Die damit beschlossenen Änderungen betreffen insbesondere die Aktivlegitimation von Wettbewerbern und Verbänden, die Frage, wann Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind, in welchen Fällen die Abmahnkosten weiterhin ersetzt verlangt werden können bzw. wann ein Anspruch des Abgemahnten auf Aufwendungsersatz entsteht, welche formellen Anforderungen künftig beim Ausspruch von Abmahnungen zu beachten sind, ob und in welcher Höhe Vertragsstrafen vereinbart werden können und – last but not least – die Frage, vor welchem Gericht lauterkeitsrechtliche Rechtstreitigkeiten künftig auszutragen sind.
Was ändert sich nun konkret?
Anspruchsberechtigung, § 8 Abs. 3 UWG
Eine Einschränkung erfährt zunächst die Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern (§ 8 Abs. 3 Ziff. 1 uwg). Aktivlegitimiert ist nunmehr nicht mehr – wie bisher – jeder Mitbewerber; erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Mitbewerber „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“.
Wie der Begriff des „Vertreibens“ in diesem Zusammenhang deutlich macht, reicht es dabei nicht aus, wenn der Mitbewerber gleiche oder vergleichbare Waren nur anbietet. Auch muss der Vertrieb derartiger Waren „in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich“ erfolgen. Zwar sind laut Gesetzesbegründung an dieses Erfordernis insgesamt keine zu hohen Anforderungen in Bezug auf Umfang und Dauer des Vertriebs zu stellen; Nachweise zum Umsatz der Größenordnung nach sind jedoch beizubringen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt also beim abmahnenden Mitbewerber. Beispiele möglicher Beweismittel nennt die Gesetzesbegründung nicht; allerdings soll es nicht erforderlich sein, eine Steuerberaterbescheinigung beizubringen oder konkrete Umsatzzahlen mitzuteilen.
Eine Konkretisierung hat auch die Anspruchsberechtigung rechtsfähiger Verbände erfahren (§ 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG).
Aktivlegitimiert sind nunmehr nur noch „diejenigen rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, die in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“.
Der damit in Bezug genommene § 8b UWG stellt besondere Voraussetzungen für die Aufnahme derartiger Verbände in die beim Bundesministerium für Justiz geführte und auf dessen Internetseite veröffentlichte Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände auf. Sinn und Zweck der Norm ist es, die Prüfung der Aktivlegitimation in diesem Bereich auf das Bundesministerium der Justiz zu verlagern und so die Gerichte zu entlasten.
Eingetragen werden kann nach § 8b UWG nur ein Verband, dessen Verbandszweck auf die Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen seiner Mitglieder gerichtet ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Verband in konkreten Fällen lauterkeitsrechtlicher Fragestellungen beratend tätig ist, wobei eine Beratung nur der eigenen Mitglieder genügt. Die Herausgabe allgemein gehaltener Flyer oder Broschüren bzw. die Zurverfügungstellung von Informationen auf der Webseite soll allerdings nicht ausreichend sein.
Hinzu kommt, dass der Verband mindestens 75 Mitglieder (ggf. aus verschiedenen Branchen) haben und aufgrund seiner personellen, finanziellen und räumlichen Ausstattung zur Wahrnehmung seiner satzungsmäßigen Aufgaben in der Lage sein muss – und diesen Aufgaben auch tatsächlich schon seit mindestens einem Jahr nachgekommen ist.
Vorausgesetzt wird zudem, dass der betreffende Verband seine Abmahntätigkeit bzw. die Geltendmachung von Vertragsstrafen nicht vorwiegend zur Einnahmenerzielung einsetzt und Mitglieder keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen erhalten.
Anspruchsberechtigung gem. § 8a UWG, Art. 14 Abs. 3 und 4 VO (EU) 2019/1150
Vor § 8b UWG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes und weiterer Gesetze[1] die Vorschrift des § 8a in das UWG eingefügt. Danach sind, abweichend von § 8 Abs. 3 UWG, bei einem Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten – die sogenannte „Plattform-to-Business-„oder „P2B-Verordnung“ – nur diejenigen Verbände, Organisationen und öffentlichen Stellen aktivlegitimiert, die die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 und 4 der Verordnung erfüllen.
Da die Verordnung eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG darstellt und Art. 14 Abs. 3 und 4 der P2B-Verordnung besondere Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung aufstellen, musste § 8a UWG als Umsetzungsnorm in das UWG eingefügt werden. Organisationen, die Verstöße gegen die P2B-Verordnung ahnden dürfen, müssen Kollektivinteressen der gewerblichen Nutzer oder der Nutzer mit Unternehmenswebsites vertreten und ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeiten.
Normiert sind in der, seit dem 12.07.2020 geltenden Verordnung spezifische Anforderungen, die sogenannte Online-Vermittlungsdienste gegenüber ihren gewerblichen Nutzern in der Europäischen Union einzuhalten haben. Zu den damit in die Pflicht genommenen Online-Vermittlungsdiensten zählen etwa Online-Marketplaces, Hotelbuchungsportale, App-Stores, Soziale Netzwerke, Preisvergleichungsportale und Suchmaschinen, von deren Vermittlungstätigkeit Kleinstunternehmen, aber auch KMU in der Praxis zunehmend abhängig sind. Derartige Vermittlungsdienste werden durch die Verordnung zu größerer Transparenz und Fairness in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bei der Erstellung von Rankings u. ä. verpflichtet.
Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen, § 8c UWG
Gemäß § 8c Abs. 1 UWG, der an die frühere Regelung in § 8 Abs. 4 UWG anknüpft, sind rechtsmissbräuchliche Abmahnungen unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob die abgemahnte Handlung tatsächlich unlauter ist oder nicht.
