Im Jahr 2023 kommt aber eine bereits am 07.06.2021 eingeführte Regelung des Urhebergesetzes erstmals zur Anwendung, die erhebliche Auswirkungen für den betrieblichen Alltag besitzen wird. Am 07.06.2023 können Urheber (nach dem Karenzjahr des §§ 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG) erstmals von den Verwertern Auskunft über die Nutzung ihrer Urheberrechte seit dem 07.06.2022 verlangen. § 32d UrhG sieht vor, dass die Lizenznehmer von Urheberrechten einmal jährlich über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile Auskunft erteilen müssen. Die Auskunft ist erstmals ein Jahr nach Beginn der Werknutzung zu erteilen und erfasst auch Altverträge, die vor 2021 abgeschlossen worden sind.
Urheber können also erstmals am 07.06.2023 von ihren Lizenznehmern Auskunft über die Werknutzung des zurückliegenden Jahres, d. h. seit dem 07.06.2022 verlangen.
Von der Auskunftspflicht werden nach § 32e UrhG auch die weiteren Mitglieder in der Lizenzkette erfasst. Der Fotograf kann also beispielsweise Auskunft von seiner Bildagentur verlangen und die Bildagentur muss dann wiederum von der Werbeagentur, die ein Bildrecht eingekauft hat Auskunft erhalten und die Werbeagentur dann ihrerseits vom Betrieb, der das Bild in der Werbung eingesetzt hat. Erfolgt die Auskunft nicht über die Nutzungsstufen hinweg, kann der Urheber selbst die verschiedenen Nutzer in der Kette auf Auskunft in Anspruch nehmen.
Angesichts der erheblichen Breite des urheberrechtlichen Werkbegriffs betrifft die gesetzliche Regelung aber nicht nur Fotografien, sondern auch Texte, Produktdesign, Logos, Software, Grafik und vieles andere mehr. Eine Sperre gegen die Auskunftspflicht liegt nach § 32d Abs. 2 UrhG dann vor, wenn der Urheber lediglich einen nachrangigen Beitrag zu einem Werk erbracht hat oder die Inanspruchnahme des Lizenznehmers unverhältnismäßig wäre. Letzteres dürfte eher selten der Fall sein.
Der Auskunftsanspruch ist zugleich unabdingbar, sodass auch vertragliche Regelungen keinen Dispens schaffen können. Nur gemeinsame Vergütungsregeln nach § 36 UrhG oder Tarifverträge könnten hiervon abweichen. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist lediglich die entgeltliche Nutzungsrechtseinräumung, sodass auch Nutzungen von urheberrechtlichen Werken erfasst werden, bei denen die erworbenen Nutzungsrechte durch eine einmalige Vergütung abgegolten wurden.
Ein Unternehmen, das die geschuldeten Auskünfte mehrfach nicht erteilt, kann von Urheberverbänden nach § 36 UrhG (nicht aber vom einzelnen Urheber) auf Unterlassung der Werknutzung in Anspruch genommen werden. Allerdings kann der einzelne Urheber, der von seinem Lizenznehmer keine Auskunft erhält, seinen Anspruch einklagen und gegebenenfalls auch den Lizenzvertrag wegen der verweigerten Auskunft kündigen. Der Auskunftsanspruch richtet sich dann auch gegen die weiteren Werknutzer in den Stufen der Werknutzung.
Unternehmen sind also gut beraten, sich auf die Pflicht zur Auskunftserteilung gegenüber Urhebern oder ihren Lizenzgebern (die selbst keine Urheber sind) auch für zurückliegende Nutzungen seit dem 07.06.2022 einzurichten. Ältere Nutzungen vor dem 07.06.2022 sind dagegen nicht auskunftspflichtig.
Es liegt auf der Hand, dass diese gesetzliche Regelung (je nach Branche) geeignet ist, einen erheblichen Verwaltungsaufwand für die Nutzer urheberrechtlicher Werke zu erzeugen. Durch die Kettenwirkung des Auskunftsanspruchs können auch Vertragspartner zum Weiterreichen der Auskunftsansprüche gezwungen sein, die ihrerseits eigentlich gar keine Auskunft verlangen wollen. Ferner wird der innerbetriebliche Aufwand für die künftige Dokumentation urheberrechtlicher Nutzungen einen erheblichen Aufwand nach sich ziehen. All diese Pflichten betreffen nicht nur die Medienbranche, sondern gehen wegen der Vielgestaltigkeit urheberrechtlicher Werke weit darüber hinaus und werden in praktisch jedem Unternehmen Dokumentationspflichten entstehen lassen.