Mit Beschluss vom 11.09.2024 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Grundsatz, dass es an der für eine sofortige Beschwerde notwendigen Beschwer des Gläubigers fehlt, wenn in seinem Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgeldes angegeben wurde, und das Gericht die Höhe des Ordnungsgeld nach seinem Ermessen festgesetzt hat, auch für die Rechtsverfolgung durch qualifizierte Verbraucherverbände gilt (Az.: I ZB 93/23).
Damit setzt der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu der (fehlenden) Beschwer bei Anträgen auf Festsetzung von Ordnungsgeldern ohne Bezifferung der Höhe oder ungefähren Größenordnung fort (Beschluss vom 23.11.2023 – I ZB 29/23; GRUR 2024, 157).
Gegenstand des Beschlusses vom 11. September 2024 war der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgelds durch einen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG qualifizierten Verbraucherverbands. Der Schuldnerin war durch einstweilige Verfügung untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Verbraucher bei dem Vertrieb von Lebensmitteln bestimmte gesundheitsbezogene Angaben zu tätigen.
Die Schuldnerin verstieß mehrmals gegen die einstweilige Verfügung. Bei dem ersten Verstoß wurde ein Ordnungsgeld i.H.v. EUR 1.000 verhängt; im Hinblick auf weitere Verstöße beantragte der Verbraucherverband – ohne nähere Bezifferung – die Festsetzung eines empfindlichen Ordnungsgeldes. Der Gläubiger stellte die Höhe des Ordnungsgelds in das Ermessen des Gerichts, bei dessen Ausübung „die Hoffnung auf ersparte Aufwendungen, die der Titelschuldner sich insbesondere dadurch verschaffen wolle, dass er angemessene Maßnahmen zur Rechtseinhaltung (Compliance) unterließ“ zu berücksichtigen sei. Die Kosten für eine solche würden sich auf einen fünfstelligen Betrag belaufen.
Das Landgericht verhängte gegen die Schuldnerin ein weiteres Ordnungsgeld i.H.v. EUR 1.500. Das Beschwerdegericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde war statthaft und zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Der Bundesgerichtshof urteilte:
Das Beschwerdegericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Gläubigers gegen die Verhängung eines Ordnungsgelds die fehlende Beschwerde entgegensteht, wenn im Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgelds weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgelds angegeben ist und das Gericht die Höhe des Ordnungsgelds nach seinem Ermessen festgesetzt hat. Die Beschwer eines Gläubigers in einem Ordnungsmittelverfahren bedürfe einer besonderen Begründung, sofern auf seinen Antrag nur überhaupt ein Ordnungsmittel verhängt worden sei (BGH, GRUR 2024, 157, Rn. 18). Ergebe sich aus dem Ordnungsmittelantrag des Gläubigers, einschließlich dessen Begründung, weder ein (Mindest-)Betrag noch eine Größenordnung für das beantragte Ordnungsgeld, lege der Gläubiger die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners in das Ermessen des Gerichts. Sein Rechtsschutzziel sei dann beschränkt auf die Verhängung (irgend-)eines Ordnungsmittels. Übe das Gericht sein Ermessen aus und verhänge ein Ordnungsmittel, sei ein solches vom Gläubiger verfolgte Rechtschutzziel erfüllt und fehle es an einer Beschwer.
Der Verbraucherverband hatte argumentiert, dass diese Grundsätze nicht für den Fall der Beantragung von Ordnungsmitteln durch einen qualifizierten Verbraucherverband gelten würden. Die Übertragung dieser Grundsätze sei nicht angemessen, weil den Verbraucherverbänden die Tragung des mit einer Bezifferung des Ordnungsmittels im Falle der (Teil-)Zurückweisung des Antrags verbundenen Kostenrisikos nicht zumutbar sei.
Dieser Auffassung hat der BGH eine Absage erteilt. Der Umstand, dass ein qualifizierter Verbraucherverband lauterkeitsrechtliche Ansprüche zwar im eigenen Namen, aber im Kollektivinteresse verfolge, rechtfertige es nicht, ihn von einen jeden Antragsteller treffenden Kostenrisiko freizustellen, das sich realisieren könne, wenn die gerichtliche Entscheidung hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt.
Der Verbraucherschutzverband hatte weiterhin geltend gemacht, dass Beschwerdegericht habe den Vortrag des Gläubigers in der Antragsschrift zur begehrten Höhe des Ordnungsmittels übergangen. Auch diesen Vortrag wies der BGH zurück. Das Beschwerdegericht habe sich mit dem Vortrag befasst und ihm in vertretbarer Weise keine solche inhaltliche Bedeutung entnommen.
In der Praxis sollten Antragsteller von Ordnungsgelder im Vorfeld überlegen, ob sie einen bezifferten Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld stellen mit dem Risiko eines möglichen Kostenrisikos bei Teilabweisung, oder es bei der Antragstellung eines empfindlichen Ordnungsgeldes belassen.