Einrichtung interner Meldekanäle
Die EU-Whistleblower-Richtlinie verpflichtet in Artikel 8 Abs. 1 Unternehmen, Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen zu errichten. Diese Kanäle und Verfahren müssen den Arbeitnehmern die Meldung von Informationen über Verstöße ermöglichen (Abs. 2).
Mit „Verstößen“ meint die Richtlinie Verstöße gegen das Unionsrecht (Art. 2 Abs. 1 WBRL). Hier geht Entwurf des HinSchG weit darüber hinaus, der unter Verstößen auch solche gegen nationales Recht erfasst (§ 2 Abs.1 Nr. 3 HinSchG-E). Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs war unter anderem Grund dafür, weshalb der Bundesrat seine Zustimmung nicht erteilte. Es bleibt abzuwarten, wie die endgültige Umsetzung der Richtlinie ausgestaltet sein wird.
Nach Artikel 9 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie müssen Meldekanäle so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird. Hierbei müssen die Meldungen in schriftlicher und/oder mündlicher Form möglich sein. Somit wären zum Beispiel Plattformen im Intranet oder eine Whistleblower-Hotline als Meldekanäle denkbar. Auf Wunsch des Hinweisgebers muss zudem eine „physische Zusammenkunft“ ermöglicht werden.
Die Unternehmen sind verpflichtet dem Hinweisgeber den Eingang der Meldung innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung zu bestätigen. Zudem muss eine Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb von maximal drei Monaten erfolgen.
Zur Errichtung der Meldekanäle können Unternehmen auch auf externe Dritte zurückgreifen (Art. 8 Abs. 5 WBRL). Hierbei wird im Rahmen des Entwurfs des HinSchG eine Konzernlösung begrüßt, nach welcher einzelne Konzerngesellschaften unter gewissen Voraussetzungen ihre internen Meldekanäle an ein Konzernunternehmen auslagern können.
Darüber hinaus haben Unternehmen dafür Sorge zu tragen, dass unparteiische Parteien oder Abteilungen für die Folgemaßnahmen zu den Meldungen zuständig sind. Folgemaßnahmen können beispielsweise weitere Nachforschungen sein. Darüber hinaus lässt die Richtlinie auch ordnungsgemäße Folgemaßnahmen für anonyme Meldungen zu, sofern dies durch nationales Recht vorgesehen ist. § 16 Abs. 1 HinSchG-E erklärt die Bearbeitung der anonymen Meldung für verpflichtend, was über die zwingenden Anforderungen der Richtlinie hinausgeht und ebenfalls ein Grund für die verweigerte Zustimmung des Bundesrates war.
Die Pflicht zur Errichtung von internen Meldekanälen – und Verfahren gilt zunächst für Unternehmen die mindestens 50 Arbeiternehmer beschäftigen. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass Unternehmern die weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen mit keiner derartigen Verpflichtung rechnen müssen. Im Rahmen einer geeigneten Risikobewertung, die der Art der Tätigkeiten des Unternehmens und dem von ihm ausgehenden Risiko Rechnung trägt, können die Mitgliedstaaten auch Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern diese Verpflichtungen auferlegen (Art. 8 Abs. 7 WBRL). Dies wurde in § 12 Abs. 3 HinSchG-E insofern aufgegriffen, dass die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle für bestimmte Unternehmen unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten gilt (z.B. für Wertpapierdienstleistungsunternehmen).
Externe Meldestellen
Zu beachten ist, dass neben internen Meldestellen die Richtlinie auch die Errichtung von behördlichen – externen – Meldestellen vorsieht (Artikel 10 WBRL). Die Hinweisgeber haben diesbezüglich ein Wahlrecht, wen sie ansprechen. Es ist daher empfehlenswert, die internen Meldekanäle so gestalten, dass Arbeitnehmer keinen Bedarf haben, sich an externe Meldestellen zu wenden.
Dokumentation der Hinweise und Datenschutz
Unternehmen sind dazu verpflichtet alle eingehenden Meldungen zu dokumentieren. (Art. 18 Abs. 1 WBRL) Hierbei dürfen nach der Richtlinie die Meldungen nicht länger aufbewahrt werden, als dies erforderlich und verhältnismäßig ist. Der Entwurf des HinSchG sieht eine Löschung spätestens drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens vor (§ 11 Abs. 5 HinSchG-E).
Mit Blick auf den Datenschutz sieht die Richtlinie vor, dass die Identität von Hinweisgebern ohne die ausdrückliche Zustimmung grundsätzlich keinen anderen Personen als gegenüber den befugten Mitarbeitern die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind offengelegt werden darf (Art. 16 Abs. 1 WBRL).
Keine Repressalien für Hinweisgeber
Hinweisgeber dürfen keinen Repressalien unterliegen, wenn sie einen hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Angaben der Wahrheit entsprachen (Art. 6 Abs. 1 WBRL). Der Schutz des Hinweisgebers entfällt nur bei grober Fahrlässigkeit oder positiver Kenntnis von der Unwahrheit der Meldung.
Hierbei untersagt die Richtlinie u.a. folgende Repressalien:
Ein Hinweisgeber ist somit vor derartigen Folgen geschützt. Eine Verletzung des Schutzes durch den Arbeitgeber kann Sanktionen zur Folge haben.
Sanktionen
Bei Verstößen gegen die oben genannten Pflichten hat ein Unternehmen mit Sanktionen zu rechnen (Art. 23 Abs.1, 2 WBRL). Die konkrete Ausgestaltung der Sanktionen obliegt hierbei den Mitgliedstaaten.
Der Entwurf des HinSchG sieht diesbezüglich in § 40 vor, dass Unternehmen, die der Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht nachkommen, ein Bußgeld von bis zu 20.000 EUR droht. Bei (versuchter) Verhinderung der Kommunikation, dem (versuchten) Ergreifen von verbotenen Repressalien oder bei Missachtung des Vertraulichkeitsgebotes droht sogar ein Bußgeld von bis zu 100.000 EUR.
Darüber hinaus sieht § 37 Abs. 1 HinSchG-E vor, dass Hinweisgeber für immaterielle Schäden eine Entschädigung in Geld fordern können.
Umsetzungsbedarf
Auch wenn das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) durch den Bundesrat vorerst gestoppt wurde, handelt es sich hierbei lediglich um eine Verzögerung. Die Umsetzung der EU-Richtlinie wird, wenn auch verspätet, erfolgen. Es bleibt daher noch etwas Zeit, die Umsetzung in Angriff zu nehmen.
Sinnvoll ist daher die baldige Umsetzung der internen Meldeerfordernisse bei KMU insbesondre durch externe Dienstleister. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Dienstleistern, die Meldekanäle für Unternehmen anbieten. Besonders sind in der Regel auch Anwaltskanzleien bereit, als Meldekanäle zur Verfügung zu stehen, womit sich der interne Umsetzungsaufwand für die Unternehmen reduzieren lässt.
[1] RICHTLINIE (EU) 2019/1937 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden,
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1937&from=de