spanien bewarb und bot über die von ihr betriebene Internetseite sowie über die Handelsplattform amazon.de Tauchzubehör unter Verwendung der Marken des Klägers an. Die Beklagte lagerte die Waren in Spanien. Bei einem der Angebote handelte es sich um eine Trimmbleitasche, die der Kläger testweise bestellte. Die Marken der Klägerin wurden weder auf dem Produkt noch auf dessen Verpackung aufgedruckt.
Der Kläger erhob nach erfolgloser Abmahnung Verletzungsklage und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr die o.g. Zeichen in der Bundesrepublik Deutschland für Tauschzubehör zu benutzen, insbesondere die Zeichen auf Tauchzubehör oder dessen Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter diesem Zeichen Tauchzubehör anzubieten, herzustellen, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, hierfür zu werben oder dieses zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen. Weiterhin beantragte der Kläger Feststellung der Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten.
Die Beklagte hatte die Klageforderung anerkannt, soweit der Kläger beantragt hat, sie zu verurteilen, es zu unterlassen, unter den Marken Tauchzubehör anzubieten oder hierfür zu werben und, soweit der Kläger – auf diese Handlungen bezogen – Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt hatte.
Das Landgericht hatte die Beklagte durch ein entsprechendes Teilanerkenntnis- und Endurteil verurteilt. Die weitergehende Klage hatte es abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hatte das Berufungsgericht die Unterlassungsverurteilung der Beklagten wie folgt ergänzt “sowie zu vertreiben oder zu vorgenanntem Zweck zu besitzen“.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Sitz in Spanien habe und dort ihren Besitz ausübe. Der Verletzungsunterlassungsanspruch erstrecke sich über die von der Beklagten anerkannten Verletzungshandlungen „bewerben“ und „anbieten“ hinaus auf die dazu kerngleichen Handlungen „vertreiben“ und „besitzen“. Insoweit sei von dem Grundsatz auszugehen, dass alle Handlungsmodalitäten des § 14 Abs. 3 MarkenG kerngleich seien und sich bei Verwirklichung nur einer der Handlungsmodalitäten die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch auf die anderen erstrecke.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH bejaht zunächst die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts. Die vom Kläger beanstandete Zeichenbenutzung weise den erforderlichen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug auf.
Streitgegenständlich seien u.a. die Handlungsmodalitäten des Vertriebs. Nach Auffassung des BGHs stehen dem Kläger Unterlassungsansprüche auch gegen den Vertrieb zu.
Soweit der Kläger allerdings auch Unterlassung des Besitzes von Tauchzubehör erstrebt, stellten sich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung des Unionsrechts.
Der BGH geht davon aus, dass der Begriff des Besitzes autonom und unionsweit einheitlich auszulegen sei. Nach deutschem Recht sei der Begriff des Besitzes weit.
Der BGH hat daher folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts dem EuGH vorgelegt.
Der BGH führt aus, dass für die Verwirklichung der Handlungsmodalitäten des unberechtigten Besitzes von Waren gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG als objektives Element der Besitz der markenrechtsverletzenden Ware und als subjektives Element der vorsätzliche Besitz mit dem Ziel, die Ware durch ein Rechtsgeschäft, einschließlich des Angebots, in den Verkehr zu bringen, erfüllt sein müssen (Rn. 29). Da sich der Schutzbereich einer inländischen Marke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränke, müsse ein Angebot oder Inverkehrbringen markenverletzender Ware im Inland bezweckt sein.
Der Umstand, dass andere Sprachfassungen der Richtlinie (EU) 2015/2436 oftmals statt des Begriffs des „Besitzes“ denjenigen der „Lagerung“ verwenden, spreche eher dafür, dass für den Besitz im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Ware erforderlich sei und derjenige, der die Ware an den Spediteur oder Frachtführer übergebe, mit der Übergabe den Besitz verliert, weil in diesem Zeitpunkt die „Lagerung“ endet.
Andererseits lasse es das Unionsrecht zu, einem Händler Handlungen eines von ihm eingeschalteten Logistikdienstleisters beziehungsweise Frachtführers zuzurechnen, die zu einer Verletzung eines nationalen Schutzrechts führen.
So habe der EuGH einen Händler nicht nur für jede von ihm selbst vorgenommene Handlung verantwortlich angesehen, sondern auch für Handlungen, die für seine Rechnung vorgenommen worden sind, wenn der betreffende Händler das Ziel hatte, schutzrechtsverletzende Produkte im Schutzland anzubieten und zu vertreiben und ihm das Verhalten dieses Dritten nicht unbekannt sein konnte (vgl. EuGH, GRUR 2012, 817 Rn. 27 – Donner). Die Entscheidung „Dornach“ sei jedoch zu Urheberrecht gegangen und verhalte sich nicht zur Frage der Zurechnung von Besitz.
Es existiere auch keine Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Begriffs des schutzrechtsverletzenden Besitzes in unionsrechtlichen Regelungen betreffend andere gewerbliche Schutzrechte, in denen – ähnlich wie im Markenrecht – dieser Begriff verwendet werde.
Die Antwort auf die Vorlagefragen werden entscheidend zur Haftung von im Ausland getätigter markenverletzender (Teil-)Handlungen beitragen.