Das am 26. März 2019 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) sieht in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 (GeschGehRL) unter anderem spezifische zivilprozessuale Maßnahmen vor, die den Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses davor schützen sollen, dass sein Geheimnis im Zuge des Prozesses offengelegt und von Dritten genutzt werden können. Mit der Einstufung einer Information als geheimhaltungsbedürftig wird den Beteiligten einer Geheimnisschutzstreitsache (§ 16 Abs. 1) ipso iure die Nutzung und Offenlegung der Information untersagt und ihnen unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, diese vertraulich zu behandeln (§ 16 Abs. 2). Das Recht Dritter auf Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO wird beschränkt. § 19 Abs. 1 ermöglicht einen vollständigen Ausschluss Dritter und eine Be-schränkung der Personen einer Partei, die Kenntnis von Inhalt und Verlauf des gerichtlichen Verfahrens erhalten. Schließlich eröffnet § 19 Abs. 1 Satz 4 eröffnet dem Gericht einen weiten Ermessenspielraum zur Anordnung weiterer, spezifischer Maßnahmen, die es für die Erreichung des Zwecks der Geheimhaltung der betroffenen Informationen für erforderlich erachtet.
Da der Schutz von Geschäftsgeheimnis in unterschiedlichen prozessualen Konstellation relevant sein kann, kommt der Klärung des Anwendungsbereichs der Neuregelung eine wichtige Bedeutung zu.
Die prozessualen Geheimhaltungsmaßnahmen sollen nur in „Geschäftsgeheimnisstreitsachen“ statthaft sein. Eine Geschäftsgeheimnisstreitsache liegt nach der Legaldefinition in § 16 Abs. 1 vor bei Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden. Diese Definition wirft eine Reihe von Fragen auf, von denen wir folgende ansprechen wollen:
• Setzt § 16 Abs. 1 eine Hauptsacheklage voraus?
• Sind „Ansprüche nach dem GeschGehG“ nur die im Gesetz normierten deliktischen Ansprüche?
• Können gerichtliche Geheimnisschutzmaßnahmen lediglich in Verfahren vor den Zivilgerichten angeordnet werden?
• Wird eine Information nur auf Antrag einer Prozesspartei als geheimhaltungsbedürftig eingestuft oder kann auch ein anderer Beteiligter dies beantragen?
Die §§ 16 ff. sind im Lichte der Vorgaben und Ziele der GeschGehRL zu sehen, an den das nationale Umsetzungsgesetz zu messen ist. Die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung sind dieselben einer richterlichen Gesetzesauslegung. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen bzw. gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Die richtlinienkonforme Auslegung darf jedoch nicht zu dem erkennbaren Willen des nationalen Gesetzgebers in Widerspruch treten. Der Gehalt einer nach Wortlaut, Systematik und Sinn eindeutigen Regelung kann nicht im Wege der Auslegung in sein Gegenteil verkehrt werden.
a) Keine Beschränkung auf Klagen im engeren Sinne
Für eine Beschränkung auf Hauptsacheklagen im Sinne des § 253 ZPO findet sich in Art. 9 GeschGehRL keine Stütze. Hingegen ergibt sich aus dem in Erwägungsgrund (26) genannten Ziel, rasche, wirksame und vorläufige Rechtsschutzmaßnahmen zu schaffen, den in Art. 10 GeschGehRL geforderten vorläufigen und vorbeugenden Maßnahmen sowie der systematischen Stellung des Art. 9 „vor der Klammer“ in den „Allgemeinen Bestimmungen“ des Kapitel III, dass die Geheimhaltungsanordnungen auch für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Verfügung stehen.
