Das Recht am eigenen Bild einer abgebildeten Person ist bekanntlich ein Minenfeld für Fotografen und Agenturen. Die Anzahl der entschiedenen Fälle in den Pressekammern ist auch für den Juristen nicht mehr überschaubar. Zudem sind die Maßstäbe manchmal recht unterschiedlich und die Abwägungen, die vom Gericht in jedem Einzelfall zu treffen sind, sind im Ergebnis vielfach mehr als ungewiss.
Besonders schwierig wird diese Situation auch noch dadurch, dass die Verletzung der §§ 22, 23 KUG nicht nur zivilrechtliche Deliktstatbestände (mit den allbekannten Folgen von Abmahnung, Unterlassungserklärung, einstweiliger Verfügung, Schadensersatz, Löschung etc.) sind, sondern zudem auch noch Straftatbestände, § 33 KUG (KunstUrhG).
Die Lizenzierung und Weitergabe von Personenaufnahmen ist daher für Bildagenturen und Fotografen ein schwierig zu überschauendes Feld, das angesichts des massenhaften Charakters solcher Aufnahmen im Alltag von Fotografen und Bildagenturen kaum zu bewältigen ist. Der Fotograf oder die Bildagentur kann nicht jedes Bild prüfen und dennoch drohen deliktische oder sogar strafrechtliche Folgen. Deshalb stellt sich mit besonderer Deutlichkeit die Frage, wer für die Veröffentlichung der Bilder verantwortlich ist und wer nicht.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu bereits mehrfach festgestellt, dass grundsätzlich keine „Verbreitung“ des Bildes im Sinne des KunstUrhG stattfindet, wenn der Fotograf oder die Bildagentur die fraglichen Bilder an eine Presseradaktion weiterleitet, bzw. ein Presseunternehmen die Bilder aus einem Bildarchiv abruft.[1] Es handele sich um einen Informationsaustausch, der quasi im presseinternen Bereich stattfinde. Aufgrund der fehlenden Außenwirkung sei das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen allenfalls geringfügig tangiert. Das Interesse der Presse, zur Informationsbeschaffung ungefiltertes Fotomaterial zu erhalten, überwiege. Mit dieser Rechtsprechung wurden also die Bildagenturen aus der Schusslinie genommen. Sie können presseintern als Zulieferer der Redaktionen den Zugang zu den Bildern ungefiltert ermöglichen. Es ist die Bildredaktion, die in Zusammenarbeit mit der Textredaktion dann darüber entscheiden muss, ob ein Bild veröffentlicht werden darf, eventuell nur verpixelt werden muss oder eventuell eine Veröffentlichung ganz unterbleiben muss. Diese Rechtsprechung trifft auch schon deshalb zu, weil allein die Textredaktion weiß, welcher Text zu dem Bild veröffentlicht werden soll und deshalb nur sie beurteilen kann, ob im Einzelfall die Verwendung der Fotografie zur Bebilderung des Textes zulässig ist. Die komplexen Abwägungen zwischen öffentlichem Informationsinteresse und Abbildung einer Person können vernünftigerweise nur von Text- und Bildredaktionen gemeinsam getroffen werden.
Diese Meinung des BGH wird allerdings offensichtlich nicht allerorts geteilt oder berücksichtigt. Ein Fotograf hatte anscheinend im Universitätsklinikum Aachen einen Ebola-verdächtigen Patienten fotografiert, der auf dem Gang der Notaufnahme warten musste. Eine „große deutsche Tageszeitung“ hatte die Fotografie unverpixelt online veröffentlicht. Daraufhin wurde der Fotograf, nicht etwa der Bildredakteur, vom zuständigen Amtsgericht strafrechtlich belangt und zu 25 Tagessätzen verurteilt. Auf die Berufung hat das Landgericht die Strafe immerhin auf schmucke 40 Tagessätze heraufgesetzt. Das Oberlandesgericht hat dann zu allem Überdruss auch noch die Revision verworfen.
Mit Beschluss vom 23. Juni 2020 hat das Bundesverfassungsgericht dem ein Ende gesetzt und die Linie des BGH bestätigt: Die Verantwortung dafür, ein Personenfoto unverpixelt zu veröffentlichen, liege grundsätzlich bei der Presseredaktion – nicht bei dem Fotografen. Er dürfe das Bild weitergeben. Die Redaktion müsse darüber entscheiden, ob und wie das Bild veröffentlicht werden dürfe.
Dies ist auch allein sachgerecht. Denn nach den §§ 22/23 KUG muss, wenn keine Einwilligung des Abgebildeten vorliegt, vor der Veröffentlichung beurteilt werden, ob es sich. um ein Bild handelt, für das die Ausnahmeregeln (Zeitgeschichte, Menschenansammlungen etc.) eingreifen und das daher ohne Einwilligung veröffentlicht werden darf. Das öffentliche Informationsinteresse (und die dahinter stehenden Abwägungen zwischen Persönlichkeitsschutz und Informationsinteresse) ergibt sich meistens erst aus der Zusammenstellung von Bild und Text. Hierbei hat der Fotograf (und ebenso wenig die Bildagentur) keinen Einblick, schon, weil die Weitergabe an das Presseorgan zum Zeitpunkt geschieht, zu dem der Text meistens noch gar nicht existiert.
Das Bundesverfassungsgericht weist jedoch auch darauf hin, dass ein Fotograf im Einzelfall dennoch das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten verletzten kann, wenn er Umstände der Aufnahmesituation bei der Bildweitergabe verschweigt, die für den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen relevant sein können. So könne eine achtlose, konkret interessen-verletzende Weitergabe rechtswidrig sein. Der Fotograf dürfe bei der Weitergabe auch nicht verschweigen, dass der Abgebildete der Fotoaufnahme ausdrücklich widersprochen hat. Es sei jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, die Bilder vor Weitergabe zu verpixeln. Die Redaktion habe mit der nötigen Fachkunde über Maßnahmen zum Persönlichkeitsschutz zu entscheiden. Für Fotografen und Bildagenturen ist es daher von großer Bedeutung, jeweils darauf hinzuweisen, dass eine (tunlichst schriftlich einzuholende[2]) Einwilligung der abgebildeten Person nicht vorliegt.
[1] BGH, VI ZR 30/09; BGH, VI ZR 34/09
[2] Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2014, 8 AZR 1010/13