Mit Beschluss vom 15.07.2005, abgedruckt z. B. in GRUR 2005, Seite 882 ff., hat der Große Senat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verwarnten darstellt. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein „sonstiges Recht“ i. S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung hat somit der zu Unrecht Verwarnte zum einen einen (verschuldensunabhängigen) Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB und zum anderen einen Schadensersatzanspruch, wenn der Verwarnende schuldhaft gehandelt hat. Zum Schadensersatz gehören insbesondere die Anwaltskosten, welche dem zu Unrecht Verwarnten für die außergerichtliche Verteidigung gegen die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche entstehen.
Mit Urteil vom 19.01.2006, abgedruckt z. B. in GRUR 2006, Seite 433 ff., hat der Bundesgerichtshof weiter entschieden, dass auch die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Lieferanten darstellt, weil durch eine Abmahnung die Geschäftsbeziehung zwischen dem Abnehmer und dem Lieferanten erfahrungsgemäß empfindlich gestört werden kann. Es kommt immer wieder vor, dass Abnehmer den Aufwand vermeiden wollen, sich mit einer Abmahnung auseinanderzusetzen, und stattdessen die Produkte des betreffenden Lieferanten aus dem Sortiment nehmen, um so einen Rechtsstreit zu vermeiden. Sollte die Abnehmerverwarnung unberechtigt sein, hat somit der Lieferant ebenfalls den (verschuldens- unabhängigen) Unterlassungsanspruch sowie auch einen (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch. Der Lieferant kann dann von demjenigen, der die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern ausgesprochen hat, verlangen, dass er es zu unterlassen hat, künftighin die Abnehmer abzumahnen. Ein solcher Unterlassungsanspruch kann auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Von dieser Möglichkeit sollte der Lieferant, dessen Abnehmer zu Unrecht verwarnt wurden, unbedingt Gebrauch machen, um so wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden. Sollte ferner zum Beispiel aufgrund der unberechtigten Abmahnung ein Abnehmer die Geschäftsbeziehung zum Lieferanten beenden, so kann der Lieferant den ihm dadurch entstehenden Schaden (entgangener Gewinn etc.) gegenüber demjenigen, der zu Unrecht abgemahnt hat, geltend machen, vorausgesetzt, dass der Verwarnende schuldhaft gehandelt hat.
In der Entscheidung „Zentrierstifte II“ hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein solches Verschulden verneint. In jenem Fall hatte die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern für Zentrierstifte abgemahnt und anschließend verklagt.
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf waren die Gemeinschaftsgeschmacksmuster zum Zeitpunkt der Abmahnung neu und eigenartig und die von der Beklagten verwendeten Ausführungsformen fielen in den Schutzbereich der Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Die Beklagte verteidigte sich insbesondere damit, dass die Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig zu erklären seien, weil sie ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt seien i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GGV.
Das OLG Düsseldorf legte die Frage, ob die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin ausschließlich durch die technische Funktion der geschützten Zentrierstifte bedingt seien, dem EuGH vor. Der EuGH bejahte diese Frage, siehe GRUR 2018, 612 – DOCERAM/CeramTec. Die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin waren daher als von Anfang an für nichtig zu erklären.
Damit war auch die von der Klägerin aufgrund dieser Gemeinschaftsgeschmacksmuster ausgesprochene Abmahnung unberechtigt. Die unberechtigte Abmahnung stellte einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Allerdings, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, könne der Klägerin im vorliegenden Fall ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, sodass der Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten mangels Verschulden der Klägerin nicht zustehen würde. Zum Zeitpunkt der Abmahnung sei nämlich die Schutzrechtslage nicht eindeutig gewesen. Die von der Klägerin vertretene Rechtsposition sei vertretbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Abmahnung habe die Klägerin mit der zu dieser Zeit herrschenden Meinung in Deutschland davon ausgehen dürfen, dass die Klageschutzrechte nicht wegen technischer Bedingtheit nichtig seien.