In einem Beschluss vom 30.10.2024 hat sich der 6. Zivilsenat des OLG München (GRUR-RS 2024, 30064) zu der Amicus-Curiae-Eingabe der EU-Kommission geäußert.
Der Beschluss stellt zunächst klar, dass eine Klage auf Schadensersatz und Auskunft/Rechnungslegung eine hinreichende Verletzungsanzeige sein könne.
Ferner führt das OLG aus, dass Versäumnisse einer Partei zu einem früheren Zeitpunkt durch nachträgliche höhere Anstrengungen nachgeholt werden können und beispielsweise der Nutzer den FRAND-Einwand durch ein einmaliges Versäumnis nicht dauerhaft verliere.
Wenn daher der SEP-Inhaber ein Lizenzangebot übersende und die Parteien danach in Verhandlungen darüber eintreten, könne aus einer anfänglich fehlenden Lizenzbereitschaftserklärung des Nutzers nicht seine Lizenzunwilligkeit abgeleitet werden.
Das OLG hält ferner fest, dass der Benutzer ein FRAND-gemäßes Lizenzangebot annehmen muss, auch wenn es eine Bandbreite an FRAND-gemäßen Lösungen gebe. Der Benutzer habe keinen Anspruch auf Konditionen am für ihn günstigsten Ende der Bandbreite. Auch wenn das Lizenzangebot des SEP-Inhabers „gerade noch“ FRAND sei, müsse dieses vom Nutzer angenommen werden. Es komme nicht darauf an, wie der Nutzer auf das Lizenzangebot reagiert habe und ob er ein Gegenangebot unterbreitet und Sicherheit geleistet habe. Wenn das Lizenzangebot also „gerade noch“ FRAND-gemäß sei, müsse es angenommen werden. Andernfalls verliere der Nutzer seine FRAND-Verteidigung
Ferner stellt das OLG klar, dass das Lizenzangebot des SEP-Inhabers nachgebessert werden könne, wenn es anfänglich nicht FRAND war. Ein FRAND-widriges Lizenzangebot sei noch keine missbräuchliche Verhaltensweise, sondern lediglich der Ausgangspunkt für Verhandlungen, in deren Verlauf ein FRAND-gemäßes Angebot des Patentinhabers entwickelt werden solle.
Der Nutzer müsse dann innerhalb kurzer Frist ein schriftliches, konkretes Gegenangebot unterbreiten und Sicherheit leisten. Dieses Gegenangebot könne nach Meinung des OLG nur dann eine Rolle spielen, wenn das Lizenzangebot seinerseits nicht bereits FRAND gewesen war. Denn wenn es FRAND war, musste der Nutzer es annehmen, weil er keinen Anspruch auf den Abschluss eines Lizenzvertrages zu seinen Bedingungen habe, auch wenn diese ebenfalls FRAND sein mögen.
Das OLG erläutert dann, dass der Nutzer bei einem Gegenangebot eine Sicherheitsleistung stellen müsse. Hierfür genüge es nicht, wenn diese nur die Benutzungshandlungen in Deutschland abdecken. Der Nutzer, der eine ordnungsgemäße Sicherheit leiste, müsse in aller Regel als lizenzwillig gelten, auch wenn sein vorangegangenes Verhalten Anlass für Zweifel an seiner Lizenzwilligkeit gegeben habe. Durch die Sicherheitsleistung dokumentiere er seine Lizenzbereitschaft und heile eine eventuell frühere Verzögerungstaktik.
Eine Sicherheitsleistung müsse allerdings nach dem Angebot des Patentinhabers berechnet werden. Dies müsse nicht zwingend das erste Angebot sein, wenn es weitere Angebote gegeben habe. Wenn es sich um eine weltweite Portfoliolizenz handle, müsse das gesamte Portfolio lizenziert werden. Es dürfe nicht auf das Klagepatent und das Gebiet der Bundesrepublik heruntergerechnet werden. Die Sicherheitsleistung sei als eine Konkretisierung der Lizenzwilligkeit anzusehen. Eine Lizenzwilligkeit könne der Nutzer deshalb grundsätzlich nur dadurch belegen, dass er in voller Höhe Sicherheit leiste. Fehle es hingegen an einer solchen Sicherheitsleistung, sei er als nicht lizenzwillig anzusehen. Dann sei auch kein Weg für die eigentliche FRAND-Prüfung des Lizenzangebot eröffnet.
Ob diese Sichtweise in vollem Umfang mit der Meinung der Kommission übereinstimmt, erscheint fraglich.
Zum einen bleibt das OLG weiterhin bei der deutschen Rechtsprechung, wonach die Lizenzwilligkeit ein dauerhaft zu prüfendes Kriterium sei, das zu jedem Zeitpunkt, also auch später, fortfallen könne. Dies hatte die Kommission in ihrer Stellungnahme ausgeschlossen.
Nach der Meinung des OLG müsse dann auch das Lizenzangebot nicht überprüft werden. Auch dies wird von der Kommission in ihrer Eingabe ersichtlich anders gesehen.
Eine weitere Differenz dürfte darin liegen, dass das OLG eine Pflicht annimmt, ein Lizenzangebot anzunehmen, auch wenn dieses nur „gerade noch“ FRAND ist. Das OLG eröffnet dem Nutzer bei dieser Lage keine Möglichkeit, seinerseits ein FRAND-Gegenangebot zu unterbreiten. Auch dies wird von der Kommission anders gesehen. Wenn dort Angebot und Gegenangebot FRAND sind, entfällt der Unterlassungsanspruch.
Schließlich bietet auch die vom OLG definierte Sicherheitsleistung ein Einfallstor für einen Missbrauch des SEP-Inhabers. Wenn jede, auch eine überhöhte Lizenzforderung mit einer Sicherheitsleistung bedient werden muss, und der SEP-Inhaber sein nicht FRAND-konformes Lizenzangebot nachbessern kann, setzt dies einen Anreiz, dass er zunächst einmal ein stark überhöhtes Angebot unterbreitet. Er kann sicher sein, dass er zum späteren Zeitpunkt ein weiteres Angebot unterbreiten darf, ohne als lizenzunwillig zu gelten. Der Nutzer müsste aber dann die überhöhte Forderung erst einmal besichern, was bei kleineren Unternehmen vielfach bereits unmöglich ist. Ist der Nutzer zu einer kurzfristigen Sicherheitsleistung nicht in der Lage, wird gar nicht mehr geprüft, ob das Lizenzangebot FRAND war. Diese innere Logik würde dazu führen, dass Patentinhaber immer überhöhte Forderungen stellen und damit dem Nutzer den FRAND-Einwand abschneiden, weil er sie in der geforderten Kürze der Zeit oder wegen der schieren Höhe nicht besichern kann. Ob diese Logik im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ist, erscheint fraglich.
Jedenfalls scheint das Oberlandesgericht den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorlegen zu wollen (wozu nur der BGH verpflichtet wäre). Da der Beklagte noch keine Sicherheit in der so berechneten Höhe geleistet hat, wurde ihm vom Oberlandesgericht die Gelegenheit gegeben, seine Sicherheit nachzubessern.
Eine Entscheidung ist für Ende Februar 2025 vorgesehen.