Es ergeben sich insbesondere erhebliche Veränderungen beim Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜbkG). Nach dessen Neufassung gilt das Doppelschutzverbot in Zukunft nur noch für Europäische Patente, für die wirksam (!) ein Opt-Out erklärt wurde (§ 8 Abs. 1 IntPatÜbkG n.F.). Ein paralleles deutsches Patent verliert seine Wirkung an dem Tag, an dem das Opt-Out wirksam geworden ist. Für den Fall, dass das Opt-Out nachträglich gemäß Artikel 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgenommen wird (sog. Opt-In), verbleibt es dabei, dass das deutsche Patent keine Wirkungen mehr entfaltet. Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung (EPeW) können ebenfalls mit einem nationalen DE-Patent flankiert werden, ohne dass dieses seine Wirkung verlieren würde.
Die Neuregelung des Doppelschutzverbots macht es deutlich attraktiver, kein Opt-Out zu erklären, sondern parallel zum Europäischen Patent die nationale Stammanmeldung weiterzuführen. Erwägenswert ist auch die Inanspruchnahme der Priorität für eine deutsche Nachanmeldung, sofern zunächst eine EP-Anmeldung eingereicht wurde. Auf diese Weise kann man sich die Möglichkeit bewahren, vor dem Einheitlichen Patentgericht europaweit gegen Verletzungshandlungen vorzugehen, ohne die Option aufzugeben, vor den nationalen Gerichten aus dem deutschen Patent zu klagen. Zu betonen ist auch die Stärkung des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. Für das EPeW fällt das Doppelschutzverbot. Dies beugt einerseits dem Risiko der zentralen Vernichtung des EPeW vor dem Einheitlichen Patentgericht vor, andererseits ermöglicht es im Falle einer Patentverletzung, flexibel reagieren zu können. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Es wird daher vorgeschlagen, die Verhältnisse zwischen einem nationalen Patent und einem EPeW mit einheitlicher Wirkung sowie zwischen einem nationalen Patent und einem Europäischen Patent neu zu gestalten. Das vorgeschlagene System ergibt sich bei einer Zusammenschau der §§ 8, 15 Absatz 1 und 18 IntPatÜbkG-E. In der Regel soll es möglich sein, neben einem Europäischen Patent oder einem EPeW ein nationales Patent zu halten“.
Die Regelung gilt nur für solche nationalen Patente, die nach dem Inkrafttreten des EPGÜ erteilt werden. Es kommt also nicht auf die Anmeldung, sondern nur auf den Tag der Erteilung an. DE-Patente, die vor der Erteilung stehen, sollten also daraufhin überprüft werden, ob die Erteilung nicht hinausgezögert werden kann, um von dieser Möglichkeit profitieren zu können. Ausgeschlossen ist es allerdings, wegen ein und desselben Verletzungssachverhalts aus einem Europäischen Patent und einem inhaltsgleichen deutschen Patent vor dem Einheitlichen Patentgericht und gleichzeitig vor einem nationalen Gericht vorzugehen (Art. II § 18 IntPatÜbkG n.F., sog. Einrede der doppelten Inanspruchnahme). Hiervon unberührt bleibt der Eilrechtsschutz (Art. II § 18 Abs. 4 IntPatÜbkG).
Das Gesetz regelt auch das Verhältnis von deutschem Teil des EP und Europäischem Patent mit einheitlicher Wirkung (EPeW). Gemäß Art. II § 15 Abs. 2 IntPatÜbkG hört der deutsche Teil des EP auf zu existieren, sobald das Einheitspatent wirksam erteilt ist. Wird indes der Antrag auf einheitliche Wirkung zurückgewiesen, kann gemäß Art. II § 15 Abs. 3 IntPatÜbkG die Jahresgebühr für den deutschen Teil des EP noch nach Rechtskraft der Entscheidung über die Zurückweisung der Eintragung der einheitlichen Wirkung bezahlt werden; damit werden gefährliche Schutzrechtslücken verhindert, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der Eintragung der einheitlichen Wirkung erst fällt, wenn die Jahresgebühr in Deutschland für das Europäische Bündelpatent bereits fällig war. Allerdings sieht die Verfahrensordnung des EPGÜ in Regel 97 hierfür ein beschleunigtes Verfahren vor, das in weniger als vier Monaten in zweiter und letzter Instanz entschieden sein soll.