Eine Beschränkung auf Hauptsacheklagen ist auch nicht durch den Wortlaut des § 16 Abs. 1 veranlasst. Die Nennung der „Klagen“ dient der Definition der Geschäftsgeheimnisstreitsache. Sie erfasst alle damit in Zusammenhang stehenden Verfahren einschließlich einstweiliger Verfügungen und der Zwangsvollstreckung. Dies zeigt schon die Parallele zu den Sonderschutzrechten, bei denen für Patentstreitsachen in § 143 Abs. 1 PatG, Markenstreitsachen in § 140 Abs. 1 MarkenG und Designstreitsachen in § 52 Abs. 1 DesignG auch der Begriff „Klage“ verwendet wird, wobei allgemein anerkannt ist, dass dieser Begriff weit auszulegen ist. Zumindest ist aber eine analoge Anwendung des § 16 auf diese Verfahrensarten zu befürworten.
b) Keine Beschränkung auf spezifische Ansprüche
Nach Art. 6 Abs. 1 GeschGehRL sowie den Erwägungsgründen (6) und (10) strebt die Richtlinie die Angleichung zivilrechtlicher Rechtsbehelfe in den Mitgliedsstaaten in Fällen von Geschäftsgeheimnisverletzungen an. Eine Beschränkung auf die Geltendmachung spezifischer Ansprüche eines bestimmten Gesetzes sieht die Richtlinie nicht vor. Insbesondere lässt sich aus Art. 9 GeschGehRL nicht entnehmen, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nur in Verfahren möglich sein soll, in denen Maßnahmen nach Art. 6 GeschGehRL bzw. den Abschnitten 2 und 3 des Kapitel III der GeschGehRL verfolgt werden, welche im Wesentlichen durch die Ansprüche des GeschGehG abgebildet werden.
Eine richtlinienkonforme Auslegung fällt indessen in diesem Punkt schwer, da der Wortlaut des § 16 Abs. 1 GeschGehG eine Grenze setzt. Es wäre möglicherweise noch vertretbar, neben Ansprüchen nach dem GeschGehG auch allgemeiner durch das Gesetz vermittelte Rechte genügen zu lassen, wie z.B. die Inhaberschaft am Geschäftsgeheimnis. In richtlinienkonformer Auslegung könnte § 16 GeschGehG daher so zu verstehen sein, dass Schutzmaßnahmen in Verfahren angeordnet werden können, in denen sich aus dem GeschGehG ergebende Rechte verfolgt oder verteidigt werden. Dies umfasst auch andere als die im Geheimnisschutzgesetz normierten deliktischen Ansprüche,
wie zum Beispiel Beweissicherungsansprüche nach §§ 809, 810 BGB und vertragliche Ansprüche, wie beispielsweise Ansprüche aus Vertraulichkeitsvereinbarungen, Lizenzverträgen o.ä. „Ansprüche nach diesem Gesetz“ in § 16 Abs. 1 sind daher nach richtlinienkonformer Auslegung sämtliche Ansprüche und Rechte in Bezug auf ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1.
Im Hinblick darauf, dass deutsche Gerichte auch für die Entscheidung in Streitigkeiten zuständig sein können, in denen das materielle Geheimnisschutzrecht eines anderen Mitgliedsstaats anwendbar ist, sind auch Ansprüche nach den nationalen Geheimnisschutzvorschriften anderer Mitgliedsstaaten erfasst, soweit diese auch nach dem GeschGehG geschützt wären. Angesichts der von der GeschGehRL verlangten Harmonisierung dürften nach anderen nationalen Rechtsvorschriften geschützte Geschäftsgeheimnisse in aller Regel auch unter den Geschäftsgeheimnisbegriff des § 2 Nr. 1 GeschGehG fallen.
c) Weites Verständnis des Begriffs der „Geltendmachung“ von Ansprüchen
Geheimhaltungsanordnungen sollen nach der Art. 9 Abs. 1 GeschGehRL dann möglich sein, wenn eine Geschäftsgeheimnisverletzung in irgendeiner Weise Gegenstand des Verfahrens ist. Die Formulierung „Gegenstand des Verfahrens“ ist autonom auszulegen und angesichts des Schutzbedürfnisses des Geschäftsgeheimnisinhabers und des mit der Richtlinie bezweckten Ziels einer Stärkung des Schutzes weiter als der Streitgegenstandsbegriff des deutschen Zivilprozessrechts. Geheimhaltungsanordnungen müssen auch dann zur Verfügung stehen, wenn der Schutz vor rechtswidrigem Erwerb oder rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung einen Teil- oder Unteraspekt des Verfahrens betrifft.
