In einem Verfahren der Patentverletzung hatte sich ein Patentinhaber eines deutschen Teils eines Europäischen Patents gegen einen angeblichen inländischen Verletzer an das Landgericht München I gewandt.
Der Zulieferer des angeblichen Verletzers beantragte anschließend in den USA eine einstweilige Verfügung, die es dem Patentinhaber verbieten solle, gegen den angeblichen Patentverletzer in Deutschland zu klagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Patentinhaber mit der Patentverletzungsklage seine FRAND-Verpflichtungen verletze. Das angegangene US-Gericht gewährte dem dortigen Beklagten und Patentinhaber rechtliches Gehör und leitete diesen Antrag an ihn weiter.
Solche sogenannten Anti-Suit-Injunctions (die also ein Gerichtsverfahren durch eine andere gerichtliche Anordnung stoppen) sind in den USA und dem Vereinigten Königreich durchaus keine Seltenheit und torpedieren damit in vielen Fällen bereits anhängige Gerichtsverfahren in anderen Ländern.
In dem betreffenden Verfahren ging allerdings der Patentinhaber zum Gegenangriff über und beantragte beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen den Zulieferer, ihm zu verbieten bei einem US-Gericht eine solche Anti-Suit-Injunction zu betreiben und diese zurückzunehmen.
Das Landgericht München I hat dem Begehren durch eine Beschlussverfügung entsprochen und diese Beschlussverfügung dann in einem weiteren Verfahren gegen die Muttergesellschaft des Zulieferers sogar noch einmal wiederholt.
Das Landgericht führte zur Begründung aus, dass das Begehren einer solchen Anti-Suit-Injunction die Klagerechte der Patentinhaberin beeinträchtigen würde. Das Rechtsstaatsprinzip und der Anspruch auf Rechtsgewährung stehen nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf von 1996 einer solchen Anti-Suit-Injunction ebenso entgegen, wie die Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland. Die Justizhoheit der Bundesrepublik sei beeinträchtigt, wenn ein ausländisches Gericht Beteiligten eines Verfahrens in Deutschland Weisungen darüber erteilt, wie sie sich zu verhalten oder einzulassen haben und welche Anträge sie stellen dürfen.
Ebenso sei es ein Eingriff in die Hoheitsrechte Deutschlands, dass bestimmte Verfahren vor deutschen Gerichten nicht anhängig gemacht werden dürften oder zurückgenommen werden müssten. Die nationalen Gerichte müssten vielmehr selbst darüber entscheiden, ob sie für bestimmte Verfahren zuständig und zur Entscheidung berufen sind.
Die unweigerliche Ironie dieser einstweiligen Verfügung des LG München ist es, dass ein Gericht einer Partei verbietet, ein anderes, ausländisches Gericht anzurufen, ein Verfahren dort fortzuführen, welches das verfügende Gericht daran hindern soll, sein eigenes Verfahren fortzuführen und zu entscheiden. Die Begründung liegt darin, dass ein fremdes Gericht nicht in die Verfahrensführung des anordnenden Gerichtes eingreifen dürfen soll. Die Ironie liegt darin, dass das anordnenden Gericht bezüglich des anderen Gerichts genau das tut, was es sich selbst verbittet. Dies zeigt, dass solche übergriffigen Anti-Suit-Injunctions ein Gift sind, dem anscheinend nur mit einem identischen Gegengift begegnet werden kann.
Die in Kontinentaleuropa normalerweise übliche richterliche Zurückhaltung in extraterritorialen Entscheidungen und der Rücksichtnahme auf Souveränitätsrechte anderer Staaten hat seine Berechtigung. Wo allerdings die eigenen verfassungsrechtlichen Grundsätze durch ausländische Gerichte beeinträchtigt werden, muss das Rechtssystem einen Weg finden, sich dagegen (außer auf diplomatischem Wege) zur Wehr zu setzen und der eigenen Verfassung Geltung zu verschaffen.
Die deutschen Gerichte werden vermutlich künftig öfter in dieser Weise angegangen werden, um den verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruch gegen übergriffige Rechtsordnungen durchzusetzen.