Ob eine missbräuchliche Abmahnung vorliegt, ist wie bisher anhand sämtlicher Gesamtumstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei ist Missbrauch im Zweifel anzunehmen, wenn
Darüber hinaus ist von Rechtsmissbrauch im Zweifel auch dann auszugehen, wenn
Gemäß Abs. 3 der Norm kann der Anspruchsgegner im Falle der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen vom Anspruchsteller Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Weitere Änderungen haben sich insbesondere im Hinblick auf Form und Inhalt einer Abmahnung, auf die Höhe der Vertragsstrafe, Kostenerstattungsansprüche und den Gerichtsstand ergeben.
Obliegenheit der Abmahnung, § 13 Abs. 1 UWG
Die Vorschrift im alten § 12 Abs. 1 UWG, wonach dem Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens Gelegenheit gegeben werden sollte, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewerten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, wurde in den neuen § 13 Abs.1 UWG aufgenommen.
Vorgaben an Inhalt der Abmahnung, § 13 Abs. 2 UWG
Das Gesetz sieht konkrete Vorgaben an den Inhalt einer Abmahnung vor. Gemäß § 13 Abs. 2 UWG müssen in der Abmahnung klar und verständlich folgende Angaben getätigt werden:
– Name oder Firma des Abmahnenden/ggf. zusätzlich des Vertreters
– die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG
– ob und Höhe des Aufwendungsersatzanspruches und wie sich dieser berechnet
– die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände und, falls zutreffend,
– dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.
Aufwendungsersatz und Ausschluss des Aufwendungsersatzes, § 13 Abs. 4 und 5 UWG
In bestimmten Fällen können Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG keine Erstattung ihrer Aufwendungen verlangen, nämlich für Abmahnungen bei im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG) sowie bei sonstigen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern diese in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen (§ 13 Abs.4 Nr. 2 UWG).
Hintergrund dieser Änderungen ist die grassierende Abmahntätigkeit, welche (vermeintliche) Mitbewerber in Bezug auf Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder die DSGVO geltend machten.
Sollte die Abmahnung unberechtigt sein oder die Abmahnung nicht in klarer und verständlicher Weise die vorgeschriebenen Angaben enthalten oder der Abmahnende ungeachtet des gesetzlich vorgesehenen Aufwendungsersatzausschlusses einen solchen geltend machen, hat der Abgemahnte Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Dieser ist beschränkt auf die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches, die der Abmahnende geltend macht (§ 13 Abs. 5 UWG).
Der Anspruch auf Erstattung der eigenen Verteidigungskosten des Abgemahnten ist im Fall einer unberechtigten Abmahnung allerdings ausgeschlossen, wenn für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung die fehlende Berechtigung nicht erkennbar war. Wie sich dieser Ausschluss in der Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten.
Vorschriften zur Vertragsstrafe, § 13a UWG
Neu eingefügt wurde § 13a UWG zur Geltendmachung und Höhe von Vertragsstrafen. Danach sind bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe folgende Umstände zu berücksichtigen
– Art, Ausmaß und Folgen der Zuwiderhandlung
– Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und ggf. die Schwere des Verschuldens
– Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten sowie
– wirtschaftliches Interesse des Abgemahnten an erfolgten und zukünftigen Verstößen.
Im Falle einer erstmaligen Abmahnung bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien sowie bei Verstößen gegen die DSGVO und das BDSG ist eine solche Vereinbarung für Mitbewerber allerdings ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, § 13a Abs. 2 UWG.
Des Weiteren sieht das Gesetz eine Deckelung der Höhe der Vertragsstrafe vor. Gemäß § 13a Abs. 3 UWG darf eine Vertragsstrafe eine Höhe von 1.000,- EUR nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern nur in unerheblichem Maße beeinträchtigt und wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Auch diese Regelung dient dem Schutz vor Abmahnungen unter Geltendmachung überhöhter Vertragsstrafen bei sog. Bagatellverstößen.
Verspricht der Abgemahnte auf Verlangen des Abmahnenden dennoch eine unangemessen hohe Vertragsstrafe, schuldet er lediglich eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe (§ 13a Abs. 4 UWG).
In der Praxis sehen Vertragsstrafeversprechen entweder eine feste Höhe oder den sog. Hamburger Brauch vor. Durch das neue UWG wurde eine Regelung eingefügt, wonach bei nicht näher bezifferten Vertragsstrafen der Abgemahnte bei Uneinigkeit über die Höhe auch ohne Zustimmung des Abmahnenden eine Einigungsstelle nach § 15 UWG anrufen kann. Das Gleiche gilt, wenn der Abgemahnte nur eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe schuldet (§ 13a Abs. 5 UWG).
„Fliegender Gerichtsstand“, § 14 UWG
Schließlich wurde der sog. „fliegende Gerichtsstand“ eingeschränkt.
Zwar ist nach wie vor für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch aufgrund des UWG geltend gemacht wird, zusätzlich zum allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde (14 Abs. 2 Satz 2 UWG).
Im Falle von Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien oder im Falle von Rechtsstreitigkeiten, die von Verbänden, qualifizierten Einrichtungen, Industrie- und Handelskammern und vergleichbaren Organisationen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 – 4 UWG geltend gemacht werden, verbleibt es allerdings bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG. Eine Ausnahme davon sieht das Gesetz nur vor, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
[1] BT-Drs 19/20664
[1] BT-Drs. 19/2084
[2] vgl. BR-Drucksache 529/20