Überdies verlangt Art. 9 GeschGehRL nicht, dass es bereits zu einer Verletzung gekommen sein muss. Entsprechend sieht Art. 10 GeschGehRL auch vorbeugende Maßnahmen im Vorfeld einer (ggf. auch erstmaligen) Verletzung vor. Deshalb dürfte vom Anwendungsbereich des Art. 9 GeschGehRL auch eine Fallgestaltung umfasst sein, in der ein Verfahrensbeteiligter einer erstmals durch das Verfahren selbst heraufbeschworenen Gefahr einer rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses begegnen muss, beispielsweise wenn der Verteidigungsvortrag im originär nicht notwendigerweise ein Geschäftsgeheimnis betreffenden Verfahren die Offenbarung eines Geschäftsgeheimnisses erfordert.
Bei weiter Auslegung lässt sich auch der Wortlaut des § 16 Abs. 1 mit diesen Vorgaben der Richtlinie vereinbaren. Zwar fordert eine Geschäftsgeheimnisstreitsache, dass „Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht“ werden. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn eine drohende Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses unterbunden werden soll, wie sich aus § 6 Satz 2 ergibt. Eine solche Gefahr einer Offenlegung kann auch entstehen, wenn der Geheimnisinhaber nicht auf der Aktivseite eines Verfahren steht. Z.B. könnte ein beklagter Geheimnisinhaber im Rahmen eines gerichtlichen Prozesses aufgrund des Erfordernisses eines substantiierten Bestreitens oder einer sekundären Darlegungslast faktisch gezwungen sein, sein Geschäftsgeheimnis offenzulegen, um sich zu entlasten (da ansonsten der Klägervortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO, und er den Prozess verliert).
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 ist also nur dann richtlinienkonform verstanden, wenn es für die Geheimhaltungsanordnung nicht darauf ankommt, ob die Ansprüche wegen Geschäftsgeheimnissen aktiv geltend gemacht werden, oder ob die Geltendmachung in anderer Weise geschieht, beispielsweise als Einwendung. Die Ansprüche müssen auch nicht im Wege einer Leistungsklage geltend gemacht werden. Es genügt, wenn der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zum Schutze des Geheimnisses mit den ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln agiert. Dies schließt die Erhebung von dem Schutz des Geheimnisses dienenden Feststellungsklagen oder Zwischenfeststellungsklagen ein, auf deren Statthaftigkeit wir in einem gesonderten Beitrag näher eingehen werden.
d) Keine Beschränkung auf zivilgerichtliche Verfahren
Auch wenn die Erwägungsgründe (6) und (10) der GeschGehRL sowie Art. 6 Abs. 1 GeschGehRL den zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen in den Vordergrund stellen, spricht dies nicht zwingend für eine einschränkende Auslegung des Art. 9 GeschGehRL auf Zivilprozesse nach dem deutschen Rechtsverständnis. Vielmehr dürfte die Richtlinie den Schutz zivilrechtlicher Rechtspositionen unabhängig davon bezwecken, ob diese Gegenstand bürgerlicher Rechtsstreite oder anderer Verfahren sind, solange es die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses zum Gegenstand hat. Dies jedenfalls dann, wenn das Verfahren zumindest auch dem Schutz der zivilrechtlichen Rechtsposition des Geheimnisinhabers dient. Art. 9 GeschGehRL verlangt einen effektiven Schutz von Geschäftsgeheimnissen, also nicht nur im Zivilprozess, sondern unabhängig davon in sämtlichen Verfahren bzw. Gerichtsbarkeiten.
