Nach § 51a S. 1 UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches zulässig. Die Vorschrift ist eine „klassische“ Schrankenregelung des Urheberrechts. Als Ausnahmeregelung legitimiert sie die Nutzung eines Werkes – auch ohne die Zustimmung des Urhebers. Sie soll einen Interessenausgleich schaffen zwischen den Interessen des Urhebers einerseits und dem Interesse der Kulturwirtschaft andererseits.
Entscheidend für § 51a UrhG ist, dass das ältere Werk zum Zweck der Karikatur, Parodie und des Pastiches genutzt wird. Die Begriffe der Parodie und Karikatur werden seit Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes in 1966 durch die deutsche (Anknüpfungspunkt bildete bis Mitte 2021 die sog. Freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG a.F.): BGH, GRUR 2003, 3633 – Gies Adler; GRUR 2008, 693 – TV Total; GRUR 2011, 134 – Perlentaucher; GRUR 2016, 1157 – Promis auf fett getrimmt; GRUR 2020, 843 – Metall auf Metall IV) und seit Inkrafttreten der InfoSoc-Richtlinie (RL 2001/29/EG) in 2001 durch die europäische Rechtsprechung (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn) geformt. Eine entsprechende Rechtsprechung zu Pastiches gab und gibt es (noch) nicht.
Erst seit dem Jahrzehnte andauernden Rechtsstreit „Metall auf Metall (I-V)“, welcher 2019 (vorläufig) in dem „Pelham u.a.“-Urteil des europäischen Gerichtshofs (EuGH) mündete, ist die „Pastiche-Schranke“ in aller Munde.
In dem Rechtsstreit geht es um die Zulässigkeit des Musiksamplings: Der Musikproduzent Pelham hatte eine zweisekündige Rhythmussequenz aus dem Musiktitel „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk in einen neuen Musiktitel eingebaut. Die Rechtsprechung ordnete diese transformative Werknutzung in elf Gerichtsentscheidungen – davon stammten fünf vom BGH, eine vom BVerfG und eine vom EuGH – überwiegend als rechtsverletzende Vervielfältigungshandlung ein und verwies sich auf die fortbestehende Wiedererkennbarkeit der entnommenen Rhythmussequenz (EuGH, GRUR 2019, 929 – Pelham u.a.; BGH, GRUR 2013, 614 – Metall auf Metall II; GRUR 2017, 895; a.A. BVerfG, GRUR 2016, 690).
Das Besondere an dem Fall: Nicht nur während des „Metall auf Metall“- Rechtsstreits, sondern aufgrund des Pelham u.a.-Urteils des EuGH wurde das Urheberrechtsgesetz geändert: Im Juni 2021 wurde die Vorschrift § 51a UrhG eingeführt; sie geht auf Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-Richtlinie zurück. Zugleich wurde die freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG), nach welcher sich die Zulässigkeit transformativer Werknutzungen früher beurteilte, wegen Unvereinbarkeit mit der InfoSoc-RL aus dem Urheberrechtsgesetz entfernt.
Mit der Gesetzesänderung stieg die Unsicherheit, nach welchen Maßstäben sich die Zulässigkeit transformativer Werknutzung beurteilt. Derzeit ist beim EuGH ein zweites Vorlageverfahren in dem Rechtsstreit „Metall auf Metall“ anhängig (Sh. unter curia.europa.eu, Rs. C-590/23 – Pelham u.a.). Es betrifft den Rechtsbegriff des Pastiche: Der EuGH soll entscheiden, ob die Pastiche-Schranke ein Auffangtatbestand für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk ist – einschließlich des Samplings und anderer Gestaltungstechniken der Remix-Kultur (BGH, GRUR 2023, 1531 – Metall auf Metall V.).
Zu hoffen bleibt, dass der EuGH dem Pastiche in Abgrenzung zur Parodie (sh. § 51a S. 1 UrhG) Kontur verleihen und die gegenwärtig unsichere Rechtslage auflösen wird. Seit Einführung von § 51a UrhG besteht in der Rechtsprechung nur Einigkeit darüber, dass ein Pastiche ein Akt der stilistischen Nachahmung ist (Sh. Gesetzesbegründung, Drucksache 19/27426, S. 91.). In welchem Umfang das ältere Werk zu diesem Zwecke referenziert werden darf, ist hingegen unklar. So bejahte das Landgericht Berlin etwa bei einer weitgehenden Übernahme eines Computerbilds in ein Ölgemälde ein Pastiche unter Verweis auf den innewohnenden kommunikativen Akt der stilistischen Nachahmung. Diese enthalte eine bewertende Referenz auf das vorbestehende Werk und setze die Übernahme fremder Werk(-teile) voraus (LG Berlin ZUM-RD 2022, 498 Rn. 37 ff.). Demgegenüber lehnte das Landgericht Köln bei einem YouTube-Lehrvideo, welches die „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ von Heinrich Böll comichaft nacherzählte und zur Veranschaulichung in die heutige Zeit übersetzte, ein Pastiche ab unter Verweis darauf, dass das Lehrvideo das Werk Heinrich Bölls vollständig widergebe (LG Köln, ZUM-RD 2024, 410.). Die stilistischen Unterschiede der Werke wie auch den referenziellen Charakter des Pastiches, der indes die Erkennbarkeit und Übernahme prägender Merkmale des älteren Werkes geradezu gebietet, ließ das Landgericht Köln unerwähnt (ausführlich: Wachtel, ZUM-RD 2024, 420).
Wegen der unsicheren Rechtslage wird die Entscheidung des EuGH von der Kreativindustrie mit Spannung erwartet. Die gezielte und erkennbare Bezugnahme auf fremdes schöpferisches Schaffen ist längst zu einem beliebten Stilmittel geworden. Die Anwendungsfälle des sog. Remix sind zahlreich. Sie reichen von der Musikindustrie über Werbespots und Lernvideos bis hin zur Verwendung von Memes in politischen und popkulturellen Kontexten. Sie haben gemein, dass sie im Wege einer transformativem Werknutzung auf ein vorbestehendes (Musik-, Sprach-, Film-)Werk Bezug nehmen und sich mit diesem auf humoristische, spielerische Weise sowie durch stilistische Nachahmung auseinandersetzen. Wo die Grenzen zwischen der rechtsverletzenden Vervielfältigung und der zulässigen Werknutzung verlaufen, wird hoffentlich bald in dem Pelham u.a.II-Urteil des EuGH beantwortet werden.