Vorsicht ist geboten mit Blick auf den Entschädigungsanspruch beim Einheitspatent. Denn vor der Eintragung der einheitlichen Wirkung wird dieses behandelt wie ein gewöhnliches Europäisches Patent (Art. II § 15 Abs. 1 IntPatÜbkG mit Verweis auf Art. II §§ 1, 2 IntPatÜbkG). Auch hier bleibt es also beim Erfordernis der Einreichung einer Übersetzung der Patentansprüche ins Deutsche.
Die neu eingefügten Art. II §§ 19 und 20 IntPatÜbkG regeln die Zwangsvollstreckung aus Urteilen des Einheitlichen Patentgerichts: Zwangsmittel- und Ordnungsmittelverfahren können vor der deutschen Patentstreitkammer, in deren Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat oder in dem vollstreckt werden soll, angestrengt werden (Art. II § 19 IntPatÜbkG); einer gesonderten Klauselerteilung bedarf es nicht, s. Art. 82 Abs. 1 S. 2 EPGÜ. Für die Zwangsvollstreckung gelten die §§ 802a ff. ZPO (für Vollstreckung von Geldforderungen) ebenso wie die §§ 887, 888 und 890 für die Vollstreckung von vertretbaren Handlungen, unvertretbaren Handlungen und Verpflichtungen zur Duldung oder zum Unterlassen. Für die Betreibung der Zwangsvollstreckung bedarf es einer durch einen hierzu befugten Übersetzer erstellten Übersetzung des zugrundeliegenden Urteils ins Deutsche (Art. II § 19 Abs. 2 IntPatÜbkG).
Daneben eröffnet auch das EPGÜ die Möglichkeit, Ordnungs- und/oder Zwangsgelder beim Gericht erster Instanz zu beantragen. die dann nach Art. II § 20 IntPatÜbkG per Justizbeitreibungsordnung vollstreckt werden. Jedenfalls für die Vollstreckung von Zwangs- und Ordnungsgeldern erscheint dies der sinnvollere Weg, da dann – vergleichbar mit der jetzigen Situation in Deutschland – diejenige Kammer des Einheitlichen Patentgerichts den Titel auslegt, die ihn auch erlassen hat.
Die Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz beschäftigt sich schließlich noch mit der (höchst umstrittenen) Frage, welches Recht nationale Gerichte anwenden müssen, wenn ein Europäisches Patent Grundlage eines Verletzungsstreits ist, für das ein Opt-Out erklärt wurde oder im Rahmen der parallelen Zuständigkeit von Einheitlichem Patentgericht und nationalen Gerichten. Mit Verweis auf die „Intepretative Note“ des Vorbereitenden Ausschusses zur Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts vom 29. Januar 2014 (im Internet abzurufen unter https://www.unified-patent-court.org/news/interpretative-note-–-consequences-application-article-83-upca) stellt sich der deutsche Gesetzgeber auf den Standpunkt, dass dann IntPatÜbkG und PatG direkt zur Anwendung kommen.
Zwischenzeitlich laufen die weiteren Vorbereitungen für den Start des Einheitlichen Patentgerichts und insbesondere für die Phase der vorläufigen Anwendbarkeit institutioneller Bestimmungen. Ende September hat Deutschland das sogenannte PPA-Protokoll ratifiziert. Mit diesem Protokoll werden die Bestimmungen zu den Institutionen des EPGÜ vorab angewandt, damit sich die Gremien des EPGÜ konstituieren können und insb. Richter gewählt, die Verfahrensordnung verabschiedet und Gerichtsgebäude logistisch aufgebaut werden können. Auch das IT-System wird dann bereits operationell sein und insbesondere Opt-Out-Erklärungen bereits vor dem Inkrafttreten des EPGÜ als Gericht entgegennehmen können.
Am 15. Oktober 2021 hat Slowenien nicht nur das EPGÜ, sondern auch das PAP-Protokoll ratifiziert. Es fehlt damit nur noch die Ratifizierung eines einzigen Staates, damit die Vorbereitende Phase starten kann. Aussichtsreichster Kandidat ist Österreich. Dort wurde das Gesetzgebungsverfahren zur Ratifizierung des PAP-Protokolls im Juli eingeleitet und wird voraussichtlich im Dezember 2021 oder Januar 2022 abgeschlossen sein. Das PAP-Protokoll tritt in Kraft am Tag nach Erreichen der notwendigen Anzahl von Ratifikationen.