Darüber hinaus sieht Art. 9 GeschGehRL keine Beschränkung auf gerichtliche Verfah-ren im Sinne eines deutschen Begriffsverständnisses vor. Zwar bezieht sich Art. 9 Abs. 1 GeschGehRL auf „Gerichtsverfahren“, der Begriff des Gerichts ist jedoch autonom auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Gerichtsbegriff im Sinne von Art. 267 AEUV ist wesentlich, dass es sich um eine unabhängige Stelle auf gesetzlicher Grundlage handelt, die eine ständige und obligatorische Gerichtsbarkeit ausübt und deren potenziell verbindliche Entscheidungen unter Anwendung von Rechtsnormen zustande kommen und auf rechtsstaatlichen Grundsätzen basieren. Entscheidend für die Qualifizierung als Gericht ist, dass bei der in Frage kommenden Stelle ein Rechtsstreit anhängig sein kann, der in einem auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter gerichteten Verfahren entschieden werden kann. Strafrechtliche Ermittlungsbehörden zählen allerdings nicht hierzu.
Auch die Vorschrift des § 16 ist nicht auf den Zivilprozess beschränkt. Vielmehr lässt sich aus dem Umkehrschluss zu § 15 Abs. 1 GeschGehG entnehmen, dass eine Geltendmachung von Ansprüchen nicht nur vor den ordentlichen Gerichten möglich sein soll. Das schließt auf der einen Seite die Arbeitsgerichte ein, auf der anderen Seite Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten aber nicht aus.
Eine Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche nach dem GeschGehG außerhalb der Zivilgerichte ist u.a. im strafprozessualen Adhäsionsverfahren nach den §§ 403 ff. StPO denkbar. Das Verhältnis der Zuständigkeitsvorschrift des § 403 StPO zur Regelung des § 15 ist allerdings noch ungeklärt. Außerdem kommt eine Anwendung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Betracht. Dem steht die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Gesch-GehG nicht entgegen. Diese schließt die Geltendmachung zivilrechtlicher Geschäftsgeheimnisse im öffentlich-rechtlichen Kontext nicht aus, sondern begründet nur den Vorrang öffentlich-rechtlicher Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung und Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen. Dieser Vorrang wirkt nur soweit, wie derartige Vorschriften tatsächlich einschlägig sind, was im Einzelfall auch bei den Verwaltungsgerichten zu klären sein kann.
Auch Verwaltungsverfahren, wie z.B. ein patentrechtliches Einspruchsverfahren nach §§ 59 ff. PatG oder ein markenrechtliches Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, sind einem kontradiktorischen, zivilpro-zessualen Verfahren vor einem Gericht im Sinne der EuGH-Rechtsprechung näher als einem behördlichen Verwaltungsverfahren. Die Vorschrift setzt mit ihrer Bezugnahme auf Klagen allerdings eine Grenze, die bei einer Anwendung auf solche außergerichtliche Verfahren überschritten würde. Eine davon unabhängig Frage – die hier nicht beantwortet werden kann – ist, ob die GeschGehRL für derartige Verfahren eine Direktwirkung entfaltet, sodass im Ergebnis Geheimhaltungsanordnung auch außerhalb gerichtlicher Verfahren nach dem deutschen Rechtsverständnis möglich sein müssen.
In außergerichtlichen Verfahren, wie bspw. in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und verwaltungsbehördlichen Widerspruchsverfahren, die nicht dem europarechtlichen Gerichtsbegriff unterfallen, ist § 16 indessen ebenso unanwendbar wie Art. 9 GeschGehRL hier unmittelbare Wirkungen entfalten kann.
e) Kein Ausschluss Dritter als Geheimnisinhaber
Schließlich beschränkt die Richtlinie die Geheimhaltungsanordnungen nicht auf den Schutz der Verfahrensbeteiligten. Vielmehr lässt Art. 9 Abs. 1 GeschGehRL für die Einstufung als vertraulich den Antrag einer „interessierten Partei“ genügen. Da eine Verfahrenspartei in jedem Fall interessiert ist, dürfte die „interessierte Partei“ in Abgrenzung zu einer bereits am Verfahren beteiligten Partei zu verstehen sein und jeden erfassen, der ein berechtigtes Interesse am Erlass von Geheimhaltungsanordnungen hat. Das bezieht insbesondere Dritte ein, die Anlass zu der Annahme haben, im Verfahren könne es zu einer durch sie nicht hinzunehmenden Offenlegung ihrer Geschäftsgeheimnisse kommen. Nur die spezifischen Geheimhaltungsanordnungen nach Art. 9 Abs. 2 GeschGehRL sollen auf Antrag einer Verfahrenspartei ergehen, wobei die Interessen Dritter bei der Entscheidung über spezifische Geheimhaltungsanordnungen berücksichtigt werden sollen.
Nach § 16 Abs. 1 ist jede Partei einer Geschäftsgeheimnisstreitsache antragsbefugt. Unklar ist, ob damit der formelle Parteibegriff der ZPO gemeint ist, d.h. nur diejenigen Personen, von welchen oder gegen welche im eigenen Namen staatlicher Rechtsschutz in einer Geheimnisschutzstreitsache begehrt wird. Dagegen könnte sprechen, dass nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 auch von Dritten eingereichte oder vorgelegte Dokumente dem Zugang bestimmter Personen entzogen werden können und sollen. Die Anordnungen nach den §§ 16 ff. GeschGehG dienen also auch dem Schutz der Geheimnisse von Beteiligten, die nicht formelle Parteien des Rechtsstreits sind. Dies folgt auch aus § 19 Abs. 1 Satz 2, wonach auch das Recht der (sonstigen) Beteiligten auf rechtliches Gehör in die gebotene Interessenabwägung eingestellt werden soll. Einer richtlinienkonformen Auslegung des § 16 Abs. 1, wonach generell auch Dritten ein Antragsrecht zustehen kann, steht demnach nichts entgegen.
Dieses Antragsrecht eines Dritten nach § 16 besteht allerdings nicht Konstellationen, in denen die Hauptparteien am Schutz von Geschäftsgeheimnissen kein Interesse haben und diesen deshalb auch nicht zum Verfahrensgegenstand gemacht haben. Dann liegt keine Geschäftsgeheimnisstreitsache vor. Sie kann auch nicht durch den Antrag eines Dritten, der um den Schutz seines Geschäftsgeheimnisses besorgt ist, zur Geschäftsgeheimnisstreitsache im Sinne des § 16 gemacht werden. Eine solche Auslegung ist mit Wortlaut und Systematik der §§ 16 ff. nicht zu vereinbaren.
Der Begriff der Geheimnisstreitsache des § 16 Abs. 1 GeschGehG ist richtlinienkonform weit auszulegen. Er ist nicht auf Hauptsacheklagen beschränkt, sondern erfasst alle im Zusammenhang mit einer Klage stehenden Verfahren einschließlich solcher im einstweiligen Rechtsschutz und in der Zwangsvollstreckung. Ansprüche im Sinne dieser Legaldefinition sind nicht nur die im GeschGehG explizit genannten deliktischen Anspruchsgrundlagen, sondern sämtliche Ansprüche und Rechte in Bezug auf ein Geschäftsgeheimnis; und zwar auch dann, wenn diese als Einwendung oder im Wege einer (auch negativen) Feststellungsklage geltend gemacht werden. Sofern eine Geheimnisstreitsache gegeben ist, können auch andere Beteiligte, wie z.B. Streithelfer, prozessuale Geheimnisschutzmaßnahmen nach §§ 16 ff. GeschGehG beantragen.